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Bundesparteitag der SPDDoppel will Spitze bleiben

Saskia Esken und Lars Klingbeil treten beim SPD-Parteitag erneut als Parteivorsitzende an. Sie wollen „Zukunftsinvestitionen entfesseln“.

Gekommen, um zu bleiben: Saskia Esken und Lars Klingbeil wollen wieder den SPD-Vorsitz Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Saskia Esken und Lars Klingbeil wollen weitermachen. Beim Parteitag vom 7. bis 9. Dezember in Berlin werden beide erneut als Doppelspitze kandidieren. Das gaben sie am Montag im Präsidium und anschließend auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Baden-Württembergerin und der Niedersachse führen die SPD seit zwei Jahren gemeinsam. Esken steht seit 2019 an der Spitze, als sie und Norbert Walter-Borjans von der Parteibasis zur ersten Doppelspitze gewählt wurden.

Die Zusammenarbeit mit dem 18 Jahre jüngeren Klingbeil bezeichnete Esken als sehr eng und vertrauensvoll. „Die SPD ist an der Spitze geeint wie nie.“ Man habe vieles durchgekriegt, „was einer allein nie geschafft hätte“. Auf dem Parteitag wählt die SPD ihren gesamten Vorstand neu – und setzt dabei auf Kontinuität. Auch Kevin Kühnert will als Generalsekretär wieder antreten.

Nach innen kommt dieses Zeichen der Geschlossenheit in turbulenten Zeiten sicher gut an, nach außen könnte die Partei durchaus eine Anmutung von Aufbruch vertragen. In Umfragen dümpelt die SPD bei 15 Prozent, die von ihr geführte Ampel ist unbeliebt wie nie. Zudem schwächelt die Wirtschaft, der Klimaschutz erlebt einen Backlash.

Die Sozialdemokraten setzen das Konzept einer lichten Zukunft dagegen: Deutschland bleibt, geht es nach ihnen, ein starker Industriestandort, die klimaneutrale Wirtschaft wird zum Wohlstandsmotor und bis 2030 entstehen mindestens eine Million neue, gut bezahlte Jobs. Dazu braucht es natürlich auch zusätzliche Investitionen: Die SPD denkt da an 100 Milliarden Euro in den nächsten sieben Jahren, ein Großteil davon aus der Privatwirtschaft. Man wolle ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen entfesseln. All das steht im Leitantrag für den Parteitag, den das Präsidium ebenfalls am Montag einstimmig beschlossen hat.

„Comeback der Infrastruktur“

Für mehr öffentliche Investitionen, ja für ein „Comeback“ der Infrastruktur soll ein aktiver Staat sorgen. Deutschland und Europa müssten weltweit wieder spitze werden, zum Beispiel beim Zugang zu schnellem Mobilfunk oder grenzübergreifendem Bahnverkehr, so der Leitantrag. Fast vergisst man, dass die SPD derzeit die Regierung anführt, die all das umsetzen könnte.

Esken betonte erneut die Wichtigkeit des Themas Bildung. Sie hatte im Frühjahr schon mal den Vorschlag eines Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro in die Debatte geworfen. Der ging unter wie ein Stein. Nun findet sich im Leitantrag immerhin die Forderung nach einem Pakt für Bildung und zusätzliches Geld, insbesondere für Kitas und Schulen in schwierigen sozialen Lagen.

Woher das Geld nehmen? Hier kann sich die SPD zum einen Krisensoli für Reiche vorstellen. Der wäre ab einem Jahreseinkommen von 278.000 Euro fällig. Vor allem aber wollen sich die Sozis an zwei Ins­tru­mente wagen: die Schuldenbremse und die Erbschaftssteuer. Erstere will die SPD zwar nicht abschaffen, aber so verändern, dass künftig mehr Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung möglich sind.

SPD will Er­b:in­nen zur Kasse bitten

Die Erbschaftssteuer soll reformiert, Er­b:in­nen großer Betriebsvermögen sollen stärker zur Kasse gebeten werden. Die Forderung nach einer Vermögenssteuer, wie sie noch im Wahlprogramm stand, taucht im Leitantrag allerdings nicht mehr auf.

Für Diskussionen dürfte auf dem Parteitag auch das Thema Migration sorgen. Einen Vorgeschmack liefert der Juso-Bundesparteitag am kommenden Wochenende. Die harte Ansage des Kanzlers, künftig in großem Stil abzuschieben, war bei den Jusos auf heftige Kritik gestoßen.

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2 Kommentare

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  • "...nach außen könnte die Partei durchaus eine Anmutung von Aufbruch vertragen."

    Die SPD könnte schon bald in einigen Bundesländern unter die Fünf-Prozent-Hürde rutschen, dann ist es vorbei mit der Geschlossenheit und diesen Themen, die so wohlfeil klingen, aber irgendwie an der Realität dieses Landes vorbei gehen.

    Olaf Scholz ist ein eisenharter, durchgeplanter und kompetenter Politik, er hat eine Schar sehr guter Mitarbeiter und er zieht das alles durch.

    Hinter und neben ihm sieht es dagegen leer aus.

    Die SPD ist sehr bürgerlich geworden, es gibt nach der Agenda 2010 eine Distanz zu vielen Milieus, die SPD hat zur Verarmung von Arbeitnehmern und Rentnern den wesentlichen Beitrag geleistet.

    Die Reformen und die Reformideen der SPD machen den Leuten unglaubliche Angst. Dazu noch das lose Mundwerk, etwa Franz Müntefering, ein Mal weniger Mallorca und man behält das Rentenniveau von 1999 oder die Frau von Wolfgang Clement, jeder kann sofort arbeiten.

    Die SPD war schon mal eine ziemliche Horror-Veranstaltung und ich kann nicht erkennen, dass es so viel besser geworden ist.

    Die SPD hat dann noch das Problem, dass jetzt ein Friedrich Merz im Ring ist, für ihn sind Tiefschläge und Regelverletzungen gar kein Problem, Fairness ist dem Prinzip der Stärker gewichen. Der haut auch auf Leute ein, die blutend am Boden liegen.

    Hat die SPD für so einen Typen die richtige politische Positionierung?

    Hat die SPD wirklich kein Problem mit Funktionären und Mandatsträgern, graue, nette, kompetente Mäuse, die eigentlich schon alles haben und nichts wirklich wollen.



    Hat diese Partei aus ihren letzten Niederlagen gelernt?

    Wer würde mit diesem Hessen-Ergebnis eine Regierung bilden? Ist das ein guter Schachzug?

    Ich habe große Zweifel, dass die SPD überhaupt weiß, wo sie gerade steht und was zu tun wäre. Außer Scholz gefällt mir da eigentlich keiner mehr. Und einer reicht nicht aus. Und damit meine ich nicht seine Inhalte. Aber er weiß sich zu helfen.

  • Die Qualität dieser Parteispitze verhält sich proportional zu der Qualität des Bundeskanzlers und zur Qualität dieser Ampelregierung, welche "sich stets ums beste bemüht" hat.