Osnabrücks Einsparungen im ÖPNV: Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz?
Laut dem Juristen Thomas Groß verstößt Osnabrück mit seinen ÖPNV-Einsparungen gegen das Klimaschutzgesetz. Er hat Rechtsaufsichtsbeschwerde eingelegt.
Die stadteigenen Stadtwerke Osnabrück AG, die den ÖPNV betreiben, stehen finanziell seit Langem massiv unter Druck, auch aus Eigenverschulden. Der Verkehrsbetrieb müsse deshalb einen „Beitrag zur Konsolidierung“ leisten, heißt es in der Beschlussvorlage des Rates. „Allen Beteiligten ist bewusst, dass zum Teil negative Auswirkungen zu erwarten sind.“ Ab Februar 2024 sollen die Maßnahmen greifen. Mehrere „Bedienungsabschnitte“ fallen dann weg; Buslinien werden dafür gekürzt. Hinzu kommen Taktreduzierungen. Bis zu 1,8 Millionen Euro soll das pro Jahr einsparen.
Doch Thomas Groß, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Osnabrück, ist in der Beschlussvorlage bei „Auswirkungen auf den Klimaschutz (CO2-Ausstoß/Energieverbrauch)“ ein Kreuzchen aufgefallen. Das Kreuzchen steht im Formularfeld „keine“.
Weniger ÖPNV, und das soll ohne Auswirkungen sein? Groß vermisst Untersuchungen, die das untermauern, Begründungen. Er hat beim niedersächsischen Innenministerium deshalb Rechtsaufsichtsbeschwerde eingereicht.
Er habe das Innenministerium als Aufsichtsbehörde angerufen, „weil der Rat der Stadt Osnabrück bei seinem Beschluss über die Kürzung des Busverkehrs gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz verstoßen hat“, sagt Groß der taz. „Die Stadt behauptet, ihr Beschluss habe keine Auswirkungen auf den Klimaschutz, obwohl sicher viele Leute auf das Auto umsteigen werden, das eine erheblich schlechtere Klimabilanz hat. Diese Problematik hätte sorgfältig geprüft werden müssen.“
Folge das Ministerium seiner juristischen Einschätzung, müsse es den Beschluss aufheben und eine neue Prüfung über die Auswirkungen der Busverkehrskürzungen verlangen. Osnabrücks Rat nehme seinen Beschluss, „dass die Stadt bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden soll, ganz offensichtlich nicht ernst“. Groß hingegen, auch mit Umweltrecht befasst, nimmt die Sache ernst: Schon 2019 hat er im Umfeld von „Scientists for Future Osnabrück“ den Vortrag „Können zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen eingeklagt werden?“ gehalten.
Mittlerweile hat seine Beschwerde den Dienstweg zurück nach Osnabrück gefunden. „Das Innenministerium hat sie uns weitergeleitet“, sagt Arne Köhler, Sprecher der Stadt. „Derzeit nimmt das Rechtsamt eine Prüfung vor, ergebnisoffen.“ Bis zum 10. Oktober muss die Stadt eine Stellungnahme abgeben.
Für die Grünen, die in Osnabrücks Rat die stärkste Fraktion stellen und zusammen mit der SPD den Kurs bestimmen, sind die Einsparpläne ein schweres Imageproblem. Jens Meier, ihr stadtentwicklungspolitischer Sprecher, und Heiko Panzer, der Sprecher für Mobilität der SPD-Fraktion, winden sich, wenn es um die „Anpassungen“ im Busnetz geht.
„Dass wir die schmerzlichen Einschnitte mit Blick auf die Verkehrswende in unserer Stadt alles andere als gut finden, ist klar“, sagen sie. Allerdings sei es gelungen, „alles zu verhindern, was den Kern des Busangebots und des Busnetzes insgesamt angreifen würde“. Es hätte also weit schlimmer kommen können. Priorität habe jetzt, so Meier und Panzer, „der Erhalt der Stadtwerke und die Konsolidierung des Netzes“.
Busse mit Attraktivitätsproblem
Auch Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Landtagsabgeordneter in Hannover, ist mit den Einsparungen nicht glücklich. „Nach 2020, als wir das Netz um 17 Prozent erweitert hatten, müssen wir es jetzt um sechs Prozent kürzen.“ Und dann zählt er Gründe auf: den Mangel an Busfahrer*innen, den Rückgang der Fahrgastzahlen während Corona, die „Krisensituation der Stadtwerke“. All das habe den Schritt, bei nachfrageschwachen Linien zu kürzen, „unausweichlich“ gemacht. „Leere Busse durch die Stadt fahren zu lassen ist kein Klimaschutz.“
Leere Busse? Auch die Rats-Beschlussvorlage spricht von „geringen Nutzerzahlen“ auf den von der Kappung betroffenen Strecken. Sebastian Philipp, Sprecher der Stadtwerke Osnabrück, bestätigt das: „Wir haben das ja nicht ausgewürfelt“, sagt er. „Auf den von den Einsparmaßnahmen betroffenen Teilstrecken war die Auslastung pro Fahrt wirklich sehr gering, mitunter im niedrigen einstelligen Bereich.“ Osnabrücks Busverkehr, scheint es, hat ein Attraktivitätsproblem.
Was jetzt passiert, ist offen. Die Ratsgruppe FDP/Unabhängige Wählergemeinschaft hatte bereits vor dem Entschluss „flexible Bedienungsformen“ in die Diskussion geworfen, On- demand-Angebote, Anrufbusse, Bürgerbusse. Vielleicht sind diese Notlösungen aber auch gar nicht nötig – wenn Groß mit seiner Beschwerde Erfolg hat.
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