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Wahlumfrage in BrandenburgLetzte Hoffnung Woidke

Kommentar von Stefan Alberti

Ein Jahr vor der Landtagswahl liegt die AfD weit vor SPD. Der kann nur helfen, erneut einzig auf ihren beliebten Ministerpräsidenten zu setzen.

Er erscheint erneut als die einzige Hoffnung, einen AfD-Wahlsieg zu verhindern: SPD-Chef Woidke Foto: dpa

M an solle nicht auf das Prinzip Hoffnung setzen, hat der brandenburgische SPD-Generalsekretär David Kolesnyk gewarnt, als es am Mittwoch darum ging, erste Worte zur erschreckenden neuen Umfrage zur nächsten Brandenburger Landtagswahl zu finden. 32 Prozent hat die AfD darin bekommen und erstmals die 30-Prozent-Marke überschritten. Lediglich auf 20 Prozent kommt dabei die SPD, knapp vor der CDU mit 18 Prozent. Die seit 2019 regierende Kenia-Koalition mit den auf 8 Prozent abrutschenden Grünen hätte auf Basis dieser Umfrage keine Mehrheit mehr im Brandenburger Landtag.

Kolesnyk kann man so verstehen, als sei das Ergebnis mehr oder minder als Warnschuss zu bewerten, als müsse man nur endlich der Bevölkerung verdeutlichen, was für eine tolle Politik die Landesregierung mache, bloß noch mehr Gespräche als bisher mit den Bürgern zu führen. Ähnliches war aber auch schon bei früheren Umfragesprüngen der AfD zu hören. Wobei dieser jüngste der gewaltigste ist: Wenn aus im April gemessenen 23 Prozent jetzt 32 Prozent geworden sind, dann ist das ein Anstieg um knapp 40 Prozent, zugespitzt: um fast die Hälfte. Oder anders ausgedrückt: Zu jeweils zwei Brandenburger AfD-Unterstützern ist seit dem Frühjahr ein dritter hinzu gekommen.

Da stellt sich die Frage: Was will die SPD in weiteren Gesprächen denn vermitteln, was sie nicht jetzt schon rübergebracht haben müsste? Dass Brandenburg einen gewaltigen Wirtschaftsaufschwung erlebt hat, dass das Wachstum 2022 in keinem Flächenland größer war? Dass die Beschäftigung im Land auf Rekordniveau ist?

Das hat ja ein Drittel der Wählerschaft im Lande nicht davon abgehalten, in dieser jüngsten Umfrage auszudrücken: Wenn Sonntag Landtagswahl wäre, würde ich für die AfD stimmen. Wie wäre es da bei ganz anderen Wirtschaftsdaten und Arbeitslosenzahlen? Etwa ähnlich jener Misere, in der die NSDAP in der Weimarer Republik ab 1928 binnen vier Jahren von 2,6 auf über 37 Prozent stieg?

Es ist folglich höchst fraglich, dass sich über Sachargumente an dieser Haltung etwas ändern lässt. Es bleibt der SPD – und sie ist als die Partei, die seit der Wende alle Ministerpräsidenten gestellt hat, in vorderster Verantwortung – für die tatsächliche Wahl am 22. September 2024 nur eines: die Auseinandersetzung zu personalisieren und ganz auf ihren Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Dietmar Woidke zu setzen, der weiterhin der beliebteste Politiker in Brandenburg ist.

2019 verhinderte Woidke einen AfD-Sieg

Das hat schon einmal geklappt, nämlich bei der bislang letzten Landtagswahl im September 2019. Da lag die SPD rund drei Wochen vor der Wahl deutlich hinter der AfD, mit 17 zu 21 Prozent, setzte dann noch mal alles auf Woidke und hatte damit Erfolg: Am Wahlabend des 1. September erzielte die AfD zwar 23,5 Prozent, aber Woidke konnte seine SPD auf 26,2 Prozent hochziehen.

Der große Unterschied ist allerdings: Jetzt sind für die SPD nicht vier Prozentpunkte AfD-Vorsprung aufzuholen, sondern zwölf Punkte und damit drei Mal so viel. Weiterhin erschwerend: Fehltritte und Streitereien der AfD scheinen in Umfragen überhaupt nicht ins Gewicht zu fallen. SPD-Chef Woidke hingegen muss darauf bedacht sein, in den kommenden zwölf Monaten nichts, aber auch gar nichts falsch zu machen – nicht mal gedankenverloren bei sich zu Hause in Forst bei Rot über die Ampel zu gehen.

Und dennoch gilt: Das kann auch jetzt wieder klappen, muss aber nicht. Es ist darum genau so, wie es nach Aussage von SPD-Generalsekretär David Kolesnyk nicht sein sollte: Nicht bloß der SPD, sondern allen demokratischen Parteien in Brandenburg bleibt vor allem das „Prinzip Hoffnung“ – und das hat in den kommenden zwölf Monaten den Namen Dietmar Woidke.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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