piwik no script img

DFB auf TrainersucheNagelsmann und andere Männer

Vor dem Spiel der DFB-Elf gegen Frankreich wird über den möglichen neuen Bundestrainer spekuliert. Ein Blick über den deutschen Tellerrand lohnt sich.

Trainer von Format: Julian Nagelsmann hat seine Qualitäten schon unter Beweis gestellt Foto: Ulrich Wagner/imago

Es war schon früher so, dass Rudi Völler seinem Näschen vertraute. Wenn der rastlose Mittelstürmer in die Gasse startete, um den Ball nach einem Vollsprint zu versenken, folgte der Spieler meist seinem Instinkt. Den besitzt er auch nach seiner Reaktivierung als Trainer. Dass sich der für das Länderspiel gegen Frankreich (Dienstag 21 Uhr/ARD) noch einmal als Teamchef einspringende Völler am Montag für eine Busfahrt nach Dortmund entschied, war goldrichtig. Denn der angedachte ICE für die Weiterreise hat – kein Witz – den Halt in Wolfsburg mal wieder ausgelassen.

Wer sich noch einmal vergegenwärtigt, wie in der Autostadt bei der Einwechslung ein Thomas Müller gefeiert wurde – als Publikumsliebling ein Völler 2.0 –, der kann erahnen, dass der Volkstribun auf der Trainerbank helfen wird, einen Stimmungsumschwung herbeizuführen. Vielleicht ist der Nationalmannschaft dann das Spielglück wieder hold. „Die Jungs können es ja auch, sie kommen alle aus Topklubs“, sagt Völler.

Für Völler geht es nur um dieses eine Spiel. Anderes sehen weder seine Lebensplanung, noch die DFB-Gremien oder die ominöse Taskforce vor. Da der Verband „zeitnah“ eine Lösung präsentieren will und die nicht unumstrittene USA-Reise für den Oktober bereits durchgeplant ist, braucht es zügig den zwölften Bundestrainer in der über 100-jährigen Geschichte des Verbandes.

Übergangslösungen mit Rettercharakter helfen derzeit nicht weiter. Es braucht einen, der perspektivisch denkt. Die von Liga-Chef Hans-Joachim Watzke über seine Dortmunder Verbundenheit verfolgte Idee, erst den BVB-Berater Matthias Sammer bis zur Heim-EM machen zu lassen und dann Jürgen Klopp überzeugen zu können, hat zwei Haken: Sammer ist seit fast zwei Jahrzehnten raus aus dem Trainergeschäft, und der „Kumpel“ Klopp bis 2026 an den FC Liverpool gebunden.

Hilfe von Bayern München benötigt

Also führt eine logische Spur zum noch vom FC Bayern bezahlten Julian Nagelsmann. Intelligent, schlagfertig – und fachkundig sowieso. Nach toller Arbeit bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig verhob er sich aber an der Herkulesaufgabe beim FC Bayern. Nagelsmann reagierte dünnhäutig, gereizt, wenig souverän.

Sein Alter sollte kein Hemmnis sein. Wenn der 36-Jährige die richtigen Lehren aus seinen in München erworbenen Erfahrungen zieht, wenn er beim Gehalt Abstriche macht und vor allem die Münchner dem finanziell gebeutelten DFB bei der Ablöse entgegenkommen, dann muss mit Nagelsmann so ernsthaft geredet werden wie offenbar bereits mit Roger Schmidt, der bei Benfica Lissabon nicht so leicht aus dem Vertrag kommt.

Gut wäre auch, wenn nicht nur auf den deutschen Markt geschaut wird. Louis van Gaal oder Oliver Glasner haben bewiesen, dass sie mit deutschen Teams Titel gewinnen können. Belgien, Türkei und Österreich haben unter den deutschen Trainern Domenico Tedesco, Stefan Kuntz und Ralf Rangnick Kurs zur EM-Endrunde genommen. Der Rauswurf von Hansi Flick war ein Novum. Der erste Ausländer als Bundestrainer wäre es auch. Aber irgendwann ist es halt das erste Mal.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich denke Louis van Gaal die schlimmste Besetzung mit Sammer zusammen. Auch wenn sie unbestritten das Wissen mitbringen sind sie keine Sympathieträger und auch keine Motivatoren. Schmid wäre von all denen wohl das beste Gesamtpacket. Gesetzt genug um bei der Führung und den Ansprüchen ruhig zu bleiben. Trainer Know How unbestritten und hat das richtige Händchen bei der Spielerauswahl. Denn auch hier gibt Gesamtpacket für die Mannschaft vor Talent.



    Stefan Kuntz mag ich sehr aber der hat zu viel DFB Vergangenheit in der Situation. Nagelsmann wäre mutig und interessant zu beobachten. Ich wäre allerdings auch dafür oberhalb des Trainers Neue Köpfe zu sehen. Herr Watzke sollte sich vielleicht mal das Spiel noch mal anschauen mit dem Focus auf die Bilder von der Tribüne auf der er sass aber vielleicht wirkte er auch nur auf mich endlos arrogant

    • @Mike Müller:

      Van Gaal hat alle Mannschaften, die er trainiert hat, verbessert und hat meist das Maximale herausgeholt, auch wenn er vielleicht nicht der große Kumpeltyp ist. Allerdings ist der Mann auch schon über 70, wäre also wenn überhaupt ein eher kurzfristiges Projekt. Sammer hat seit seiner Zeit als Trainer beim BvB alles mögliche kommentiert und beraten (TV, Bayern, BvB), hat aber wohl kaum noch den direkten Draht zu den Spielern.



      Kuntz könnte ich mir vorstellen, Nagelsmann eher nicht. Er ist bei den Bayern letztlich gescheitert, er sollte zunächst den Nachweis führen, dass er große Starensembles führen kann. Warum nicht Glasner? Hatte bisher überall als Trainer Erfolg, ich würde es ihm zutrauen.

  • Nagelsmann? Bitte nicht. 1. hat noch keinen zerstrittenen Haufen zu einer Mannschaft geformt, 2. muss sich erst noch in der Spitze etablieren, 3. mir graut schon wieder vor den schnoddrig-pseudowitzigen Kommentaren in den drohenden Pressekonferenzen und 4. nicht den Bayern die Abfindung für Nagelsmann ersparen und auch noch eine Ablöse an die Bayern zahlen, die dann am Ende aus dem Wahnsinn ungeschoren davonkommen.

  • Apropos "irgendwann ist immer das erste Mal" : Innovativ wäre ja die Berufung z.B von Sarina Wiegman. Oder vielleicht vielleicht sucht ja Megan Rapinoe eine neue Aufgabe.

    • @Ignaz Wrobel:

      Dachte ich auch gleich... wieso "andere Männer"?