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Preisgekrönter Chemnitzer FußballklubLinks, aber für alle

Athletic Sonnenberg versteht sich als sozialer Antidiskriminierungsverein in Chemnitz. Vom DFB erhält der Klub den Julius-Hirsch-Preis.

Die klare Haltung von Athletic Sonnenberg hat dem Amateurklub eine aktive Fanszene beschert Foto: Aileen Ngyuen

Chemnitz taz | „Avanti Athletic!“ Schon aus der Ferne hört man die lautstarken Rufe, die aus dem Stadion des Chemnitzer Polizeisportvereins dringen. Hier darf Athletic Sonnenberg einstweilen seine Heimspiele austragen. Neben der Auswechselbank von Athletic hat sich eine stattliche Fangruppe postiert, die mit Bannern, Schals und Fahnen bestens ausgerüstet ist.

Eine ungewöhnliche Unterstützung für einen so jungen Verein, der nach seiner Gründung im Jahr 2020 in den ersten zwei Jahren zwar bereits zwei Aufstiege geschafft hat, aber eben immer noch in der drittniedrigsten Amateurliga spielt. „Am Anfang waren nur Freunde und Familie da“, erzählt Mustafa Mohamadi, ein Mitbegründer des Vereins. „Irgendwann ist aus dem Nichts diese Fangruppe gekommen. Sie haben sich selbstständig gebildet und organisiert.“ Athletic hat mittlerweile sogar einen Fanbeauftragten.

Zufall ist diese Zuneigung natürlich nicht. Der Verein bietet etwas, was es in der Stadt in dieser Form davor nicht gab. Bei Athletic Sonnenberg wird Haltung gezeigt. Und diese liegt quer zu der Vorstellung, die viele von der Stadt und dem Fußball hier haben.

Im Jahr 2019 wurden nach dem Tod eines Chemnitzers auf einem Stadtfest bei einer von rechtsradikalen Fans des Chemnitzer FC initiierten Demonstration Ausländer durch die Stadt gejagt. In Sichtweite der Heimspielstätte von Athletic Sonnenberg steht die Arena des Regionalligisten Chemnitzer FC, wo gleichfalls 2019 einem verstorbenen stadtbekannten Nazi mit einer Trauerzeremonie gehuldigt wurde.

Preis für das Engagement

Unabhängig von Hautfarbe, Religion, politischen Ansichten oder sexuellen Orientierungen sei bei Athletic Sonnenberg jeder willkommen, sagt Cornelius Huster, Vorstandsvorsitzender des Vereins. Athletic verstehe sich als sozialer Antidiskriminierungsverein. Eine besondere Würdigung erfährt der Klub für seine Arbeit am 13. November in Berlin. Der DFB verleiht dem Klub für sein zivilgesellschaftliches Engagement gemeinsam mit dem Chemnitzer Verein ASA-FF den Julius-Hirsch-Preis.

Viele der Fans hier im Stadion des Polizeisportvereins, sagt Huster, seien aus Sonnenberg und froh, dass es nun einen Verein mit klaren Werten gibt, den sie supporten könnten. „Einige sind früher noch zum CFC gegangen. Jetzt sehen sie wieder einen Grund, zu Fußballspielen zu gehen.“

Ausländer und Nazis, Armut und Kriminalität, das sind die Antworten, die man bekommt, wenn man fragt, weshalb Sonnenberg als Problembezirk gilt. Athletic will in Sonnenberg nicht als weitere Blase, als „Bubble-Verein“ wahrgenommen werden. „Wir wissen“, sagt Huster, „dass bei uns auch Kinder spielen, deren Eltern vielleicht eher die Tendenz haben, AfD zu wählen, wenn sie überhaupt wählen. Und die möchten wir nicht ausschließen.“ Man wolle versuchen, Menschen wegen ihrer Vorurteile nicht sofort abzulehnen, sondern diese aufzuarbeiten.

Einfach ist es allerdings nicht, sich in dem polarisierten Umfeld vor Stigmatisierungen zu schützen. Athletic Sonnenberg ist für die einen ein stabiler linker Verein, für die anderen ein Scheiß-Zecken-Klub. „Es ist schon so, dass wir manchmal gegen Mannschaften spielen, bei denen der Ton uns gegenüber deutlich härter wird“, erzählt Vorstandsmitglied Jonas Georgi. So wurde er beim Spiel eine Woche zuvor von der gegnerischen Seite als „Gaylord mit einer Schwuchtelbinde“ beleidigt. Auch die Fans wurden schon angegangen und bespuckt.

Zeichen setzen gegen Nazis

Gegen den heutigen Gastverein hat es in der vergangenen Saison ebenfalls Probleme gegeben. Allerdings geht es nun gegen die BSC Rapid Chemnitz 2, die Saison davor hätte man sich noch mit dem dritten Team des Vereins auseinandersetzen müssen. Das für den Vatertag angesetzte Spiel wurde allerdings abgesagt. Im Vorfeld der Partie hatte der Fanklub von Athletic Sonnenberg via Instagram um breite Unterstützung bei der eigenen Anhängerschaft geworben: „Das Spiel gegen Rapid ist uns besonders wichtig, da hier Rechte auf dem Feld sowie in den Fanrängen stehen.“ Denn: „Fußball für alle heißt Nazis raus.“

Auf Seiten vom BSC Rapid Chemnitz 3 war man erbost über diesen Post. Im digitalen Raum deutete sich an, dass es zu einer realen Eskalation am Spieltag kommen könnte. Bei Athletic bestand die Sorge, Verbindungen zum rechtsextremen Anhang des Chemnitzer FC könnten aktiviert werden. Dem Kreisverband Fußball Chemnitz wurde die Geschichte offenbar ebenfalls zu heiß. Die Partie wurde zunächst verschoben und dann abgesagt.

Beim Aufeinandertreffen mit der zweiten Mannschaft des BSC Rapid Chemnitz bleibt es auf den Rängen friedlich und auf dem Rasen sind die Unterschiede eh zu groß für Reibereien. Athletic Sonnenberg geht bereits mit einem beruhigenden 2:0-Vorsprung in die Halbzeitpause. Aus den Boxen dröhnen Technobeats. Das Publikum ist auffällig jung. Neben dem Würstchenverkäufer gibt es einen Mechandise-Stand. Shirts und Sticker werden verkauft sowie Pullis mit der Aufschrift „Be Avanti, Be Social“.

Indem er die Bedeutung von sozialem Handeln herausstellt, will der Klub Brücken schlagen. „Wir haben damit angefangen, mit Kitas zusammenzuarbeiten und Sportfeste zu organisieren“, zählt Cornelius Huster. „Wir haben dadurch gemerkt, dass es viele Kids gibt mit Potenzial, und die versuchen wir abzuholen.“

Viele auf dem Sonnenberg leben in Armut. Huster sagt: „Die Eltern haben sich um tausend andere Sachen zu kümmern. Wir wollten schon immer in diesem Stadtteil was bewegen, haben auch bei Kulturveranstaltungen mit unserem eigenen Stand teilgenommen und versucht, die Leute aus dem Viertel zu uns zu ziehen.“

Beim Abpfiff gegen den BSC Rapid Chemnitz steht es 3:0 für Athletic. Deren Spieler klatschen sich ab und gehen zusammen zu ihren Fans, um zu feiern.

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1 Kommentar

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  • Diese Entwicklung wird sicherlich auch im "tiefen Westen" aufmerksam verfolgt und wertgeschätzt, denn ein Teil des Problems hat sich verlagert. Lokal ansässige sog. Kader haben überregionale Verbindungen zu Zusammenschlüssen genutzt, um dann auch lokal in Sachsen zusammenzuziehen.



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    www.nd-aktuell.de/...-in-den-osten.html



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    "Die bereits damals florierende Neonazi-Achse Chemnitz – Dortmund hat sich unterdessen zur Einbahnstraße entwickelt. Bekannte, teils vorbestrafte Importe aus dem rechtsextremen Spektrum stärken heute die regionalen Strukturen, die auch im Stadion des Chemnitzer FC Präsenz zeigen. In Dortmund haben inzwischen sowohl Polizeikräfte als auch der Fußballverein eine härtere Gangart im Umgang mit Rechtsextremen eingeschlagen, mit der in Chemnitz aktuell noch nicht zu rechnen ist."



    Quelle



    www.saechsische.de...orden-5905854.html



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    Eine Zusammenarbeit ist sicherlich auch auf behördlicher Seite eine erfolgreiche Strategie.