Kritik am Streit in Ampel-Koalition: „Das ist demokratiezersetzend“
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kritisiert den Dauerstreit in der Ampel. Bei der Landtagswahl setzt er für seine Partei auf Sieg.
Potsdam taz | Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat die Ampel-Koalition auf Bundesebene und damit auch seine eigene Partei scharf für die fortwährenden Konflikte im Regierungsbündnis kritisiert. „Dieser öffentliche Streit ist demokratiezersetzend“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in einem Jahresauftaktgespräch mit Journalisten in Potsdam. Gerade in einer von Kriegen und Krisen gepägten Zeit müsse die Bundesregierung stattdessen „Stabilität und Sicherheit ausstrahlen“.
Woidke, der 2013 Ministerpräsident wurde und seit 2019 Brandenburg in einer Kenia-Koalition mit CDU und Grünen regiert, äußerte sich auch mit Blick auf die in neuneinhalb Monaten anstehende Landtagswahl in seinem Bundesland. Die jüngste Umfrage sah Ende November die dort seit 1990 stets siegreiche SPD nur bei 20 Prozent, weit hinter der AfD mit 27 Prozent.
Bei seiner Kritik am Auftreten der Ampel-Koalition ging der 62-Jährige auch auf Distanz zur Bundesebene seiner Partei. Von Journalisten daraufhin darum gebeten, drei Konfliktpunkte mit der Bundes-SPD zu nennen, sagte Woidke: „Drei? Da könnte ich Ihnen sogar 20 Punkte nennen.“ Aus seiner Sicht hat die Bundes-SPD anders als der von ihm geführte brandenburgische Landesverband viel weniger den ländlichen Raum im Blick. Scharf kritisierte er die teils schon wieder zurück genommenen Belastungen von Landwirten – man könne nicht „von heute auf morgen“ deren Rahmenbedingungen ändern. „Die Bundesregierung sollte dringend das Gespräch mit dem Bauernverband suchen“, forderte er.
Mit Blick auf die den Umfragen boomende AfD und den Umgang mit ihr in den vergangenen Jahren übte Woidke als SPD-Landeschef auch Selbstkritik. „Ich glaube, dass wir in Teilen da wirklich große Fehler gemacht haben, dass wir die inhaltliche Auseinandersetzung eben nicht gesucht haben“, sagt er. Seinen jetzigen Ansatz beschrieb er so: Man müsse genau in die AfD-Programme schauen – zu sagen, „Ihr seid Rechtsextremisten“, reiche nicht aus. Stattdessen müsse man klar machen, was es für Brandenburg konkret bedeuten würde, wenn die AfD regierte. Als Wahlziel für seine eigene Partei gab Woidke für den 22. September aus: „Wir wollen stärkste Kraft werden.“
Leser*innenkommentare
Eric Manneschmidt
Ich finde es immer merkwürdig, Streit als Gefahr für die Demokratie zu sehen. Gehört einfach dazu, nur in autoritären Regimes gibt es keinen (offenen) Streit.
Was ich eher für demokratiezersetzend halte, ist, dass viele Wählerstimmen nicht zählen, weil irgendwelche Hürden nicht erreicht wurden, dass es noch immer keinen bundesweiten Volksentscheid gibt, damit die Bürger*innen sich in Sachfragen einmischen können - und dass die meisten Leute in (leicht vermeidbarer) permanenter finanzieller Unsicherheit leben und daher kaum Zeit und Kraft haben, sich überhaupt gründlich mit politischen Fragen auseinanderzusetzen.
Ich brauche keine Politiker, die "Stabilität und Sicherheit ausstrahlen", sondern solche, die wirklich an der Lösung von Problemen (z.B. dem Klimawandel) arbeiten und die Bevölkerung maximal einbinden.