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Diversität im DeutschrapUnterstützt queere Artists

Die Deutschrap-Community hat ein Problem mit Männlichkeit. Fans und Künst­le­r*in­nen müssen gemeinsam Veränderungen anstoßen.

Offenburg, 25.11.2023: Shirin David bei ihrem Auftritt bei „Wetten dass…“ Foto: Ervin Monn/imago

D eutschrap ist feministischer, weiblicher und diverser als früher. Immer mehr Künstlerinnen brechen mit männlichen Klischees, sind offen queer und rappen über gleichgeschlechtlichen Sex. Als ich vor zwei Jahren selbst mit Rap angefangen habe, dachte ich daher: Dass ich queer bin, wird doch niemanden ernsthaft interessieren.

Ich wollte Musik machen, auf die ich Lust hatte, in meinen Songtexten geht es auch um Sexualität und queere Identität, weil das Themen sind, die zu mir gehören. All das schien mir nicht besonders revolutionär, und die Idee, dass es tatsächlich Hass auf sich ziehen würde, kam mir nicht. Wie falsch ich lag!

Denn bei genauerem Hinschauen ist deutscher Mainstream-Rap immer noch sehr eintönig. Durchsucht gern mal die Playlists der Streamingplattformen – ich finde dort aus den letzten fünf Jahren keinen berühmten deutschen Künstler, der männlich gelesen wird und offen homo- oder bisexuell ist. So eine Tristesse findet sich in keinem anderem Genre, und dabei fehlt es der Musik­industrie sicher nicht an Sexismus, Misogynie und toxischen männlichen Rollenbildern.

Dazu kommen Kommentare unter meinen Musikvideos und Videos, in denen Leute aus der Rap-Community auf meine Musik reagieren. Da gibt es welche, die mir unterstellen, allein durch meine Existenz den „Safe Space Deutschrap für Männlichkeit“ zu zerstören. Solche Art von Kritik ist zwar Unsinn, aber zeigt, für was die Rap-Community aus dem Internet steht: Hass auf Frauen und Queers.

Die leisen Fans müssen lauter werden

Das ist schade und verzerrt die Realität. Denn die Mehrheit der Hö­re­r:in­nen schreibt keine sexistischen Kommentare unter Videos von mir oder bekannten Künstlerinnen, wie Badmozjay, Katja Kra­sa­vice und Shirin David. Doch wirken negative Bemerkungen in den Kommentarspalten sozialer Medien lauter, wenn die positiven fehlen.

Ich werde weiter Musik machen, wünsche mir aber auch eine lautere, unterstützende Hörer*innenschaft. Wir brauchen keine Rap-Community, die sich an Männlichkeitsbilder aus Kollegah-Songs festhält. Wir brauchen eine Rap-Community, die einen sichtbaren und sicheren Platz für FLINTA*-Artists schafft – und ihn verteidigt!

Wie präsent Communitys rund um Musik sein können und welche positiven Einfluss das haben kann, zeigt K-Pop. Dort organisieren sich die Fans immer wieder rund um politische Themen, halten zusammen und sammelten 2020 rund eine Million Dollar für die Black-Lives-Matter-Bewegung.

Zudem gilt die Community als ein Safe Space für queere Menschen – nicht nur, weil viele Mu­si­ke­r*in­nen sie dazu erklären, sondern auch, weil die Hö­re­r*in­nen­schaft das selbst vorantreibt. Denn die Fans entscheiden mit, was aus der Musik wird und welchen gesellschaftlichen Einfluss das Genre hat.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Und beim Deutschrap? Ein erster Schritt wäre es, an den Ort zu gehen, den die Community nach außen so abstoßend macht: YouTube und Social Media. Es braucht weibliche und queere Content Crea­to­r*in­nen innerhalb der Subkultur Rap, die Videos über und mit der Musik machen, und Hörer*innen, die diesen Content kommentieren.

Dadurch gewinnen auch die Künstler*innen: Mehr Menschen gehen auf Rapkonzerte und die Fanbase wächst und engagiert sich. Mir geht es nicht darum, Deutschrap politischer zu machen. Es ist viel existenzieller: Wir müssen Deutschrap retten. Sonst wird es einfach sehr öde.

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4 Kommentare

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  • Hörer hören, was sie selbst hören wollen. Ihnen befehlen, etwas anderes, "anspruchsvolleres" zu hören, geht schief. Und erziehen wollen sich Menschen in ihrer Freizeit auch nicht.

    Mach gute Musik, und mit (viel) Glück kommen die Hörer von selbst.

    • @Offebacher:

      Das ist, glaub ich, ein Missverständnis. Es geht dem Autor nicht darum, dass er zu wenig Hörer / Fans hat. Vielmehr geht es um das, worauf z.B. Sascha Lobo schon oft hingewiesen hat, dass nämlich politisch unliebsame Content-Creators in den digitalen Räumen von kleinen Hater-Horden niedergebrüllt werden, während die Follower / Unterstützer sich zurückziehen und schweigen. Und bitte, "Macht ne schöne Party mit Kindern, darauf steht ihr doch" in einen YouTube-Kommentar zu daddeln ist eben keine Kritik am künstlerischen Wert oder ein Statement zum eigenen Geschmack, sondern einfach nur Hate speech. Und die Frage ist, ob wir es ein paar wenigen jungen, idealistischen Aktivisten überlassen, die digitalen Räume zu verteidigen, oder ob die Mehrheit mal deutlich zeigt, wo der Hammer hängt und ihren Anspruch auf den öffentlichen Raum durchsetzt.

  • "allein durch meine Existenz den „Safe Space Deutschrap für Männlichkeit“ zu zerstören" klingt für mich erstmal nach einem Erfolg! Meinen Glückwunsch dazu!

  • Ich behaupte, wenn die Songs gut gemacht sind, würde es niemanden interessieren, ob der Artist queer ist. Auch ist es nicht die Aufgabe der Hörer queeren Artists einen Platz zu verschaffen, den müssen die Künstler sich schon erarbeiten. Wenn sich die Songs allerdings so anhören, als wären sie in der Projektwoche Rap der 9 Klasse entstanden, geht die Wahrnehmung halt gegen 0 und damit kann man sich dann auch keine unterstützende Fan-Base erarbeiten. Es wirkt so, als würde der Autor glauben, dass er mit seinen musikalischen Ambitionen nicht gleicht durchgestartet ist, weil er queer ist - dabei liegt es wohl eher daran, dass die Lieder monothematisch sind und von den Skills auch eher durchwachsen (was nach gerade mal 9 Monaten ja auch wenig überraschend ist). So rettet man Deutschrap jedenfalls nicht, sondern bringt ihn unter die Erde.

    Ach ja, wie kann man eigentlich im Jahr 2023 noch von Subkultur in Bezug auf Rap sprechen/schreiben?