Kinoempfehlungen für Berlin: Jim Jarmusch für zu Hause

Das silent green Kulturquartier feiert 60 Jahre „Kleines Fernsehspiel“ mit einer großen Schau.

Eine Frau im Gegenlicht am See

„Klassenverhältnisse am Bodensee“ (D/CH 2023), Regie: Ariane Andereggen, Ted Gaier Foto: Kino Arsenal

Die ZDF-Sendereihe „Das kleine Fernsehspiel“ existiert tatsächlich bereits genauso lange wie der Sender selbst: Am 1. April 1963 nahm man in Mainz den Betrieb auf, das erste „kleine Fernsehspiel“ wurde nur wenige Tage später gesendet.

Ursprünglich ein Format, das im Wesentlichen beinhaltete, was der Name besagt, entwickelte sich die Sendereihe ein knappes Jahrzehnt später zu dem, was sie auch heute noch ist: Produzent und Co-Produzent von Spielfilmen in aller Welt, immer mit dem Fokus auf Förderung junger Talente und keiner Scheu vor experimentellen Formen und ungewöhnlichen Themen.

Jim Jarmusch, Agnès Varda, Angela Schanelec, Pedro Costa und Atom Egoyan – die Anzahl bedeutender Filmschaffender, die für das „Fernsehspiel“ gearbeitet haben, ist viel zu lang, um sie hier auch nur ansatzweise aufzuzählen.

Das 60-Jahre-Jubiläum nimmt jetzt das silent green Kulturquartier im Wedding zum Anlass für das Festival „Was anderes machen (The Home and the Movie)“: kein ZDF-Feier-Programm, wie die Kuratorinnen Bettina Ellerkamp und Merle Kröger nachdrücklich betonen, sondern eine persönliche Auswahl, geleitet von der Idee, Filme zu zeigen, die jenseits ihrer jeweiligen Entstehungszeit auch heute noch Diskussions- und Denkanstöße zu geben vermögen.

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„Systemsprenger“ zu Gast

66 Filme (von über 1.500 Produktionen), deren Trailer die Be­su­che­r:in­nen auf einer Monitorwand begrüßen, sind in der Betonhalle des silent green in sechs „Filminseln“ vom 16. bis 26. November zu sehen, eine weitere Sichtungsmöglichkeit für Gruppen ist ein Cinema on Demand. Zu allen Filmen gibt es Dossiers mit Produktionsnotizen und anderen Infos, denn auch der Archivgedanke spielt hier eine wichtige Rolle. Zudem gibt es Vorträge, Symposien und ausführliche Filmgespräche in einem eigens errichteten „TV-Studio“.

Eröffnet wird am 16. 11. um 19 Uhr, am Tag darauf (17. 11., 19 Uhr) erfolgt in einem Gespräch mit einer ehemaligen Redaktionsleiterin und einem jetzigen Redaktionsleiter ein erster Versuch, die Geschichte des „Kleinen Fernsehspiels“ ein wenig zu ergründen.

Am Sonntag, 19. 11. um 16 Uhr ist dann Regisseurin Nora Fingscheidt mit ihrem Erfolg „Systemsprenger“ zu Gast. Der Eintritt zum Festival ist frei, um eine Anmeldung zu den Veranstaltungen wird jedoch aus Gründen der begrenzten Kapazität gebeten (16. 11.-26. 11., silent green).

Proletariat und sein Gegensatz, die Oberschicht – so etwas gab es einmal, als in Mitteleuropa noch industrielle Arbeit in größerem Umfang existierte. Heute sind derartige Klassenbegrifflichkeiten im Bewusstsein der meisten Menschen in den Hintergrund gerückt.

Doch die Schweizer Künstlerin Ariane Andereggen blickt in ihrem Videoessay „Klassenverhältnisse am Bodensee“ zurück in die industrialisierte Vergangenheit ihrer Heimat Ermatingen am Bodensee, hat dazu unter anderem mit ehemaligen Mit­schü­le­r:in­nen über deren Werdegang gesprochen und reflektiert ihre Jugend und fragt sich, wie die Herkunft das eigene Selbstverständnis prägt. Ariane Andereggen und ihr Co-Regisseur Ted Gaier sind zu Gast (22. 11., 20 Uhr, Arsenal).

Ganz gut zum Thema passen auch die Filme „Snowpiercer“ und „Parasite“ des koreanischen Regisseurs Bong Joon-ho: Ersterer die Verfilmung eines Endzeit-Comics über einen nach der Apokalypse um die Welt rasenden Zug, in dem ein ausgesprochenes Klassensystem herrscht, der zweite ein Meisterwerk über das Zusammentreffen einer reichen und einer armen Familie, bei dem sich irgendwann die Frage stellt, wer genau eigentlich die titelgebenden „Parasiten“ sind (Snowpiercer, 21. 11., 22.15 Uhr, Parasite, 22. 11., 17.30 Uhr, Babylon Mitte).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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