piwik no script img

Geplante MüllverbrennungAltholz soll nicht ins Feuer

Die BSR will eine Verbrennungsanlage für Altholz und Sperrmüll errichten. UmweltschützerInnen warnen, das laufe auch Berlins Klimazielen zuwider.

Muss es am Ende brennen? Sperrmüll-Sofa (hier falsch entsorgt) Foto: IMAGO / Seeliger

Berlin taz | Berliner Unwelt- und Naturschutzorganisationen haben sich gegen den Bau einer weiteren Müllverbrennungsanlage der BSR am Neuköllner Standort Gradestraße ausgesprochen. In einer ausführlichen Stellungnahme argumentieren die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), der BUND, der Nabu, die Grüne Liga, der Landesverein der UmweltberaterInnen in Berlin (LAUB), der Verein Zero Waste und andere, die Anlage konterkariere die Ziele des Landes für eine klimaneutrale Wärmeversorgung, sei für die Entsorgungssicherheit von Abfällen unnötig, widerspreche dem „Zero Waste“-Ziel und belaste An­woh­ne­r*in­nen sowie die Umwelt.

Das Projekt, das von den Berliner Stadtreinigungsbetrieben mittlerweile als „Bioenergieanlage“ bezeichnet wird, befindet sich noch in einer frühen Planungsphase. Es soll nach aktuellem Stand im Jahr 2030 den Betrieb aufnehmen und in erster Linie Altholz und Sperrmüll verfeuern und so Fernwärme erzeugen. Der anvisierte Standort befindet sich auf einem schon lange brachliegenden Gelände des einstigen Senders RIAS, das sich an den Recyclinghof Gradestraße und die benachbarte BSR-Anlage zur „mechanischen Behandlung“ von Sperrmüll anschließt. Weiter östlich ist auf demselben Gelände künftig Wohnbebauung vorgesehen.

Bislang betreibt die BSR nur das Müllheizkraftwerk in Ruhleben, in dem rund 60 Prozent des Berliner Hausmülls verbrannt werden. Die Energie, die dabei in Form von Dampf entsteht, wird von Vattenfall abgenommen und sowohl verstromt als auch in das Fernwärmenetz eingespeist. Welche Müllmengen künftig an der Gradestraße verbrannt werden sollen, ist unklar, gegenüber dem Tagesspiegel äußerte die BSR aber, dass bei dem landeseigenen Entsorgungsunternehmen rund 120.000 Tonnen Sperrmüll und Altholz pro Jahr anfielen.

Kein zusätzlicher Bedarf

Die Umweltorganisationen bezweifeln, dass die Verbrennungsanlage für die „Entsorgungssicherheit des Landes Berlin“ nötig ist, wie es die BSR vergangenes Jahr in ihrem Antrag zur Änderung des Flächennutzungsplans beschrieben hat. Diese sei, so BLN, BUND und Co., „bereits mit den aktuell zur Verfügung stehenden Anlagen gewährleistet“. Auch in Zukunft sei nicht von einem zusätzlichen Bedarf für die Verbrennung von Müll auszugehen – schließlich habe sich Berlin klare Ziele zur Müllreduzierung gesetzt, und es gebe ein „hohes, derzeit nicht erschlossenes Potenzial für Wiederverwendung und Recycling“. Auch gebe es im Umland etliche private Verbrennungsanlagen, die die BSR etwa mit Altholz beliefere.

Das Gutachten verweist auf deutlich höhere Quoten beim Recycling und der stofflichen Verwertung von Sperrmüll und Altholz in anderen Ländern. Hier gebe es noch ein großes Potenzial: Alte Möbel könnten zu Second-Hand-Produkten aufgewertet werden, aber auch die sogenannte Kaskadennutzung von Holz sei der sofortigen Verbrennung vorzuziehen. Gemeint ist damit beispielsweise die Nutzung von Holz aus alten Dachstühlen, Fenstern und Treppen, aber auch von Massivholzmöbeln oder Parkettfußböden zur Herstellung von Spanplatten.

Die Umweltorganisationen kritisieren, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz Altholz und Müll als klimaneutrale Brennstoffe wertet. Immerhin sei seit dem 1. Januar auch die Verbrennung von Müll mit einem CO2-Preis belegt. Es komme aber darum „nicht von ungefähr, dass die BSR im Laufe des B-Planverfahrens die Bezeichnung der Anlage von ‚Müllverbrennungsanlage‘ über 'Biomasseheizkraftwerk’ in ‚Bioenergieanlage‘ geändert“ habe.

In Wirklichkeit könne man eben nicht von der „Gewinnung von grüner, regenerativer' Wärme“ sprechen – wie die BSR in ihren Unterlagen zum Bebauungsplanverfahren. Holzverbrennung sei per se nicht klimaneutral, und es sei nicht davon auszugehen, dass die derzeit von der BSR mit Altholz belieferten privaten Anlagen in der Region künftig „die Verbrennungsmenge drosseln. Stattdessen werden sie nach weiterem Alt- wie Frischholz suchen und damit den Druck auf Wald und Altholzrecycler weiter erhöhen“. Aufgrund des hohen Kunststoffanteils sei im Übrigen „selbst das Versprechen der Defossilisierung nicht zu halten“.

Ausdrücklich begrüßt werden von den KritikerInnen-Organisationen dagegen die Planungen der BSR, auf demselben Gelände eine Sortierhalle für Sperrmüll und Altholz zu errichten. Damit lasse sich eine deutliche Erhöhung der aktuell sehr niedrigen Recyclingrate erreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!