Öko-Tourismus in Jordanien: Nichts verläuft hier im Sand
Das Wadi Rum ist seit 2011 Unesco-Erbe. Der boomende Wüstentourismus bringt den Beduinen Geld, doch die Natur ist in Gefahr. Kann es eine Balance geben?
G rell scheint die Mittagssonne. Eine neonpinkfarbene Plastiktüte hängt in einem Wüstenbusch. Abdullah Zalabieh bremst seinen Jeep, steigt aus, entheddert die Tüte aus dem Gestrüpp und packt sie in eine große Plastiktüte. Die hat er kurz zuvor aus dem Wüstensand gesammelt.
Eigentlich veranstaltet der Beduine eine Wüstentour, doch ab und an hält er an, um Plastikflaschen, Kaffeebecher und Cola-Dosen einzusammeln. „Kannst du dir vorstellen: Manchmal fahren wir mit Freunden durch die Wüste und schauen nach Abfall. In ein paar Stunden füllen wir etwa zehn große Müllsäcke.“
Sandsteinlandschaften auf einer immensen Fläche von rund 740 Quadratkilometern, rostroter Sand, schroffe Felsen. Das Wadi Rum im Süden Jordaniens ist eine stark besuchte Wüsten-Attraktion. Zirka 350.000 Menschen kamen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ins Tal, sagt die für Wadi Rum zuständige Behörde.
„Der Tourismus stellt derzeit die größte Bedrohung dar“, schreibt die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) in ihrer Evaluierung der Gefahrensituation für das Tal aus dem Jahr 2020. Unzureichend regulierte Fahrten abseits der Straßen durch Reiseveranstalter, der Bau illegaler Camps und unbeaufsichtigte Tourist*innen schädigten die Vegetation.
Tourist*innen reiten Kamele, erklimmen Berge, übernachten in Beduinen-Camps. Die Beduinen, was übersetzt Wüstenbewohner heißt, waren einst Nomaden. Sie reisten mit Kamelen, lebten in Zelten, weideten Ziegen- und Schafherden, kamen ohne Strom aus. T.E. Lawrence, britischer Offizier, Geheimagent und Schriftsteller, begründete im 20. Jahrhundert das Klischee des romantischen Lebens in der Wüste und einer Kultur, die der Moderne trotzt. Die Wahrheit ist natürlich komplexer.
Doch das Bild trat den Tourismus los. Mit dem wachsenden Profit aus Jeep-und Trekking-Touren sowie Filmproduktionen wuchsen auch die Interessen: Die Regierung, lokale Behörden, Investor*innen, Tourist*innen und die Beduinen – sie alle wollen nun in Wadi Rum mitsprechen und am Boom im Tal verdienen. Der Tourismus ist aber eine Gefahr für die fragile Wüstenlandschaft. Geldnot, Ressourcenknappheit und Behördendruck lasten auf den Beduinen. Wie können sie eine gute Balance finden zwischen Tradition, Tourismus und Umweltschutz?
„Na klar, der Tourismus ist gut! Er schafft Arbeit und die Leute verdienen Geld“, erklärt Abdullah Zalabieh bei Zitronengrastee. Der Beduine hat seit 2014 ein eigenes Camp, in dem Gäste übernachten. Es hat einen großen Gemeinschaftsraum und sechs Einzelkabinen. Die Räume bestehen aus Metallgerüsten, die mit schwarz-weiß gestreiftem Textil aus Ziegen-und Schafswolle umspannt sind. Ein Küchen- und ein Toilettenhäuschen sind aus rotem Sandstein gebaut.
Das Camp liegt etwas versteckt unter einem hohen schroffen Felsen. „Es macht Freude, den Menschen unseren wunderschönen Ort zu zeigen, die Wüste, die Berge, unsere Kamele, Ziegen und Schafe. Wir sind sehr aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen.“
Wie die meisten hat auch Zalabieh von den Ausländer*innen Englisch gelernt. Würden die Tourist*innen wegbleiben, sagt er, könnten die Beduinen zwar wieder mehr von der Tierzucht leben, aber viele Leute seien auf das Geld durch den Tourismus angewiesen. Vor allem, weil der menschengemachte Klimawandel es immer schwerer macht, Gerste oder Getreide anzubauen, außerdem belasten stark schwankende Temperaturen die Tiere. Weniger Regen oder plötzlicher Starkregen sowie Dürre verringern die eh schon knappen Ressourcen und zwingen die Beduinen dazu, andere Einnahmequellen zu finden.
Abdullah Zalabieh, Unternehmer
Die Pandemie, so der Beduine, habe deutlich gemacht, dass viele Beduinen auf den Tourismus als Geldquelle angewiesen sind. „In dieser Zeit gab es keine staatliche Hilfe. Wir leben in Stämmen und helfen einander. Viele lebten von ihrem Ersparten, aber manche mussten ihre Tiere oder das Auto verkaufen.“ Negatives über Tourist*innen fällt Zalabieh kaum ein – „aber wir möchten sie bitten, vorsichtig mit der Natur umzugehen und ihren Abfall in der Wüste zu minimieren“.
Abdullah Zalabiehs Familienstamm sind die Ureinwohner der Wüste. Er ist im Wadi Rum geboren, vor 30 Jahren, als es kein Krankenhaus gab und die Frauen sich bei Geburten gegenseitig halfen. Sein 78-Jähriger Großvater lebt hier, sein Urgroßvater und Ururgroßvater lebten ebenfalls in Wadi Rum. Er könnte das so weiter aufzählen, bis zu 500 Jahre reiche seine Familiengeschichte im Tal zurück.
Mit 15 Jahren fing Zalabieh zu arbeiten an. Er machte Kameltouren und wanderte mit Tourist*innen durch die Wüste. Zu dieser Zeit wohnte seine Familie in einem Zelt. In den 90er Jahren wurde das „Wadi Rum Dorf“ gebaut; später zogen sie dorthin, da es ihnen ermöglichte, zur Schule zu gehen. Zalabieh hat ein Haus aus Betonsteinen. Mit Ausnahme von ein paar hundert Menschen sind alle Beduinen in Betonhäuser gezogen. Näher an die Schule, an Strom- und medizinische Versorgung und Arbeitsmöglichkeiten – als Verkäufer, Elektriker, Tourguides. Am Kiosk steht ein Kühlschrank mit Cola-Werbung, daneben hängt zum Verkauf die Kufiya, das traditionelle Tuch, das vor der Sonne schützt.
An der Straßenseite im Dorf steht ein Metallmüllcontainer. Ein Autoreifen liegt daneben, zwischen Tomaten und Plastikfetzen. „Zurzeit bringen alle Campbesitzer den Müll hier ins Dorf“, erklärt Zalabieh. „Sie nutzen die Straßencontainer, aber die sind nicht groß genug. Katzen reißen die Beutel auf, der Müll fliegt mit dem Wind wieder raus und landet auf der Straße.“ Als Lösung schlägt er eine große Müllstation vor, umringt von einem Zaun.
Dass nicht nur Zalabieh mit der Situation unzufrieden ist, zeigt eine Recherche des Netzwerks für Arabische Investigativ-Reporter*innen (ARIJ) im August 2022. Die Campbesitzer beschweren sich, weil sie selbst für die Transportkosten aufkommen, um den Müll im Dorf zu entsorgen. Der zuständige Beauftragte für Tourismus und Umwelt der Sonderbehörde von Aqaba, Nidal al-Majali, erklärte jetzt, die Eigentümer seien verantwortlich, die Abfälle zu einem Platz am Eingang des Dorfes zu bringen, wo die Müllabfuhr sie täglich abhole. Ein Besitzer gab an, sein Camp habe jeden Tag 200 Kilo Müll. Wie viel Abfall sein Camp produziert, möchte Abdullah Zalabieh nicht sagen. „Kleine Camps produzieren täglich zwei Müllsäcke voller Abfall, größere vielleicht zehn.“
Bei der Infrastruktur sehen die Beduinen die Behörden in der Verantwortung. „Der Staat möchte, dass wir alle in Häusern wohnen, aber dann muss er auch die Ressourcen wie Strom oder Wasser dafür bereitstellen“, sagt Zalabieh. Die Stromkabel im Dorf beispielsweise hängten gefährlich niedrig, sodass sich Kinder beim Spielen verletzen können.
Arbeitsplätze mit Geldern der Weltbank
Der Staat möchte das Wadi Rum weiterentwickeln. Mit Geldern der Weltbank wurden Arbeitsplätze im Tourismussektor geschaffen, Straßen, Abwasserleitungen und ein Besuchszentrum gebaut. Der Tourismus spült auch Geld in die Kassen der Regierung, durch Visagebühren, Entwicklungsgelder für Infrastrukturprojekte oder Genehmigungen für Filmproduktionen.
Von den Gästen profitieren Hotels, Restaurants, Taxifahrer, Guides und Souvenir-Shops. Der jordanische König Abdullah II. sagte im Januar bei einer Pressekonferenz, „die Qualität der Dienstleistungen und Aktivitäten im Wadi Rum“ sollen verbessert werden, um „ein einzigartiges Tourismusprodukt zu schaffen“.
Abdullah Zalabieh ist stolz darauf, dass er Vize-Vorsitzender einer Kooperative ist, die die Familien gegründet haben. Sie sprechen sich ab, um ihre Interessen vertreten zu können, wenn es um Entwicklungshilfen oder Regierungspläne geht. Einerseits vertritt Zalabieh seine Gemeinschaft und hält sich mit Kritik gegen Behörden nicht zurück. Andererseits betont er die Loyalität und Dankbarkeit gegenüber dem Königreich.
Der Konflikt ergibt sich aus der Geschichte: Für die Zalabiehs war die Wüste schon ihre Heimat, bevor es den Staat Jordanien gab. Die Beduinen halfen Prinz Faisal und dem britischen Offizier T.E. Lawrence, 1917 und 1918 gegen die Osmanen zu kämpfen. Sie lebten im Wadi Rum, als Emir Abdullah im Jahr 1921 das erste zentralisierte Regierungssystem im heutigen Jordanien aufbaute, Transjordanien dann im Jahr 1923 unter britischem Mandat gegründet und schließlich 1946 unabhängig und zum Haschemitischen Königreich wurde.
Der Mann in der Wüste und der Diener der Regierung – die Beduinen verhandeln beide Männlichkeitsbilder. Das schreibt die Sozialanthropologin Katerina Marinaki. Sie hat für ihre 2021 veröffentlichte Doktorarbeit 22 Monate bei dem Zalabieh-Stamm gelebt. Der damalige König Hussein habe es geschafft, sie als „seine Beduinen“ zu betrachten, „um die Stabilität und politische Macht des neuen jordanischen Staates zu sichern.
Die Beduinen waren und sind immer noch loyale Anhänger der herrschenden haschemitischen Familie.“ Mindestens 75 Prozent der männlichen Bevölkerung von Rum im Alter zwischen 30 und 40 Jahren dienten in der Armee, waren bei der Polizei oder Geheimpolizei. Einige hätten einen hohen Rang, der bei Verhandlungen mit den Behörden helfe.
„Ich möchte dir eines der schrecklichen Luxuscamps für Touristen zeigen“, sagt Abdullah Zalabieh auf der Fahrt im Auto. Er hält vor Häusern mit roten Dachziegeln, dazwischen glänzen silberne Halbkugeln. „Das sind ganze Gebäude, die sind riesig und nicht wirklich hübsch.“ Die Beduinenzelte mit ihren schwarz-weißen Mustern aus Tierhaar könne man hingegen von Weitem nicht sehen.
Durch Fotos auf Instagram sind besonders die „Bubble Camps“ beliebt. Die „Seifenblasen“ haben oft eine Klimaanlage im Zimmer, betrieben mit Diesel. Weil Filme wie „Star Wars“ im Wadi Rum gedreht wurden, werden die Plastikkugeln als „Marsianer Kuppel“ beworben. Glamping auf dem Mars.
In solch ein Camp möchte Takahiro Nakamura. Der 29-Jährige kommt aus Japan, macht seinen Master in Entwicklungsstudien in London. Er fährt mit dem Bus aus der Hauptstadt Amman nach Wadi Rum. Seine japanischen Freunde haben ihm die Unterkunft empfohlen, er hat sie über eine Online-Plattform gebucht. „Es ist eine Art Zelt-Hotel, Wadi Rum Bubble Tent & Beduin Style“, ließt er aus der Beschreibung vor. „Besonders eine funktionierende Toilette ist wichtig für mich.“ Auf den Fotos des Anbieters ist eine Holzplattform zu sehen, darauf eine Halbkugel, geformt aus dreieckigen Metallgerüsten, umzogen mit einer transparenten Plane.
„Eine Person sagte mir: ‚Leben Beduinen in der Wüste denn in Plastik?‘“, erzählt Tatiana Haddad. Die Anthropologin hat 2022 für ihre Bachelorarbeit an einer Universität im texanischen Houston die Beduinen im Wadi Rum ausführlich interviewt. „Es stört sie und es ist ein bisschen beleidigend, eine so fremde, invasive Art von Camp in ein Gebiet zu bringen, das so eng mit ihrer Geschichte und ihrer Kultur verbunden ist – und vor allem in eine Tourismusindustrie, die sie von Grund auf aufgebaut haben.“
Die Blasen werden vordergründig von Beduinen betrieben. Doch ein Beduinencamp-Besitzer habe Haddad erzählt, einige Camps seien von Hotelketten oder Bauträgern aus Amman und Petra finanziert worden. „Das war definitiv eine der großen Ängste, die ich wahrgenommen habe: dass ausländische Investoren Wadi Rum übernehmen könnten.“ Die Beduinen sähen auch Landsleute als Ausländer, da man sich früher mit dem Stamm identifizierte. Deshalb ist schwer nachzuvollziehen, welche „ausländischen“ Gelder fließen.
Laut der Naturschutzorganisation IUCN wurden zwischen 2012 und 2020 sieben neue Camps ohne Lizenzen der Verwaltungsbehörde errichtet. Die Verwaltung habe eine umfassende Klage gegen alle sieben illegalen Lager vorbereitet und eingereicht. Es ist unklar, ob Beduinen ohne Papiere bauen, weil sie das Land als ihr Eigentum ansehen, oder ob Korruption hinter den Bauten steckt.
Das Land gehört seit den 1920er Jahren dem Staat. Die Anthropologin Haddad sagt, die Beduinen hätten keine gesetzlich verankerten Eigentumsrechte, doch hätten sie durch ihre langjährige Stammeszugehörigkeit Anspruch darauf, das Land von der Regierung zu pachten. Die Behörden waren auf taz-Anfrage nicht zu erreichen.
Nur Beduinen dürften in der Wüste ein Camp aufmachen, erklärt Abdullah Zalabieh. Haddad sagt, sie wisse nicht, ob das eine offizielle Regelung ist. „Aber ich habe nicht ein einziges Camp gesehen, in dem der öffentliche Eigentümer ein Nicht-Beduine war.“ Doch die Leute fühlten, dass der Gewinn besonders bei großen Camps ins Ausland fließe. „Und die meisten Arbeiter in den Lagern sind keine Beduinen. Fast alle die kochen oder die Camps instand halten, sind aus Ägypten, Syrien oder dem Sudan.“
Auf die Natur hören
Zalabieh hat Angst, dass ausländische Arbeiter, die Tourist*innen herumführen. Tourist*innen sollten mit den lokalen Guides in die Wüste kommen, weil die Beduinen am besten wüssten, welche Wege sie fahren, welches Holz sie sammeln könnten. Und sie hörten auf die Natur.
Die Beduinen wollen den ökologischen Fußabdruck klein halten, bestätigt Haddad. „Jedes Camp und jede Familie verfolgt einen anderen Ansatz. Viele Camps sind auf Solarpanele umgestiegen, sie versuchen, den übermäßigen Einsatz von Generatoren zu vermeiden.“ Auch möchten sie Brennholz „auf ethische Weise beschaffen – aus ressourcenschonender, lokaler Produktion oder aus dem Norden Jordaniens.“
Abdullah Zalabieh nutzt ebenfalls Solarenergie für sein Camp. Auf der Fahrt dorthin macht er keine Schlenker. „Ich fahre nur in den Spuren, die bereits durch andere Reifen im Sand sind.“ Die Beduinen würden den Naturschutz sehr ernst nehmen. „Wir wissen genau, was wir von der Natur nehmen können. Komm, ich zeige dir, wie wir erkennen, ob wir das Holz zum Feuermachen nehmen können.“
Er knickt zwei Äste von einem Busch ab. „Hör mal.“ Es macht ein knackendes Geräusch beim ersten. Dann zerteilt er den zweiten Ast, doch das Brechen erzeugt kaum ein Geräusch. Der trockene Ast mache ein lautes Geräusch, außerdem seien die Fasern innen braun, während der mit Leben gefüllte Stamm innen grünlich ist. Er sammelt nur die trockenen Äste; falls er Brennholz übrig hat, bleibt es an der Feuerstelle. So können es andere nach ihm benutzen.
Auch wenn die Wüste karg wirkt, beherbergt sie eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren: Steinböcke und Sandkatzen, Brandfüchse und Grauwölfe sowie 120 verschiedene Vogelarten wie Adler, Geier, Bussarde und Spatzen. Seit 2011 ist das Wadi Rum Natur- und Kulturerbe der Unesco. Verwaltet wird es von einer Behörde im 75 Kilometer entfernten Aqaba, der Aqaba Special Economic Zone Authority (ASEZA). Deren Angaben zufolge sind lokale Beduinen Mitarbeitende des Besuchszentrums. Wie es mit dem Management aussieht, ist unklar.
„In den Augen der Zalabieh eignen sich diese Bürokraten die Wüste an und verhalten sich autoritär an einem Ort, wo sie nicht hingehören, und die Bewohner reagieren mit Ungehorsam“, schreibt die Sozialanthropologin Marinaki. Im Mai gab der Direktor für die Region Wadi Rum bekannt, dass die Behörde umgerechnet fast vier Millionen Euro für Entwicklungsprojekte dort bereitgestellt. Unter anderem soll die Straße, die nach Wadi Rum führt, ausgebessert werden. Wie werden die Beduinen in Entscheidungen einbezogen? Weder ASEZA noch das Tourismusministerium waren für eine Stellungnahme per Mail, telefonisch oder vor Ort verfügbar.
Wohin gehen die Eintrittsgelder?
Am Eingang zum Wadi Rum Village hat die Behörde ein Besuchszentrum gebaut, dort zahlen ausländische Tourist*innen fünf jordanische Dinar, umgerechnet zirka 6 Euro Eintrittsgeld. Es gibt Toiletten, Souvenirshops, hier ist der Startpunkt für Jeep-Touren. Auf der Webseite heißt es: „Ein Teil des Eintrittsgeldes geht direkt an die lokalen Tourismuskooperativen.“ Wie viel und wie das Geld verteilt wird, steht dort nicht. Laut Zalabieh sind es rund ein Euro pro Besucher*in. Die Jeep-Fahrer stammten aber aus der lokalen Gemeinschaft und bekämen entsprechenden Lohn.
Um die Natur zu schützen, hat ASEZA das Wadi in zwei Zonen eingeteilt, eine mit freiem Zugang und eine „Wildniszone“, in der Besuchsaktivitäten kontrolliert werden sollen. Nur wenige Fahrzeuge dürfen in diese Zone, Camping und Klettern sind eingeschränkt. Laut Zalabieh wird dieser Teil der Wüste von den Beduinen seit Jahrzehnten den Nomaden überlassen. Das sehe man an den vielen Büschen, die dort wachsen.
Er sieht dort einen älteren Mann mit seiner Ziegenherde, stoppt sein Auto, läuft zu ihm, schenkt dem Hirten Wasser und Sesamkekse. Sein eigener Großvater zöge noch immer mit seinem Holzzelt und Herde durch das Tal. Als Zalabieh an einem neueren Camp vorbeikommt, sagt er, dieses sei illegal gebaut worden – trotz der Wildnisregelung.
Auf der Webseite der Behörde in Aqaba steht, sie nehme ihre ökologische Verantwortung ernst. Ranger achteten darauf, dass Verhaltensregeln für die Besucher*innen eingehalten werden. Die taz-Anfrage, solch einen Ranger begleiten zu dürfen, blieb unbeantwortet. Die Regeln der Behörde lauten: Tourist*innen sollen den Fahrer anweisen, nur auf ausgewiesenen Strecken zu fahren; keine Pflanzen, Steine, Artefakte oder Brennholz zu sammeln oder Tiere zu jagen. „Nehmen Sie Ihren Müll mit: Halten Sie das Gebiet sauber. Verbrennen Sie Toilettenpapier oder verwenden Sie Wasser. Minimieren Sie den Lärmpegel; verzichten Sie auf laute Musik. Respektieren Sie die Lebensweise der Einheimischen; tragen Sie angemessene Kleidung und fragen Sie, bevor Sie Fotos machen.“
Welche Rechte und Pflichten haben die Menschen, die das Wadi Rum besuchen? Zalabieh hat in dieser Nacht keine Gäste. In dem Camp seines Bruders aber übernachten Matteo Gazzerro und Clothilde Perot. Er ist IT-Berater, sie arbeitet im Personalmanagement. „Der interessanteste Teil am Reisen ist für uns, mit Einheimischen zu sprechen, um ihre Denkweise, ihre Gewohnheiten zu verstehen“, sagt der 32-jährige Gazzerro. „Wenn du umherziehst und mit anderen Menschen sprichst, verstehst du, dass es viele Denkweisen gibt – und deine ist nicht die einzige oder beste.“
Mit Wolldecken unter dem Sternenhimmel
Bei ihrer Unterkunftssuche haben die beiden die „Bubbles“ ausgeschlossen, „weil sie nicht authentisch sind“, sagt die 30-jährige Perot. „Wir haben nicht mal das Zelt gebucht, sondern eine Nacht draußen“, ergänzt Gazzerro. Sie schlafen mit Wolldecken auf Matratzen unter dem Sternenhimmel. Für Perot ist der Jeep-Aspekt ökologisch ein Problem. „Aber es geht nicht ohne Jeep. Ich habe mir einige Trekkingpfade angesehen. Da wir nur einen Tag Zeit hatten, möglichst viel sehen wollten und die Sonne sehr stark ist, haben wir uns doch für ihn entschieden.“
Für all diese Reisen werden Ressourcen benötigt, Flüge, Autos, Busse. Wiegt die persönliche Erfahrung den ökologischen Fußabdruck auf? „Es ist schon individualistisch zu reisen“, überlegt Perot. „Wir teilen unsere Erfahrungen und Fotos von der Reise mit Familie und Freunden, vielleicht ist das eine Verantwortung? Es kann ihnen helfen, Dinge globaler zu sehen. Nicht nur die Unterschiede, sondern Gemeinsamkeiten. Oder interessante Ideen.“
Gazzerro ergänzt: „Wir sind nicht aktiv in den sozialen Medien, es ist absolut für uns selbst.“ Daheim sei es einfacher, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Beide glauben daran, dass Reisen hilft, nicht rassistisch zu sein und sich mit anderen zu verbinden. „Aber ja, für diese Vorteile verpestet man auch die Umwelt.“
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