Zwangsarbeitsvorwürfe gegen Volkswagen: Zweifel an VW-Bericht zu Uiguren
Eine Untersuchung sollte klären, ob VW in China von Zwangsarbeit der Uiguren profitiert. Doch nun steht die Untersuchung in der Kritik.
Nun jedoch holt die Causa die Wolfsburger erneut ein. Denn die Mitarbeiter der deutschen Beratungsfirma, die die Prüfung durchgeführt hat, haben sich von den eigenen Untersuchungsergebnissen distanziert. So heißt es in einer Stellungnahme auf der Onlineplattform LinkedIn, dass niemand außer zwei Vorstandsmitgliedern der Firma „an diesem Projekt teilgenommen, es unterstützt oder begleitet“ habe.
Mehrere der 20 Angestellten von „Löning Human Rights & Responsible Business“ haben zudem in individuellen Stellungnahme klargestellt: „Ich habe weder die Annahme dieses Projekts unterstützt, noch war ich in irgendeiner Weise daran beteiligt.“ Deutlicher kann man Unzufriedenheit kaum kommunizieren.
Besonders pikant: Die Beratungsfirma in VW-Diensten wird vom ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), geleitet. Dieser sagte bislang zur Rebellion seiner Mitarbeiter: „Wie Sie sehen, sind wir ein lebendiges und engagiertes Team mit einem breiten Spektrum an Ansichten.“ Zu dem Ergebnis der Studie, dass man keine Anzeichen für Zwangsarbeit bei VW gefunden habe, stehe er weiterhin.
2013 Werk als politischer Gefallen eröffnet
Doch das Dilemma ist offensichtlich. Gegenüber der Financial Times hat Löning selbst behauptet, dass es für die Uiguren in Xinjiang praktisch unmöglich sei, von Menschenrechtsvergehen zu berichten: „Selbst wenn sie etwas wüssten, könnten sie das nicht in einem Interview sagen.“ Zu groß sei die Gefahr, ins Visier der Sicherheitspolizei zu geraten. Ebenfalls hochproblematisch ist, dass die Unternehmensprüfung tatsächlich von zwei chinesischen Anwälten aus Shenzhen im Süden des Landes durchgeführt wurde, die auch die Kommunikation übernommen haben. Die deutschen Vertreter haben diese lediglich vor Ort begleitet.
Die Kontroverse reicht bereits Jahre zurück. 2013 hatte VW gemeinsam mit einem lokalen Joint Venture ihr ökonomisch wohl unprofitabelstes Werk mitten in der umstrittenen Region eröffnet. Hinter vorgehaltener Hand geben Volkswagen-Vertreter mittlerweile offen zu, dass es sich bei der Standortwahl um einen politischen Gefallen gegenüber der chinesischen Regierung handelte.
Diese wollte nämlich den rückständigen Nordwesten des Landes mit ausländischen Konzernen entwickeln. Welche Gegenleistung sich die Wolfsburger genau erhofften, ist unklar. Zu jenem Zeitpunkt gab es noch keine flächendeckende Repressionen gegen die Uiguren, auch die politischen Umerziehungslager sollten erst Jahre später errichtet werden. Allerdings galt Xinjiang auch damals schon als Unruheregion, in der die muslimische Minderheit unter potenziellem Terrorverdacht stand.
Die Volkswagen-Leitung bestand darauf, dass man mindestens 25 Prozent uigurische Mitarbeiter anstellen wolle, um die Lokalbevölkerung zu fördern und auszubilden. Die chinesische Seite stellte sich zunächst quer: Sie hatte keinerlei Vertrauen zu den Uiguren und wollte ausschließlich Han-Chinesen – die größte Ethnie im Land – einstellen.
Nun, über zehn Jahre später, wird das VW zum Verhängnis. Denn es lässt sich nahezu unmöglich ausschließen, ob die Uiguren nicht vor der Arbeit im VW-Werk an sogenannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des chinesischen Staats teilgenommen hatten. Möglicherweise sind sie dabei aus Umerziehungslagern zwangsweise in den Betrieb versetzt worden.
Wolfsburg im Dilemma
Es ist ein Dilemma, in dem der Wolfsburger Konzern steckt: Tatsächlich bezahlt er seine Mitarbeiter überdurchschnittlich gut, kümmert sich um deren Ausbildung und bringt sich auch in gemeinnützige Projekte ein. Gleichzeitig jedoch steht VW auch aufgrund seiner dunklen NS-Vergangenheit unter besonderer Verantwortung. Viele fragen, was ein deutsches Unternehmen in einer Region zu suchen hat, in der während der vergangenen Jahre hunderttausende Muslime ohne rechtsstaatliche Verfahren in Lagern interniert wurden.
Als die ersten Fragen an VW herangetragen wurden, schaltete der Konzern erst mal auf stur. Das Interview, das der damalige VW-Chef Herbert Diess 2019 bei der Automesse Shanghai einem Korrespondenten der BBC gab, dürfte als eines der größten PR-Desaster in die Unternehmensgeschichte eingehen. Nach dem Umgang der chinesischen Regierung gegenüber den Uiguren gefragt, antwortete der Manager, dass er darüber nicht urteilen könne. Ob er denn nicht von den Medienberichten über die Umerziehungslager wisse? „Mir ist das nicht bekannt“, entgegnete Diess.
Seither versucht VW, transparenter mit der Kontroverse umzugehen. Im Hintergrund sprechen Mitarbeiter ganz offen von ihren moralischen Bedenken. Gleichzeitig sagen sie auch, dass man das Werk nicht vor dem bis 2029 laufenden Vertrag schließen könne.
Tatsächlich jedoch dürfte vor allem die Angst vor der chinesischen Regierung überwiegen: Ein Rückzug von VW aus Xinjiang würde für Peking schließlich einen tiefen Gesichtsverlust darstellen. Und dieser hätte möglicherweise ökonomische Vergeltungsmaßnahmen zur Folge.
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