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Die WahrheitJa! Ja! Neuja!

Zwischen Weihnachten und Neujahr darf keine Wäsche gewaschen werden, besagt ein Aberglaube. Und was geschieht, wenn die Regel nicht beachtet wird?

M it zunehmendem Lebensalter sinkt die Bedeutung belärmter Festtage. Insbesondere Silvester gefällt uns Altchen nicht mehr, ist es doch nichts als die ständige Mahnung, dass unsere Uhr abläuft. Apropos: War nicht vor vier Wochen gerade erst Silvester?

Also nichts wie weg, ehe die Klimakleber zurück aus dem Weihnachtsurlaub sind, die Bauern mit ihren Abgasschleudern die Straßen blockieren und Claus Weselsky alle ICEs mit einer Mischung aus Gewerkschaftsrhetorik und Sekundenkleber anhält. Ja, woanders ist auch Silvester, aber es tut weniger weh als zu Hause.

Dieses alberne Fest ist mit einer Menge überflüssiger Bräuche belastet. Einen davon lernte ich erst spät kennen: Zwischen Weihnachten und Neujahr darf keine Wäsche gewaschen werden, weil es Unglück bringt. Für Hausarbeitsvermeidung bin ich jederzeit zu haben, aber mehr so grundsätzlich. Ich glaube zum Beispiel, dass „Zwischen Weihnachten und Neujahr vom Sofa aufstehen“ ein No-Go ist. Solange ich sitze, richte ich keinen Schaden an. Allerdings komme ich so auch nirgendwohin, also verließ ich kurz nach Weihnachten doch das Wohnzimmer und warf die Waschmaschine an.

Am Urlaubsort verkündete im Café eine Frau am Nachbartisch, dass sie von dem ganzen Wäschequatsch gar nichts halte. Dann murmelte sie mit Verschwörerstimme: „Aber am 31. 12. ist bei mir alles in den Schränken verstaut!“ Jetzt wurde ich nervös, 300 Kilometer von meiner heimischen Wäscheleine entfernt, auf der noch einige Stücke im Wind schwankten. Würde alles gutgehen?

Am letzten Tag des Jahres kaufte ich mir am berühmten, aber sehr kalten Kap Arkona eine neue Wollmütze. Dann ging es weiter zum Süßigkeitenstand, wo ich mit einer unbedachten Bewegung die Einfüllschaufel aus den gebrannten Mandeln katapultierte, samt diverser Mandeln, und vor Schreck einen Schritt zurücktrat. Hinter mir jaulte es ausdauernd, aber ich brauchte noch etwas Zeit, um zu verstehen, dass ich mich gemütlich auf einem Dackelschwanz eingerichtet hatte. Am nächsten Tag entdeckte ich mein Wollmützenmodell woanders zum halben Preis. Ganz schön viel Pech für ein paar Klamotten auf der Leine. Der Hund hatte seine Wäsche wahrscheinlich auch nicht abgehängt.

Aber es war noch nicht vorbei. Auf der Heimreise versuchte ich, den Liebsten und mich mit einem gewagten Überholmanöver vor weiteren Silvestern zu bewahren, was sonst gar nicht meine Art ist. Der Platz zwischen Lkw und Gegenverkehr hatte genau die Größe der beiden Handtücher, die zu Hause hingen. Als wir wider Erwarten dort doch heil ankamen, erfuhr ich, dass inzwischen eine Freundin aus dem Hochwasser evakuiert werden musste, das vermutlich am 28. 12. von meiner Waschmaschine ausging. Leute, es tut mir so leid! Aber ich werde es in diesem Jahr wieder tun, denn wir Alten vergessen schnell.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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