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EU-Sondergipfel zu Israel und NahostBemühungen um Deeskalation

In Brüssel werden Meinungsverschiedenheiten zwischen Rat und Kommission deutlich. Frankreichs Staatschef Macron kündigt Nahost-Reise an.

Die Ortschaft Khan Younis im südlichen Gazastreifen nach israelischen Angriffen am Mittwoch Foto: REUTERS/Ibraheem Abu Mustafa

Brüssel taz | Die EU will die drohende Eskalation des Kriegs in Israel und im Nahen Osten verhindern. Dies erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel nach einem virtuellen Sondergipfel der 27 Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend in Brüssel. Überschattet wurde die Videokonferenz von Berichten über die Bombardierung eines Krankenhauses im Gazastreifen.

„Ein Angriff auf zivile Infrastruktur ist nicht im Einklang mit internationalem Recht“, sagte Michel. Gleichzeitig bekräftigte der Belgier die Solidarität der 27 EU-Länder mit Israel. Darüber hatte es im Vorfeld heftigen Streit gegeben. Vor allem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war in die Kritik geraten.

Bei einer Reise nach Israel habe sie allzu einseitig Partei für das Land ergriffen und die katastrophale humanitäre Lage der Palästinenser in Gaza unterschlagen, hieß es in Spanien, Frankreich und Irland. Damit schade die deutsche CDU-Politikern den Friedensbemühungen im Nahen Osten und dem Ansehen der EU im Globalen Süden.

Sogar der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell distanzierte sich von seiner Chefin. Für die Außenpolitik sei der Rat zuständig und nicht die Kommission, betonte er. Von der Leyen bemühte sich beim Videogipfel des Europäischen Rats, die Sache geradezurücken.

Luftbrücke angekündigt

„Es ist für jeden klar, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen, im Einklang mit dem internationalen und humanitären Recht“, sagte sie auf der Pressekonferenz nach dem Gipfel. Es gebe auch keinen Widerspruch zwischen Solidarität mit Israel und humanitärer Hilfe für die Palästinenser.

Die EU hat eine Luftbrücke angekündigt, über die Hilfsgüter nach Ägypten und dann – wenn möglich – nach Gaza transportiert werden sollen. Man sei in Gesprächen mit den ägyptischen Behörden, um Lieferungen über die Grenze möglich zu machen, sagte von der Leyen. Bereits am Wochenende hatte sie eine Verdreifachung der humanitären Hilfe um kurzfristig auf 75 Millionen Euro angekündigt.

Derweil verstärkt die EU ihre Bemühungen um eine Deeskalation. Kanzler Olaf Scholz flog am Dienstagabend von Israel nach Ägypten weiter, wo er zu Gesprächen mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi erwartet wird. Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kündigte eine Nahost-Reise an.

Es gehe darum, eine regionale Eskalation zu verhindern, sagte Michel in Brüssel. Eine Explosion der Gewalt wäre auch für Europa eine riesige Herausforderung, so der Belgier – insbesondere in einer Zeit, in der Ukraine ein weiterer Krieg tobe. Die EU hat jetzt schon große Mühe, alle Hilfswünsche aus Kyjiw zu erfüllen.

Unruhe nach Terroranschlag

Neben einer Überforderung fürchten die Staats- und Regierungschefs auch ein Überschwappen der Gewalt nach Europa. Kurz vor dem EU-Sondergipfel hatte ein Terroranschlag in Brüssel mit zwei Toten für erhebliche Unruhe gesorgt. Mittlerweile hat sich der „Islamische Staat“ zu dem Angriff auf schwedische Fußballfans bekannt.

Die Zerstörung eines Krankenhauses in Gaza mit vielen hundert Opfern könnte die Stimmung in Europa weiter aufheizen. In ersten Berichten hatte es geheißen, Israel sei für die Bombardierung verantwortlich. Daraufhin gab es bereits erste Proteste in Brüssel und Berlin.

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1 Kommentar

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  • Es ist durchaus vorstellbar, dass die HAMAS das selbst inszeniert hat. Letztendlich bringen die zur Not auch die eigene Bevölkerung um. Die Bevölkerung als Schutzschild und der Versuch, diese an der Flucht aufzuhalten sind Belege dafür. Dennoch, ein Kalkül der Terroristen und Drahtzieher dahinter scheint aufzugehen: nach einiger Zeit stehe nicht mehr die Greueltaten der Hamas-Terroristen im Fokus, sondern die "Taten" Israel, die zur Verteidigung notwendig sind. Sollte Israel das Krankenhaus bombardiert haben, was icht nicht glaube, wäre das natürlich nicht hinnehmbar, auch nicht im Kontext der Selbstverteidigung.