Querdenker vor Gericht: Querdenker kommt wohl billig davon

Das Landgericht Stuttgart will Michael Ballweg nur wegen Steuerhinterziehung anklagen, nicht wegen Veruntreuung von Spendengeldern für Coronademos.

Ein Plakat mit dem Portrait von Michael Ballweg

Michael Ballweg saß neun Monate in Untersuchungshaft Foto: Stefan Zeitz/imago

Karlsruhe taz | Es begann mit einer Razzia im Privathaus und einer Festnahme. Neun Monate, bis April dieses Jahres, saß Michael Ballweg, der Gründer der Querdenkerbewegung, in Haft. Drei Gerichte hatten dringenden Tatverdacht und Fluchtgefahr festgestellt. Insgesamt hat es über ein Jahr gedauert, bis das Landgericht Stuttgart Anfang Oktober Anklage gegen­ den Gründer der Querdenkerbewegung zugelassen hat.

Doch nicht wegen versuchten Betrugs in 9.450 Fällen und Geldwäsche in vier Fällen, wie es die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, sondern nur wegen Steuerhinterziehung. Die Begründung des Landgerichts ist eine ziemliche Ohrfeige für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, aber auch für die Richter, die in den vergangenen Monaten immer wieder den dringenden Tatverdacht nach den Ermittlungsakten bestätigt hatten.

Ballweg dagegen triumphiert. Die Vorwürfe seien so dünn, dass niemals ein Haftbefehl hätte ausgestellt werden dürfen, heißt es in einer Pressemitteilung. In der Querdenkerbewegung wurden von Anfang an politische Motive hinter den Ermittlungen gegen ihren Gründer vermutet. Aus ihrer Sicht sollte der Kopf der Bewegung, die seit dem Frühjahr 2020 zeitweise Hunderttausende gegen die Coronamaßnahmen der Regierung auf die Straßen brachte, ausgeschaltet werden.

Ballweg hatte Spenden persönlich verwendet

Der Stuttgarter Unternehmer hatte auf den Demonstrationen, bei denen Teile der linksalternativen Bewegung zusammen mit Rechtsradikalen demonstrierten, zu Spenden aufgerufen und dabei nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft über eine Million Euro von seinen Unterstützern eingeworben. Weiter heißt es, dass Ballweg die ­Spender über die Verwendung der Gelder getäuscht habe. Etwa 500.000 Euro soll er für sich persönlich verwendet haben.

Das Landgericht hält das nicht für Betrug. Die Richter stehen auf dem Standpunkt, Ballweg sei nicht unbedingt verpflichtet gewesen, die Spendengelder von seinem Privatvermögen getrennt zu halten. Querdenken711, wie Ballwegs Bewegung auf der Webseite heißt, sei keine juristische Person. Zudem sei in dem Spendenaufruf nie behauptet worden, dass das Geld für ein bestimmtes Projekt eingesetzt werde.

Übrig bleibt also nur der Vorwurf, im Jahr 2020 sein Einkommen von insgesamt mehr als einer Million Euro nicht versteuert zu haben. Ballweg erklärt in einer Pressemitteilung, ein „Team aus Steuerberatern“ habe in den letzten Monaten Zahlen zusammengetragen, die belegen, dass er „eigenes Vermögen in die Querdenkerbewegung gesteckt habe und nicht umgekehrt“.

Viele Spender fühlen sich nicht betrogen

Tatsache ist, dass der Umgang mit Geld in der Querdenkerbewegung immer undurchsichtig war. Doch Teile der Unterstützer scheinen nichts dagegen gehabt zu haben. Erst hatte man um Spenden geworben, dann nur noch von Schenkungen gesprochen. Nach Berichten der Stuttgarter Zeitung hatte die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen hunderte Unterstützer kontaktiert und sie über ihre Erwartungen befragt. Viele davon fühlten sich nicht betrogen, selbst wenn Ballweg das Geld privat nutzte. Sie hätten sein Engagement fördern wollen, erklärten sie.

Die Staatsanwaltschaft wurde von der Ablehnung weiter Teile ihrer Anklage offenbar überrascht. Sie legte umgehend Beschwerde ein. So schnell, dass selbst Ballwegs Verteidigerteam um den Stuttgarter Anwalt und CDU-Landtagsabgeordneten Reinhard Löffler erst durch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft von Entscheidung des Landgerichts erfuhr.

Jetzt muss das Oberlandesgericht die Beschwerde prüfen. Jenes Gericht, das schon bei der Haftprüfung die ­Ermittlungsakten vorliegen hatte und einen dringenden Tatverdacht gegeben sah. Eine Entscheidung ist nach Einschätzung von Verfahrensbeteiligten in den nächsten Wochen zu erwarten. Kommt es doch zur Anklage in vollem Umfang, dürfte es ein langwieriger Prozess werden, bei dem viele der Unterstützer als Zeugen aufgerufen werden, um zu klären, ob sie sich von Ballweg getäuscht fühlen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.