Abschottung gegenüber Geflüchteten: Verstärkte Kontrollen kommen

Innenministerin Faeser kündigt zusätzliche „flexible Schwerpunktkontrollen“ nahe Polen und Tschechien an. Der Union reicht das nicht.

Ein Polizeibeamter stoppt ein Auto bei einer Kontrolle gegen Schleuserkriminalität

In Grenzbereich zu Polen in Brandenburg soll es mehr Polizeikontrollen geben Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Deutschland verstärkt seine Kontrollen im Grenzgebiet zu Polen und Tschechien. Man müsse das „grausame Geschäft der Schleuser stoppen“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwochmittag. Deswegen nehme die Bundespolizei „ab sofort zusätzliche flexible Schwerpunktkontrollen an den Schleuserrouten“ vor. Diese fänden räumlich und zeitlich flexibel sowohl im Grenzgebiet wie auch zeitweise direkt auf der Grenzlinie statt.

Mit den verstärkten Kontrollen geht Faeser auf zuletzt immer lauter gewordene Forderungen nach Grenzkontrollen zu den beiden östlichen Nachbarländern ein. Insbesondere die CDU-Innenminister von Sachsen und Brandenburg fordern seit Monaten an den Grenzen zu Polen und Tschechien stationäre Kontrollen, wie es sie schon seit 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze gibt. Die Union hatte diese Forderungen zuletzt nochmals bekräftigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte das bis letzte Woche noch abgelehnt. Hintergrund sind die steigenden Zahlen Geflüchteter, die Deutschland erreichen.

Der innenpolitische Sprecher der Unionfraktion, Alexander Throm, warf Faeser nun aber eine „Täuschung der Öffentlichkeit“ vor. Was die Bundesinnenministerin vorschlage, seien keine stationären Grenzkontrollen, sie habe lediglich die Schleierfahndung ausgedehnt, „die dann auch zufällig mal an der Grenze vorbeikommt“. Er warf Faeser Wahlkampf vor. Die Innenministerin tritt in der hessischen Landtagswahl Anfang Oktober als SPD-Spitzenkandidatin an.

Tatsächlich sind Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums rechtswidrig. Nur im Falle „einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ dürfen sie vorübergehend wieder eingeführt werden. Dafür muss aber die EU notifiziert werden. Mehrere Staaten haben diese Ausnahme in den vergangenen Jahren genutzt, darunter Deutschland – und die eigentlich auf sechs Monate begrenzten Kontrollen seit 2015 immer wieder verlängert.

Faeser macht bei Krisenverordnung Druck

Wie Faeser nun ankündigte, müssten die geplanten Maßnahmen nicht bei der EU notifiziert werden. Um klassische Grenzkontrollen handelt es sich also wohl tatsächlich nicht. Man schließe eine solche Notifizierung für die Zukunft aber nicht aus, erklärte Faeser.

Die Bundespolizei hat in diesem Jahr bislang rund 71.000 illegale Grenzübertritte festgestellt. Das sagt allerdings nichts über die Schutzwürdigkeit Geflüchteter aus, weil es kaum legale Fluchtwege nach Deutschland gibt. So sind laut BMI die Hauptherkunftsländer der Aufgegriffenen Syrien, Afghanistan und die Türkei.

Die Zahl ankommender Geflüchteter kann man mit Grenzkontrollen und Schleierfahndung kaum beeinflussen: Wer an der Grenze aufgegriffen wird und erklärt, Asyl beantragen zu wollen, darf nicht einfach zurückgewiesen werden. Das Schutzersuchen muss geprüft werden. Alles andere wäre ein sogenannter Push-Back und somit rechtswidrig. Der Europäische Gerichtshof hatte in der vergangenen Woche Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen sogar unabhängig vom Schutzersuchen für rechtswidrig erklärt. Das dürfte somit auch für die laut BMI im ersten Halbjahr 2023 bereits durchgeführten 12.589 Zurückweisungen gelten.

Die Grünen und NGOs lehnen Verordnung ab

Faeser betonte, die Maßnahmen dienten vor allem der Bekämpfung des Schleusertums. Für eine „Verringerung der irregulären Migration“ hingegen bleibe die Reform des europäischen Asylsystems der „entscheidende Schritt“. Diese werde sie am Donnerstag bei einem Treffen der EU-Innenminister*innen „weiter mit voller Kraft“ vorantreiben.

Die Ministerin zeigte sich zuversichtlich, dass die Bundesregierung auch bei der umstrittenen Krisenverordnung zu einer gemeinsamen Haltung finden werde. Vor allem die Grünen lehnen diesen Vorschlag der EU-Kommission bislang ab, unter anderem, weil dieser es ermöglichen würde, die Standards für Asylverfahren deutlich abzusenken.

Eine Einigung sei notwendig, mahnte Faeser. Ansonsten seien die offenen Grenzen im Schengenraum „in Gefahr“. Eine Gefahr sehen Kri­ti­ke­r*in­nen hingegen in der Verordnung selbst: Diese drohe den an den Außengrenzen „schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren“, warnten bereits im Juli 55 NGOs in einem Offenen Brief.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.