Vorwurf der Veruntreuung: Querdenker-Anwalt im Knast
2021 trat Reiner Fuellmich als Kanzlerkandidat für die Partei Die Basis an. Nun wurde der Göttinger Querdenker-Anwalt verhaftet.
Z u Zeiten der Pandemie sah das Querdenken-Spektrum in ihm einen für Wahrheit kämpfenden Propheten. Er selbst sieht sich nicht minder als Galionsfigur des Protestes: Bei der Bundestagswahl 2021 trat Reiner Fuellmich für die Partei Die Basis als Kanzlerkandidat an. Mit einer Klage kündigte der Rechtsanwalt an, für seine Mandant:innen Schadensersatz wegen den staatlichen Pandemie-Maßnahmen zu erreichen. Als Geschäftsführer der Stiftung Corona-Ausschuss wollte er die Wissenschaftler:innen des Robert Koch-Instituts als „Massenmörder“ entlarven. Am 13. Oktober wurde der 65-jährige Göttinger in Frankfurt am Main verhaftet. Der Vorwurf: Als Geschäftsführer soll er Spenden veruntreut haben, sagt Andreas Buick, Sprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen.
Die Staatsanwaltschaft hatte von einem Mitbeschuldigten konkrete Hinweis erhalten. Der 53-jährige Mitbeschuldigte legte laut Staatsanwaltschaft dar, dass Fuellmich am 10. November 2020 eine Zahlung in Höhe von 200.000 Euro in 20 Transaktionen zu je 10.000 Euro an seine Ehefrau vorgenommen haben soll. Am 27. Mai 2021 habe er dann 500.000 Euro auf sein Privatkonto transferiert. Die gesamte Summe von 700.000 Euro soll er mit seiner Ehefrau privat verbraucht haben. Rund 115.000 Euro nutzten sie wohl für die Ablösung eines privaten Immobilienkredits, rund 70.000 für die Ablösung eines beruflich bedingten Kredits.
Im gesamten Milieu riefen prominente Szene-Größen immer wieder zu Spenden und Schenkungen an die Stiftung auf. Der rechtsextreme Internetaktivist „Frank der Reisende“, der eigentlich Frank Schreibmüller heißt, deutete schon 2021 an, dass bei Querdenkenden-Veranstaltungen „Koffer mit Scheinen“ hinter der Bühne zu sehen waren. Eine Debatte in dem Milieu, inwieweit einzelne Aktivist:innen in den Verschwörungsnarrativen eine Geldmaschine erkannt haben könnten, folgte kaum. Sie glaubten an ihre Propheten.
Ins Ausland abgesetzt
Der einst anerkannte Rechtsanwalt für Verbraucherrecht mit Zulassung in Kalifornien verstieg sich zu immer massiveren Behauptungen und Anfeindungen. Bei den Online-Sitzungen des Corona-Ausschusses, den er 2020 mit weiteren Anwält:innen gegründet hatte, verglich er die Maßnahmen der Bundesregierung mit dem Holocaust. Was 2021 geplant war, erinnerte Fuellmich an die damaligen Verbrechen. Er sagte: „Es ist schlimmer“ und „Es war nicht Hitler allein, der das getan hat. Es war das angloamerikanische Finanzsystem.“ Er beleidigte zudem Richter und einen Journalisten. Im Interview mit dem rechten Sender Alternatives Unabhängiges Fernsehen Kanal 1 sprach er von einem „globalen Coronabetrug“, einer „mörderischen Impf-Kampagne“ und „Verbrechen“. Verurteilungen erfolgten in Abwesenheit; Fuellmich setze sich ins Ausland ab, lebte vor allem in Tijuana, Mexiko. Doch er wurde ausgewiesen.
In Frankfurt am Main angekommen, griffen zwei Haftbefehle in Deutschland und Europa. Seitdem sitzt er in der JVA Rosdorf. Zu den Ermittlungen sagt Fuellmichs Anwältin Dagmar Schön der Deutschen Presseagentur: „Das ist alles gelogen“ und „Das werden wir nachweisen.“
Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft legt nahe, dass nicht zu einer von Fuellmich anvisierte Sammelklage ermittelt wird. Seit 2020 wirbt Fuellmich für Beteiligung an einer in den USA angestrebten sogenannten „Class Action“. Für 800 Euro plus Steuer könnten Interessierte sich an der Schadensersatzklage gegen Virologe Christian Drosten beteiligen, so das Versprechen. Geld floss, Klage erfolgte nicht – was dann doch einige Querdenkende kritisierten.
Anwältin Schön denkt dennoch, dass ihr Mandat breite Solidarität erfahren werde. Sie ruft dazu auf, massenhaft Briefe an die JVA zu schicken. T-Online sagte sie: „Mein Traum ist, dass nach zwei Wochen der Zusammenbruch über die Poststelle kommt, dass die sagen, bitte entlasst diesen Mann.“
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