Klage der Deutschen Umwelthilfe: Saubere Rohre, dreckiges Wattenmeer
Am LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird chlorhaltiges Wasser ins Meer eingeleitet. Ist das Ökosystem der Jade und des Wattenmeers in Gefahr?
Wenn an einem Terminal flüssiges Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) angeliefert wird, muss dieses Gas erwärmt und vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zurückversetzt werden. Zum Transport wird das Gas auf minus 161 bis 164 Grad Celsius gekühlt. Dadurch wird sein Volumen um das 600-fache verringert – es kann statt per Pipeline dann per Schiff transportiert werden. Der größte Teil des deutschen LNG kommt aus den USA. Der erste Tanker landete Anfang dieses Jahres am Terminalschiff „Höegh Esperanza“ in Wilhelmshaven.
Um das LNG zu erwärmen, wird das flüssige Gas durch Rohre geleitet, die wiederum von weiteren Rohren umschlossen sind, durch die Meerwasser geleitet wird. Der Temperaturunterschied zwischen dem Meerwasser im äußeren und dem flüssigen Gas im inneren Rohr erwärmt das LNG.
Bei der Höegh Esperanza wird ein offenes System genutzt, in dem immer wieder frisches Meerwasser in den Prozess eingeleitet wird. Dieses Wasser bringt aber auch Mikroorganismen, Algen und Muscheln mit sich, die die Rohre verstopfen. Deshalb wird „das Seewasser mittels Elektrochlorierung behandelt“, wie das Niedersächsische Umweltministerium auf seiner Homepage schreibt. Das im „Seewasser enthaltene Natriumchlorid wird mittels elektrischer Energie zu aktivem Chlor“. Dieses wird mit dem verbrauchten Meerwasser im Anschluss ins Wattenmeer ausgeleitet.
Belastung für das Ökosystem
Genau hier liegt für die Umwelthilfe das Problem. Das Chlor belaste „das sensible Ökosystems der Jade und des Wattenmeers erheblich“, kritisiert die DUH. „Das Wattenmeer wird damit leichtfertig als Müllhalde missbraucht“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der DUH. Das Vorgehen am Terminal sei „nicht nur falsch, sondern auch rechtswidrig“.
Laut Umweltministerium wurden in den ersten elf Monaten des Betriebs „bisher keine negative Auswirkung auf das Gewässer“ festgestellt. Im Gegenteil: „Die Messwerte der verschiedenen Chlor- und Nebenprodukte lagen überwiegend sogar unter der jeweiligen Nachweisgrenze“, sagt Korbinian Deuchler vom Umweltministerium der taz.
Das sieht die DUH anders. Sie kritisiert, dass die Messungen, auf die sich das Umweltministerium bezieht, nicht zum richtigen Zeitpunkt, – nämlich nicht bei vollem Betrieb der Anlage – durchgeführt wurden. Und es musste, ausnahmsweise, vor der Inbetriebnahme des Terminals keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
„Welche Umwelteinflüsse es gibt, wissen wir nicht“, sagt Müller-Kraenner. Er weist darauf hin, dass genau das Terminalschiff, das nun in Wilhelmshaven LNG umschlägt, in Australien, wo es zuvor vor Anker lag, keine Zulassung erhalten hatte, da Schäden an den dortigen Riffen befürchtet wurden.
Umweltschonende Alternativen
Dabei gibt es durchaus Alternativen zur Chlorierung, etwa die Reinigung durch Utraschall. „Das zweite Terminalschiff ‚Excelsior‘, das ab kommendem Jahr am gleichen Standort betrieben werden soll, soll ohne Biozid gereinigt werden“, sagt Müller-Kraenner und fragt: „Warum gelingt das nicht auch für die Höegh Esperanza?“. Laut Müller-Kraenner sei dies vor allem eine „Kostenfrage“, denn die Reinigung durch Ultraschall sei „ein bisschen teurer“ als die mit Chlor. Die Argumente der Umweltschützer seien „seit Monaten von den Behörden ignoriert“ worden, die Klage damit unvermeidbar.
Für das zuständige niedersächsische Umweltministerium hingegen ist die Abkehr vom Chlor nur eine Frage der Zeit „Das Ministerium setzt sich für eine Reduzierung des Chloreinsatzes in Wilhelmshaven ein“, sagt Deuchler. Zudem sei es der Initiative des Umweltministers zu verdanken, dass das zweite Terminalschiff, das im Frühjahr 2024 eröffnet werden soll, auf das Ultraschallverfahren umgerüstet wird. Dafür habe man sich um Bundesmittel bemüht. Auch die Höegh Esperanza soll umgerüstet werden. Aber dafür müsse zuerst das zweite Schiff in Betrieb sein, da sonst das erste „ersatzlos ausfallen würde“.
Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven sowie weitere schwimmende Terminals in Brunsbüttel und Lubmin wurden eröffnet, um das fehlende russische Gas zu kompensieren. Seit ihrer Planung stehen sie aber in der Kritik. Während die DUH anerkennt, dass LNG – als Übergangslösung – sinnvoll sein kann, kritisiert sie, dass die aufgebauten Kapazitäten viel zu hoch sind. Das moniert inzwischen auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
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