Tierschützer veröffentlichen Aufnahmen: Plastikeimer voller zuckender Tiere
Die Tierrechtsorganisation Aninova hat Videos aus einer Hähnchenmast veröffentlicht. Deren Fleisch kommt über das Großunternehmen Sprehe in den Handel.
In einer anderen Szene geht es darum, Tiere zu betäuben, sie durch einen Genickbruch zu töten. Es gibt Zangen dafür. Das Video zeigt, dass ein Eimerbügel zum Einsatz kommt. „Und, wie machst du das jetzt, einfach so?“, fragt der Aktivist. Die Frau antwortet: „So wie wir’s nicht machen dürfen.“ Im Stall ist es dunkel. Plastikeimer voller zuckender Tiere sind zu sehen. Ein Tier, dessen Leib zur Krankheitskontrolle geöffnet wird, bewegt sich noch. Tiere werden am Hals gepackt und herumgewirbelt, bis sie angeblich tot sind.
Jan Peifer von Aninova hat schon viel Leid gesehen. Zu den Vorgängen in Bobeck sagt er der taz: „Das ist schon gewaltig. In dieser krassen Form habe ich das noch nicht erlebt.“ Besonders die Gleichgültigkeit der MitarbeiterInnen schockiert ihn: „Sie wussten genau, dass das falsch ist. Es war ihnen egal.“
Der Mastbetrieb lieferte an Astenhof Frischgeflügel. Die Firma wiederum gehört zur Sprehe-Unternehmensgruppe in Niedersachsen, einem Big Player der Fleischindustrie mit rund 700 Millionen Euro Umsatz im Jahr, den die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland schon vor Jahren im Visier hatte.
Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Gera
Aninova hat Mitte August Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Gera gestellt, wegen des Verdachts des Verstoßes gegen Paragraf 17 des Tierschutzgesetz – er besagt, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer „ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt“.
Die 23-seitige Anzeige, flankiert durch ein veterinärmedizinisches Gutachten, spricht von unsachgemäßen (Not-)Tötungen, unsachgemäßen oder fehlenden Betäubungen, von kranken und verletzten Tieren, unzureichender Desinfektion des Schuhwerks. Zu prüfen sei, inwieweit sich der den Bestand betreuende Tierarzt wegen Tierquälerei durch Unterlassen strafbar gemacht haben könnte. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln nun.
Man habe sich entschieden, den Mastbetrieb in Bobeck „ab sofort vorsorglich aus unserer Lieferkette für Frischgeflügel herauszunehmen, bis die Vorwürfe endgültig geklärt sind“, schreibt Astenhof der taz. Die im Videomaterial zu sehenden MitarbeiterInnen des Betriebs, „die erkennbar tierschutzwidrige Nottötungen ohne Betäubung vorgenommen haben“, seien nach Astenhof-Kenntnis nicht mehr in dem Betrieb beschäftigt. Das „Wohlergehen der Tiere“ gehöre „zur Unternehmenskultur“, habe „oberste Priorität“. Detailfragen der taz ignoriert Astenhof.
Zugleich greift Astenhof die beiden anonymen Ermittler an. Sie hätten sich im Auftrag der Tierrechtsgruppe in den Mastbetrieb „eingeschlichen“ und „nicht sofort gehandelt“, sondern ihre Vorwürfe und das Videomaterial erst spät veröffentlicht. „Durch eine umgehende Information der Betriebsleitung und des Veterinäramtes hätte hier Tierleid vermieden werden können.“
Supermarktketten ziehen sich zurück
„Die Undercover-Recherchen sind nicht in unserem Auftrag geschehen“, stellt Peifer klar. „Sofort nachdem uns die Informationen übergeben worden waren, haben wir das Veterinäramt informiert.“ Das Bildmaterial aus 2019 habe der Aktivist erst jetzt einer Tierrechtsorganisation übergeben, „weil er juristische Konsequenzen fürchtete“.
Das Fleisch aus Bobeck wurde von vielen Supermarktketten verkauft. In Reaktion auf die Aninova-Vorwürfe beziehen Rewe und Penny mittlerweile kein Fleisch mehr aus dem Betrieb. Edeka hat bis auf Weiteres die Lieferbeziehungen für seine Eigenmarken eingestellt. Kaufland will kein Bobeck-Fleisch mehr, Globus auch nicht. Die Initiative Tierwohl (ITW) der Fleischindustrie hat den Mastbetrieb inzwischen für Lieferungen gesperrt. Schon mehrfach standen ITW-Betriebe in der Kritik, dem Namen des Kontroll- und Siegel-Bündnisses nicht gerecht zu werden.
Laut den Undercover-Ermittlungen sei der Mastbetrieb zudem über die regelmäßigen Kontrollen durch das Veterinäramt informiert gewesen, sagt Aninova. Wäre es so, wäre es doppelt beklemmend: Tierschutzverstöße trotz Vorwarnung. Jan Peifer: „Dann kann man sich die Kontrollen ebenso gut sparen“.
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