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Hilfe bei der Trauer um Haustiere„Man kann Trauer nicht messen“

Die Hospizhilfe Bremen begleitet Menschen beim Sterben und stemmt sich gegen die Tabuisierung des Themas. Dazu gehört auch die Trauer um Haustiere.

Meist bleiben Angehörige zurück, wenn ein Mensch stirbt. Auch um sie kümmert sich die Hospizhilfe Bremen Foto: Ute Grabowsky/Imago

Bremen taz | Das Leben ist endlich, wir alle sterben irgendwann. So offensichtlich das ist, so wenig Platz hat das Thema im Alltag der meisten Menschen. Regina Heygster aus dem Vorstand der Hospizhilfe Bremen ist alles zu tabuisiert. Auch die Trauer um Tiere sei ein Raum, den es in der Gesellschaft gar nicht gibt. „Wo trauert man denn öffentlich um Tiere?“ Deswegen will die Hospizhilfe bald Menschen einen Raum geben, die ihr Haustier verloren haben.

„Ich weiß wie Menschen leiden, wenn das Tier stirbt“, sagt Heygster. „Und der Standardsatz ist dann: ‚Du kannst dir doch einen neuen Hund kaufen.‘ Damit ist aber die Trauer um dieses Tier nicht weg.“ Die Trauer um die Tiere werde klein gemacht. „Ich will das gar nicht auf die gleiche Stufe stellen, wenn jemand seinen Partner verliert. Das steht mir nicht zu. Aber man kann Trauer nicht messen.“ Vergleichen und Bewerten von Trauer findet Heygster „gemein“.

Auf das Thema gekommen ist sie vor etwa fünf Jahren, als eine Freundin ihre Katze verlor. Sie habe ganz extrem getrauert, erzählt Heygster, und dann eine Rundmail an ihre Freun­d*in­nen geschrieben: Wer die Katze nochmal sehen und mit ihr trauern will, könne ja vorbei kommen; sie sei vor dem Ofen in einem Schächtelchen aufgebahrt. Regina Heygster ist gekommen – sonst niemand. „Das hat mich traurig gestimmt. Unserer Freundin hätte es gut getan, wenn ein paar mehr Menschen gekommen wären, die mit ihr vor der Katze auf dem Fußboden geweint hätten.“

Michaela Höck, die in der Hospizhilfe auch die Trauergruppen für Angehörige leitet, wird etwa ab März einmal im Monat einen Termin für Tiertrauer anbieten.

Die Trauergruppen mit Höck, zwei in der Woche, sind für Angehörige. „Wenn Leute gestorben sind, bleiben die ja über“, sagt Gunnar Zropf, Erster Vorsitzender im Verein und verheiratet mit Heygster. „Die müssen mit dem Schicksal umgehen.“

Unserer Freundin hätte es gut getan, wenn ein paar mehr Menschen gekommen wären, die mit ihr vor der Katze auf dem Fußboden geweint hätten

Regina Heygster, Verein Hospizhilfe Bremen

Mitte der neunziger Jahre gegründet, begleitet der Verein ambulant und unentgeltlich Menschen beim Sterben. Heygster beschreibt das so: „Wir begleiten Menschen an ihrem Lebensende auf menschenwürdige, liebenswürdige und empathische Weise ihren Wünschen gemäß.“ Dazu bildet der Verein Menschen aus, auch andere Fortbildungen sind im Programm. Besonders beliebt: „Wenn ich noch einen Tag zu Leben hätte“. 2023 konnte die Fortbildung gleich zehn Mal stattfinden. „Nicht zu fassen“, sagt Heygster. Und im neuen Jahr geht es weiter. Für Mitglieder sind die Fortbildungen umsonst.

Sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen – auch das will der Verein mit seiner Arbeit anregen. „Ich finde es sehr wichtig, Menschen mit der inneren Auseinandersetzung dieser Themen zu berühren“, sagt Heygster. „Wir brauchen den Blick da­rauf, dass wir alle natürlich sterben werden. In unser aller Leben sterben Menschen. Wenn das plötzlich passiert, ist das schon erschreckend, das kann man sich immer gar nicht vorstellen.“

Noch was Neues hat sich die Hospizhilfe überlegt: Seit Anfang Dezember läuft die Begleitung hochbetagter Menschen. „Hochbetagt heißt bei uns, Menschen die ihrem Lebensende zugehen, über 90 Jahre alt sind, aber noch nicht im akuten Sterbeprozess“, erklärt Andrea Hopfenblatt. Sie ist seit drei Jahren im Vorstand der Hospizhilfe und inzwischen angestellt für Projektkoordination.

Diesen Hochbetagten wolle die Hospizhilfe ausgebildete Ehrenamtliche zur Seite stellen, auch über einen längeren Zeitraum, sagt die 36-Jährige. Lebensbegleitung statt Sterbebegleitung nennt sie das. „Die Chance ist, eine längere Beziehung entstehen zu lassen. Wir möchten Zeit schenken und gegen die Einsamkeit wirken.“ Viele hochbetagte Menschen seien alleine, wenn die Familie woanders wohnt oder Freun­d*in­nen schon gestorben sind.

Für die eigentliche Hospizarbeit im Sinne der Sterbebegleitung braucht es immer eine Diagnose – zum Beispiel Krebs im Endstadium. Entsprechend können dann Erwachsene jedes Alters begleitet werden.

Eine feste Gruppe von Ehrenamtlichen, die ein Wochenende lang von Hopfenblatt dafür ausgebildet wurde, begleitet nun die ersten hochbetagten Menschen im Bremer Pflegeheim Johanniterhaus.

Würde sie noch leben, würde wohl die Mutter von Regina Heygster zur Zielgruppe des neuen Projekts gehören. Heygster erzählt, dass ihre Mutter mit 92 Jahren gestorben und davor jedoch „keineswegs im Sterbeprozess“ gewesen sei. „Sie hatte Ar­throse, war blind, schwerst hörgeschädigt, hat für uns Kaffee gekocht und man hat miteinander gelebt.“ Dennoch habe die Familie ihr eine Begleitung zur Seite gestellt: „weil es ihr unheimlich gut tat, mit jemandem über Themen außerhalb von Familie und Kinder zu reden“.

Bei der Mutter von ihrem Mann war es anders. Dennoch weiß Zropf, was eine lange Begleitung von Menschen ausmachen kann: Mit der Diagnose Herzinsuffizienz habe seine Mutter einen Sterbebegleiter von der Hospizhilfe bekommen. „Ich sollte noch ins Krankenhaus, mich verabschieden.“ Doch seine Mutter hat sich erst vier Jahre später verabschiedet, „weil sie jeden Sonntag mit dem Sterbebegleiter philosophische Texte gelesen und klassische Musik gehört hat“. Für diesen Sonntag habe sie gelebt, davon ist Zropf überzeugt. „Sie war körperlich völlig runter, pflegebedürftig im Bett.“

Es gehe bei der Lebensbegleitung weniger um Freizeitgestaltung wie Theaterbesuche, sagt Zropf, wie die üblichen Besuchsdienste sie anbieten, sondern um Lebensqualität und -mut für die 90- oder auch 100-Jährigen. „Die Leute leben dadurch teilweise länger.“

Von der Umsetzung viel weiter entfernt ist ein anderes Projekt: die Sterbebegleitung von obdachlosen Menschen. Man wolle den Bereich nicht ausgrenzen, sagt Heygster. Auch Menschen, die obdachlos sind, sterben und bräuchten Mitgefühl. „Der Hospiz-Gedanke ist ja: Der Mensch ist ein Mensch, und ein wertvoller Mensch. Egal, wohin ihn das Leben gebracht hat, verdient er meinen Respekt und eine würdevolle Behandlung.“ Am Ball bleiben und das Thema in die Öffentlichkeit holen, das will Heygster.

Hilfe für Obdachlose ist schwer zu organisieren

Doch die Umsetzung ist schwierig: Erstmal müsse man mit den Institutionen, die sich um Obdachlose kümmern, in Kontakt sein. Darum habe man sich bereits bemüht, jedoch festgestellt, dass es unheimlich schwierig sei. „Die Menschen haben schon das Drama, obdachlos zu sein – und dann soll jemand von der Inneren Mission zu dem Menschen unter der Weserbrücke gehen und sagen: ‚Wir haben da ein neues Konzept mit der Hospizhilfe. Wenn's dich mal erwischt, wärst du dann offen, dabei begleitet zu werden?‘ Das ist ganz schwer.“

„Die Resonanz war nicht so gut“, sagt auch Zropf. Auch wenn die Idee grundsätzlich sehr gut angekommen sei. Ein Problem sei: Es gebe Treffpunkte für Obdachlose, aber eben keinen Wohnort. „Eine Begleitung wäre extrem schwer zu organisieren.“ Am ehesten vorstellbar sei es aktuell, wenn jemand ins Krankenhaus kommt. „Wir würden uns dem gern annehmen, aber das wird dauern. Wir müssen auch schauen, dass wir uns da nicht überfrachten.“ Denn beide arbeiten Vollzeit: Heygster, 68 Jahre alt, ist Dozentin und Supervisorin im sozialen Bereich, Zropf, 65, leitet eine Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für Menschen mit geistiger Behinderung. Seit 2015 arbeiten beide mit der AWO zusammen, bieten dort Fortbildungen für die Mitarbeitenden an.

Kerngeschäft der Hospizhilfe ist die Sterbebegleitung. Die Leute kommen, weil Angehörige entlastet werden müssen, es vielleicht auch gar keine gibt. „Wir sind nicht mehr in Verbunden wie früher. Wir sind eine Single-Gesellschaft“, sagt Heygster. „Viele Menschen, die alt werden, haben nicht mehr unbedingt diesen familiären Zusammenhalt.“

Ausbildung zur Ster­be­be­glei­te­r*in

Es melden sich Betroffene, Angehörige oder auch Pflegekräfte und -heime – aber immer im Wissen der Sterbenden. „Die wollen das selbst.“ Dann kommen die ehrenamtlichen Hel­fe­r*in­nen vorbei, stellen sich vor – wie oft und wie lange die Menschen dann begleitet werden, ist den Ehrenamtlichen selbst überlassen. Auch, ob sie selbst telefonisch erreichbar sein wollen, oder ob das lieber doch das Büro übernehmen soll.

In der Ausbildung zur Sterbebegleitung, die 80 Stunden umfasst, lernen die Ehrenamtlichen, Angehörige wie Part­ne­r*in­nen mit einzubinden. „Ich darf mich nicht dazwischen setzen oder etwas ersetzen wollen“, sagt Zropf. Weitere Inhalte der Ausbildung erklärt Heygster: „Sich selbst zurückzunehmen, nicht zu wissen wo es langgeht, nicht zu glauben, ich weiß gut, was dir jetzt gut täte.“ Auch Stille auszuhalten sei wichtig. „Ich muss aushalten, nicht zu wissen, was ich sagen soll und auch dass der andere nichts sagt.“ Entscheidend für die Begleitung ist natürlich auch Mitgefühl.

Den Auszubildenden soll auch vermittelt werden, dass der zu begleitende Mensch mehr war, als in dem Moment zu sehen ist. „Wenn ich eine 93-jährige alte verknitterte Dame ohne Haare sehe, war der Mensch wesentlich mehr“, sagt Heygster. „Vielleicht eine brilliante Schönheit, vielleicht hat sie Kinder gehabt, vielleicht war sie sehr erfolgreich, oder eine ganz normale Putzfrau und hat vielen Menschen die Wohnung so flott gemacht, dass alle glücklich waren am Wochenende.“

Mehr Präsenz in der Öffentlichkeit

Andrea Hopfenblatt ist selbst über diese Ausbildung im Verein gelandet. „Ich hatte noch nie eine Scheu vor Tod und Sterben, aber mit Hospiz konnte ich nichts anfangen.“ Sie habe dann recherchiert und die Ausbildung gemacht. „Es war ein großes Geschenk. Ich kann daraus ganz viel ziehen: Dadurch dass man sich bewusst ist, dass es endlich ist, hat man eine andere Sicht aufs Leben.“ Das Interesse ging sogar so weit, dass sie später Palliative Care an der Akademie für Weiterbildung an der Uni Bremen studiert hat. Den Studiengang gibt es inzwischen nicht mehr.

Heygster ist schon seit über 25 Jahren im Vorstand der Hospizhilfe. Fortbildungen habe es immer gegeben, für die Mitglieder. Vor wenigen Jahren habe der Vorstand jedoch die Entscheidung getroffen, mehr in der Öffentlichkeit zu arbeiten und auch größer zu werden, sagt Zropf. Vor drei Jahren 110 Mitglieder, habe man jetzt das Doppelte. Dazu wurden zwei große Seminarräume auf der gleichen Etage der Büroräume in Bremen-Mitte mit gemietet, damit die Ausbildungen auch vor Ort stattfinden können. Vier Angestellte mit insgesamt 90 Wochenstunden koordinieren die Sterbebegleitung, die Projekte und beraten zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.

Inzwischen gibt es sehr viele Angebote in Bremen, auch stationäre Hospize, oder solche speziell für Kinder. Die Hospizhilfe war jedoch einer der ersten unter ihnen.

Finanzierung über die Krankenkassen und über Spenden

Die Finanzierung der Hospizarbeit läuft über die Krankenkassen. Beim Verband der Krankenkassen stellt die Hospizhilfe am Ende eines Jahres einen Antrag zur Refinanzierung der Ausgaben, erklärt Zropf. Gezahlt wird rückwirkend; etwaige Vorschüsse, zum Beispiel für neue Angestellte oder Räume, müssen also über Spenden generiert werden.

Abhängig von der Zahl der aktiven Ehrenamtlichen – das seien derzeit etwa 70, sagt Zropf – und der verstorbenen begleiteten Menschen gibt es dann Geld. „Nicht die Zahl der Begleitungen, sondern die Zahl der Verstorbenen ist entscheidend.“ Daraus ergibt sich eine Summe, innerhalb der dann Miete, Lohnkosten, Supervision oder Büromaterial abgerechnet werden können. Nicht abrechnen könne der Verein die Trauergruppen, so Zropf. „Die Kasse sagt: Mit Trauer haben wir nix zu tun.“ Heygster versteht nicht, warum Trauer nicht abgerechnet werden kann.

Ebenso geht es Zropf beim Thema Langzeitbegleitung, wie bei seiner Mutter. Es sei „absurd“, dass diese wichtige Arbeit erst honoriert werde, wenn jemand stirbt. „Hier werden Unterschiede gemacht. Unser Verein macht das aber nicht.“ Man nage zum Glück nicht am Hungertuch sondern schaue einfach, wie man Spenden eintreiben kann. „Wir sind finanziell besser getragen als so manch andere soziale Projekte.“

Mit Blick auf seine Ver­eins­kol­le­g*in­nen sagt Zropf, der selbst seit 2009 dabei ist: „Die sind fröhlicher, dadurch dass die sich so viel mit dem Tod beschäftigen. Das ist auffällig.“ Man denke nicht ständig an den Tod, aber sei sich der Endlichkeit eben mehr bewusst. „Das führt dazu, dass wir uns mehr freuen, dass wir da sind.“

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1 Kommentar

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  • Warum sollte man seine begrenzte Lebenszeit darauf verschwenden, über das Ende nachzudenken. Gerade wenn ich über 90 werde, will ich doch meine Zeit genießen, ohne dass die Hospiz-Geier schon kreisen.



    Was die Trauer um Tiere angeht, darf man nicht von anderen erwarten, dass sie ebenso trauern. Wenn sich nur zwei die tote Katze anschauen, ist das eben so. Das kann man auch auf Gegenstände ausweiten. Wenn das liebste Auto in die Presse wandert oder die Vase von Tante Minna zu Bruch geht oder oder oder.



    Memento mori heißt nicht, jeden Tag den eigenen Tod zelebrieren. Man bereitet sich vor. Am Ende weiß niemand, wann es zuende geht. Herzinfarkt mit Mitte 30. Autounfall mit Anfang 20. Sepsis mit 47. Krebs mit 68. Lungenentzündung mit 98. Man sollte bürokratisch alles geregelt haben und sich dann aufs Leben konzentrieren.