Verkehrsreformen vorerst gescheitert: Bundesrat bremst Verkehrswende aus

Die Länder stimmen gegen das neue Straßenverkehrsgesetz. Kommunen und Verbände hatten auf Radwege und Tempolimits gehofft.

Auf einer Straße mit Tempo-30-Schild fahren Autos an einem Menschen auf dem Fahrrad vorbei. Die Straße säumen Häuserreihen..

Mehr Tempo-30-Zonen einzuführen bleibt erstmal schwierig Foto: Rupert Oberhäuser/picture alliance

BERLIN taz | Thomas Dienberg ist hörbar enttäuscht. Am Freitag hat der Bundesrat die Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) überraschend abgelehnt. „Die Nachricht hat uns ziemlich getroffen“, sagt Dienberg, Baubürgermeister in Leipzig und Sprecher der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“.

Mehr als 1.000 Kommunen sind Teil des Bündnisses. Zusammen setzen sie sich für mehr Spielraum bei der Verkehrswende vor Ort ein – zum Beispiel bei der Einführung von Tempolimits, neuen Radwegen oder Busspuren. Das neue StVG sollte die Möglichkeiten für die Städte und Gemeinden erweitern, wenn auch aus Sicht der Initiative nicht in ausreichendem Maße. Kleine Fortschritte aber wären nach Dienbergs Ansicht immer noch besser gewesen als gar keine. „Dass so viele Kommunen ganz offensichtlich weder im Bund noch in den Ländern genug Gehör für fühlbare Änderungen vor Ort finden, ist eine sehr bittere Erkenntnis.“

Dabei warben noch in der Bundesratssitzung am Freitag sowohl Landes- als auch Bun­des­ver­tre­te­r:in­nen für die neuen Regelungen. Der Bundestag hatte die StVG-Novelle Mitte Oktober abgesegnet, nun empfahl der federführende Verkehrsausschuss dem Bundesrat, ihr zuzustimmen. Daniela Kluckert, die parlamentarische Staatssekretärin des FDP-geführten Bundesverkehrsministeriums, machte sich für das Gesetz stark.

Trotzdem war es nicht mehrheitsfähig. Mehrere Länder enthielten sich – darunter Unions-, SPD- und Grün-geführte Landesregierungen. Ein Argument: Die Sicherheit des Straßenverkehrs dürfe durch neue Kriterien der Verkehrsplanung; etwa den Klima- und Umweltschutz, nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Straßenverkehrsgesetz aus der Kaiserzeit

„Der Vorwurf ist absurd: Die erleichterte Anordnung von Radwegen oder Zebrastreifen würde vielerorts helfen, die Straßen für die Menschen sicherer zu machen“, meint die Grüne Swantje Michaelsen, Mitglied im Bundesverkehrsausschuss. Das Problem sei vielmehr das aktuelle Straßenverkehrsgesetz aus der Kaiserzeit, denn „die Flüssigkeit des Autoverkehrs darf nur eingeschränkt werden, wenn es bereits Verletzte und Tote gibt“.

Mit der StVG-Novelle sollten Verkehrsprojekte leichter umgesetzt werden dürfen, wenn sie dem Klima- und Umweltschutz, der Gesundheit oder der städtebaulichen Entwicklung dienen – bisher waren die Flüssigkeit und Sicherheit des Autoverkehrs das höchste Ziel.

Das StVG bildet die gesetzliche Grundlage. Die konkreten Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen schreibt die Straßenverkehrsordnung (StVO) vor. Auch für sie standen am Freitag ursprünglich neue Regelungen zur Abstimmung. Noch vor der Sitzung der Länderkammer hatten sich verschiedene Ausschüsse des Bundesrats für weiterreichende Änderungen ausgesprochen, um den Städten und Gemeinden mehr Freiheiten zu lassen. Nach der Ablehnung der StVG-Reform aber flog die StVO ganz aus der Tagesordnung.

„Das Verhalten der Bundesländer ist rückständig und unverantwortlich“, kommentiert Frank Masurat, der Bundesvorsitzende des Fahrradclubs ADFC. Er fürchtet um den Radwegeausbau. „Bund und Länder müssen jetzt im Vermittlungsausschuss schnell eine Lösung finden, wie die Reform noch umgesetzt werden kann“, fordert Masurat – im Einklang mit dem Verband für Fußverkehr und der Initiative für lebenswerte Städte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.