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Kicken ohne IsraelEin antisemitischer Gastgeber

Indonesien durfte die U20-WM wegen antisemitischer Haltung nicht ausrichten. Bei der U17-WM scheint das der Fifa auf einmal egal zu sein.

Indonesische Fußballbegeisterung, hier auf Bali, bei Wind und Wetter Foto: Zuma Wire/imago

I srael ist nicht dabei! Juchhu! Da werden sich gewiss einige Herren sehr gefreut haben. Am Freitag beginnt in Indonesien die Fußball-WM der U17-Junioren. Der Inselstaat hat einerseits eine große Fußballtradition, die sich zwar nicht in internationalen Erfolgen, sehr wohl aber in vollen Stadien ausdrückt.

Andererseits hat er ein Problem mit Israel, wie man so sagt. Als Indonesien im Frühjahr dieses Jahres die U20-WM veranstalten wollte, hatte der Gouverneur der Region Bali verkündet, er werde die für die WM qualifizierten Israelis nicht auf seine Insel lassen. Der Weltfußballverband Fifa verlegte das Turnier nach Argentinien, wo Israel übrigens das Halbfinale erreichte.

Nur wenige Monate später fällte die Fifa wieder einen Beschluss: Weil die U17-WM wegen Infrastrukturmängeln nicht in Peru stattfinden sollte, vergab der Weltverband im Juni das Turnier an Indonesien. Die lassen zwar nicht jeden ins Land, haben aber die passenden Stadien! Zum Zeitpunkt der Entscheidung stand fest, dass Israel sich nicht für die U17-WM qualifiziert hatte. Puh und juchhu.

Was kurzfristig wie eine Entscheidung für Menschlichkeit und Weltoffenheit aussah, nämlich einem Staat, der nicht alle Teilnehmer einreisen lassen möchte, die WM zu entziehen, erwies sich dann ganz schnöde als das übliche Weltfußballgeschäft: Die indonesischen Gastgeber hatten es bloß übertrieben, als sie sich derart offen gegen israelische Fußballer positionierten, und dem darauf folgenden Druck konnte die Fifa nicht standhalten.

Geschäfte trotz Antisemitismus

Die Fifa blieb also doch die Fifa, und deswegen hat sie vor allem neue Märkte im Blick. Indonesien mit seinen 275 Millionen Einwohnern und seiner großen Fußballbegeisterung ist bislang von der Fifa und ihren Partnern noch nicht so erschlossen. Da geht noch was bezüglich Fernsehrechten, Absatzmärkten, Merchandise und so weiter.

Dass sich das Regime in Jakarta keine Gelegenheit nehmen lässt, sich offen zu seinem Antisemitismus zu bekennen, stört bei diesen Geschäften niemanden. Israel, das aus Gründen des verbreiteten Hasses gegen den einzigen jüdischen Staat auf dieser Erde zum europäischen Verband Uefa gehört, hatte zwar 1996 durch einen dritten Platz bei der U17-Europameisterschaft noch gezeigt, dass dort gut gekickt wird, und 2022 konnte das Mittelmeerland zudem beweisen, dass es diese EM erfolgreich ausrichten kann. Aber aus Sicht der globalen Strategen der Fifa ist all das unbedeutend: Israel mit seinen neun Millionen Einwohnern ist ein zu kleiner Markt. Das große, neue Geld, auf das die Fifa schielt, soll in anderen Weltgegenden verdient werden. Neben China und Indien ist das eben der indonesische Markt.

Jakarta hat nicht erst mit der U20-WM signalisiert, dass es beim großen Fußballbusiness dabei sein will. Bis vor drei Wochen wurde Indonesien gar als Co-Gastgeber der großen Männer-WM 2034 gehandelt, und zwar an der Seite Australiens. Diese WM wird nun mit großer Sicherheit an Saudi-Arabien vergeben. Dafür wurden seitens der Fifa die Weichen gestellt, denn nur Bewerber aus Asien und Ozeanien werden akzeptiert.

Um Saudi-Arabien zu verhindern, wäre einzig Australien in Betracht gekommen, das sich mit so bemerkenswerten Partnern wie Malaysia oder eben Indonesien umgeben wollte. Letztlich sprangen die ab, aber dass sich irgendjemand der Akteure – sei es der australische Fußballverband, sei es die Fifa, sei es irgendein anderer auf der fußballpolitischen Weltbühne – an die klare antisemitische Positionierung Indonesiens erinnert hätte, kann man kaum sagen.

Oder vielleicht doch? Dann wäre es wohl die tief sitzende Hoffnung gewesen, dass sich die Israelis bitte, bitte nicht für diese WM qualifizieren – nicht zur U17-WM jetzt und nicht zur großen WM 2034. So funktioniert leider die Logik der Weltfußballökonomie: Alle hoffen, dass der jüdische Staat nicht dabei ist, dann kann ihnen auch niemand Antisemitismus vorwerfen. Juchhu.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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