piwik no script img

Cricket wird olympischVerabredung mit den Indern

Mit Cricket bei den Olympischen Spielen sichert sich das IOC indisches Interesse. Und das bevölkerungsreichste Land will nun Olympia 2036 austragen.

Hohes Cricket-Niveau: Indien (in blau) bei der derzeit laufenden WM gegen Bangladesch Foto: Adnan Abidi/reuters

N ooruddin Mujadady, Aritharan Vaseekaran und Vijayshankar Chikkannaiah versuchen, das Beste für Deutschland herauszuholen. Sie spielen derzeit für den Deutschen Cricket-Bund die Europameisterschaft in Spanien – und das gar nicht so schlecht. Die Gruppe F haben sie gewonnen, und wer weiß, vielleicht geht noch mehr. Zu den Olympischen Spielen werden es die Deutschen aber nicht schaffen.

Laut der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Cricket schon bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles zuzulassen, sind lediglich sechs Mannschaften startberechtigt. Die Deutschen rangieren in der Weltrangliste jenseits der Top 30. Das wird also nichts mehr, nicht mal in der olympischen Cricket­va­rian­te Twenty20, die angeblich nur drei Stunden dauern soll.

Der Autor dieser Zeilen, so viel sei verraten, hat keine Ahnung von Cricket. Er kann also nicht sagen, worin der Unterschied zwischen der Lang- und der Kurzversion dieser offensichtlich elegischen Sportart liegt. Nur dreimal kam er in seiner Schreibkarriere mit Cricket in Kontakt, einmal in den frühen Nullerjahren, als er für den Berlin-Sport der taz auf der Suche nach der „randigsten Randsportart“ (Autokorrektur: „ranzigste Randsportart“) der Hauptstadt war.

Im Vorjahr sah er dann gleich zweimal Spieler um das Wicket (Autokorrektur: „Ticket“) tänzeln. In Doha, am Rand der Fußball-Weltmeisterschaft, spielten zwei Dutzend Bangladescher auf einer großen Betonfläche Cricket. Die Cricketonis, die zwei Monate vorher auf einer Wiese des Kölner Grüngürtels spielten, waren ähnlich, nun ja, träge unterwegs. Der Autor schaute jeweils gut zwanzig Minuten zu und ging dann seiner Wege.

Olympischer Enthusiasmus

Das IOC hatte natürlich nicht Deutschland im Sinn, als es seine Entscheidung kürzlich auf der Session in Mumbai traf, sondern Indien, das mit 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichste Land der Welt. Trotz einer gewissen demokratischen Verfasstheit und einer aufstrebenden Wirtschaft ist Indien noch nicht auf der ganz großen Sportbühne aufgetreten. Weder Olympische Spiele noch eine Fußball-WM wurden in dem Riesenland ausgetragen. Es wird Zeit, die Lücke zu schließen, weshalb Indien nun bekannt gegeben hat, Olympia im Jahr 2036 ausrichten zu wollen.

Das Land werde bei seinen Bemühungen, die Spiele zu organisieren, jeden Stein umdrehen, versicherte der 73-jährige Premier Narendra Modi, ein glühender Hindu-Nationalist. Die Bevölkerung sei sehr enthu­sias­tisch bei dem Gedanken an Olympia, tönte er. Es schaut so aus, als hätten die Herren vom Olymp eine Verabredung mit den Indern getroffen.

Cricket ist dort Nationalsport, ähnlich wie Hockey oder Kabaddi, wovon der Autor dieser Zeilen noch weniger Ahnung hat. Bei den folgenden Olympischen Spielen könnte sich die nicht indische Cricketwelt einspielen und das IOC kurz vor den 36er-Spielen in Delhi behaupten, Cricket sei ein auf allen Kontinenten verwurzelter Sport mit Tausenden Vereinen und Hunderttausenden von Spielern. Dieses ­ubiquitäre Auftreten eines Sports ist erwünscht, aber nicht notwendig, denn wo, bitte schön, rodelt man in Burundi; wo fährt man in Uruguay Bob?

Aber zurück zu den Cricketeers: Eine olympische Pre­miere wäre es für sie nicht. Im Jahr 1900 spielten zwei Teams im Vélodrome de Vincennes den Titel aus, über zwei Tage: England und Frankreich. England, genauer der Devon & Somerset Wanderers Cricket Club, gewann gegen mehrheitlich englische Expats, die für den Gastgeber antraten.

Eine Sache in Indien, die sich nie ändert, ist Cricket, heißt es. Aber hat der Urheber dieses Zitats, der Cricketspieler MS Dhoni, bedacht, wie sich der Sport in den Fängen Olympias verformen kann?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!