Freistellung von Fußballprofi El Ghazi: Was Klubwerte wert sind
Nach Freistellung von Anwar El Ghazi bei Mainz 05 wegen eines antisemitischen Posts dürften bald noch mehr Klubs mit dem Problem konfrontiert sein.
In den frühen Stunden des Mittwochs scheint es endgültig zu viel geworden zu sein: Mainz 05 ging offline. Zumindest ein bisschen. Das Instagramprofil des Fußballbundesligisten war am Mittwochmorgen gar nicht mehr abrufbar, auf X, vormals Twitter, beließen es die Mitarbeiter:innen der PR-Abteilung dabei, die Kommentarfunktion unter ihren Beiträgen abzuschalten.
Ihnen blieb kaum etwas anderes übrig: Die Online-Kanäle der Mainzer wurden seit Dienstagabend von unzähligen Palästina-Flaggen und wütenden Kurznachrichten geflutet. Grund war die Entscheidung, die der Verein am Abend des Vortages mitgeteilt hatte: „Der 1. FSV Mainz 05 stellt Anwar El Ghazi vom Trainings- und Spielbetrieb frei.“
Zuvor hatten Beiträge, die der ehemalige niederländische Nationalspieler auf Instagram geteilt hatte, für Aufregung gesorgt. Mehr als einmal äußerte sich El Ghazi seit dem Angriff der Hamas auf Israel propalästinensisch. Dass es unterschiedliche Perspektiven auf den „komplexen Nahost-Konflikt“ gebe, respektiere Mainz 05 zwar, heißt es in der Mitteilung. „Der Verein distanziert sich jedoch deutlich von den Inhalten des Posts, da dieser nicht mit den Werten unseres Klubs einhergeht.“
Um welchen Post es genau geht, wird aus dem Statement nicht ersichtlich, es deutet aber alles darauf hin, dass sich der Verein auf einen geteilten Beitrag El Ghazis von Sonntag bezieht. Er endete mit der antisemitischen Losung „From the river to the sea, Palestine will be free“, die Israel das Existenzrecht abspricht und deswegen vor wenigen Tagen von der Berliner Staatsanwaltschaft als strafbar eingeordnet wurde. Bei der Parole bestehe Anfangsverdacht auf Volksverhetzung, so eine Sprecherin.
Arbeitsrechtlich angreifbar
Ebenjene Entscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft könne nun „eine gute Nachricht für Mainz 05“ sein, erklärt der Sportrechtler Paul Lambertz im Gespräch mit der taz. Denn was moralisch und politisch von den Fans des Vereins bislang deutlich positiver bewertet wird als von aufgeregten propalästinensischen Social-Media-Nutzern, ist juristisch durchaus heikel. Darf ein Fußballverein seinen Spieler vom Spiel- und Trainingsbetrieb freistellen, weil der eine unliebsame Meinung äußert, auch wenn die zweifellos nicht zu den Werten des (jüdisch geprägten) Vereins passt?
„El Ghazi ist Arbeitnehmer, Mainz 05 sein Arbeitgeber“, betont Lambertz. „Beide haben die gleichen Rechte und Pflichten wie in jedem anderen Arbeitsverhältnis.“ Der Verein darf seinen Spieler also nicht einfach rausschmeißen. Auch der Ausschluss von Spielen und Training könnte arbeitsrechtlich angreifbar sein. Dass die Staatsanwaltschaft in Berlin die Parole nun als strafbar einordnet, sei „ein erstes Indiz dafür, dass die Aussage strafrechtlich relevant sein könnte“, so Lambertz. Das würde die Mainzer Entscheidung stärken.
Ob der Niederländer mit marokkanischen Wurzeln plant, gegen die Entscheidung vorzugehen, ist freilich unbekannt. Die Pressesprecherin von Mainz 05 schrieb auf taz-Anfrage, dass der Verein sich vorerst nicht weiter äußern werde.
Der Fall El Ghazi ist nicht der einzige, der die Bundesliga aktuell beschäftigt. Auch andere Spieler, darunter Noussair Mazraoui, haben antiisraelische Beiträge geteilt. Mazraouis Verein Bayern München hat bereits ein Gespräch mit dem marokkanischen Nationalspieler angekündigt. Sicher ist: Entscheiden die Münchner danach wie ihre Mainzer Kollegen, kann sich die PR-Abteilung schon mal auf einen Shitstorm einstellen.
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