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Bundestag beschließt HeizungsgesetzEnde der hitzigen Schlacht

Der Bundestag hat das Heizungsgesetz beschlossen. In einigen Punkten unterscheidet es sich wesentlich vom Entwurf aus Habecks Ministerium.

Wie teuer wird's im Winter? Das hängt auch von der Art der Heizung ab Foto: picture alliance/dpa | Thomas Banneyer

Berlin taz | Die Schlacht im Heizungskeller ist vorbei – vorläufig. An diesem Freitag hat der Bundestag das neue Heizungsgesetz der Ampel-Regierung beschlossen, über das diese sich, wie das halbe Land, zwischen Februar und Juli heftig gestritten hatte. Die Union konnte sich mit ihrem Antrag auf abermalige Verschiebung nicht durchsetzen. Was steht jetzt drin im Text?

Die grundsätzliche Ansage lautet: Ab 2024 muss jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie laufen, beispielsweise Strom aus Solar- und Windkraftwerken. Fossile Treibstoffe wie Erdöl oder Erdgas dürfen nur noch das restliche Drittel der Energie beisteuern. Und ab 2045 – in 22 Jahren – soll gar keine fossile Energie mehr in irgendwelchen Gebäudeheizungen verbrannt werden. Doch das ist nur der Grundsatz: Er wird durch viele Ausnahmen und Übergangsfristen aufgeweicht – mit dem Ergebnis, dass noch jahrelang auch neue Brennkessel eingebaut werden können, die ausschließlich Erdgas verfeuern.

Wohlgemerkt: Das alles gilt immer nur für neue Heizungen, wenn eine alte Anlage so kaputt ist, dass sie ausrangiert werden muss. Alte Heizungen dagegen, die sich reparieren lassen, kann man maximal 30 Jahre betreiben.

Ein Kessel, der 2010 eingebaut wurde, könnte also bis 2040 arbeiten. Dann erst werden die Schorn­stein­fe­ge­r:in­nen darauf drängen, die Heizung durch eine neue zu ersetzen. Und gibt ein alter Kessel plötzlich den Geist auf, startet eine fünfjährige Übergangsfrist, bis die 65-Prozent-Regel greift. Für Eigentümer:innen, die ihre Häuser ganz oder teilweise selbst nutzen, gelten noch längere Fristen.

Wasserstoff und Biomethan

Zunächst tritt die 65-Prozent-Regel ab 2024 nur in Kraft für neue Gebäude in Neubaugebieten, die von den Städten und Gemeinden als solche ausgewiesen sind. Wird dagegen irgendwo eine Baulücke geschlossen, ohne dass es sich um ein definiertes Neubaugebiet handelt, greift das Öko-Kriterium erst später.

Um die 65-Prozent-Regel zu erfüllen, ermöglicht das Gesetz viele Varianten: beispielsweise Anschluss an ein Fernwärmenetz, Solaranlage auf dem Dach, Stromdirektheizung, Geothermie, Wärmepumpe, Hybridsysteme aus Wärmepumpe und Gas- oder Ölbrenner, sowie Gasheizungen, die später auch Wasserstoff oder Biomethan vertragen. Neue, reine Ölheizungen sind wegen des hohen Kohlendioxidausstoßes aber ausgeschlossen.

Für alle bestehenden Häuser greift die 65-Prozent-Regel spätestens ab 2026 in Städten mit mehr als 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen und spätestens ab 2028 in kleineren Kommunen bis zu 100.000 Leuten. So lange kann man in bestehenden Gebäuden auch neue Erdgasheizungen einbauen, wenn diese künftig mit Wasserstoff oder Biomethan zu betreiben sind. Die müssen ab 2029 jedoch auch wirklich nach und nach auf die umweltfreundlichen Gase umgestellt werden.

Haben die Ei­gen­tü­me­r:in­nen dann keine Möglichkeit dazu, weil in ihrer Gemeinde beispielsweise kein Wasserstoffnetz existiert, müssen sie die 65-Prozent-Regel anderweitig erfüllen. Weil diese Gasheizungen deshalb möglicherweise zum Problem werden, sollen sich die Eigentümer vor dem Einbau verpflichtend beraten lassen.

Bis spätestens 2026 (große Städte) und 2028 (kleine Städte) müssen alle Kommunen auch eine Wärmeplanung ausarbeiten. Damit erfahren die Immobilienbesitzer:innen, ob es bei ihnen ein Fernwärmenetz geben wird, an das sie sich anschließen können. Auch die mögliche Versorgung mit Wasserstoff dürfte sich dann abzeichnen. Werden solche öffentlichen Netze aber nicht errichtet, müssen die Ei­gen­tü­me­r:in­nen selbst für die Einhaltung der 65-Prozent-Regel sorgen.

In der verpflichtenden Wärmeplanung der Kommunen liegt ein wesentlicher Unterschied zum ursprünglichen Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium des Grünen Robert Habeck. Der andere Unterschied: Habeck wollte neue Erdgasheizungen nur noch in Kombination mit Ökotechnologie zulassen. Nun können jahrelang Gasbrenner eingebaut werden, die zunächst ausschließlich fossiles Erdgas verbrennen.

Damit die Haus­be­sit­ze­r:in­nen an diesem Gesetz nicht bankrottgehen, lobt die Koalition neue Zuschüsse aus. Bis zu 70 Prozent der Investitionskosten können vom Staat als Unterstützung fließen.

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7 Kommentare

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  • Ok., damit haben wir den Lock-In auf Luftwärmepumpen mit Zusatz-Stromdirektheizung (diese Kombination wird dominieren, aus Kostengründen und wegen kurzfristiger, aber längerfristig nur scheinbarer Verfügbarkeit).



    Die Folgen bezüglich Stomerzeugung, Stromverteilung und Netzstabilität sind absehbar.



    Fast hätte ich geschrieben: Ich sorge wohl besser mal für eine ausreichende Popcornversorgung. Mich betrifft's ja nicht, ich sitze ja in einer solarautarken Bude. Aber leider muss ich für den Blödsinn auch noch Steuern abdrücken...

  • Immerhin, ist das Gesetz jetzt durch. Aber, da muss gefördert werden, um etwas sonnenklares in Bewegung zu setzen.

    Benachteiligt werden diejenigen, die frühzeitig kostenbewusst umgesetzt haben und mit der EEG Umlage zusätzlich bestraft wurden.

    Die Förderungen verhindern einen Preiswettbewerb bei den Anlagen. Die Installationsbetriebe drücken weiter riesige Anlagen in die Keller.

  • Laut einem Artikel im Focus sparen wir mit dem Heizungsgesetz etwa 40 Mio Tonnen CO2 von 2022 bis 2030. Das ist ungefähr das, was China pro Tag (!) ausstösst (knapp 12 Mrd Tonnen CO2). Und vermutlich sich die Zahlen Chinas noch geschönt.

    Ich frage mich, ob es das wert ist. Die gesellschaftlichen Verwerfungen, der Verlust der Glaubwürdigkeit in die Politik und das Erstarken der Blauen. Verbunden mit Auswirkungen auf die ohnehin schwächelnde Wirtschaft.

    M.E. gibt es eine intelligentere Möglichkeit, nämlich CO2-Emissionshandel. Alles, was CO2 emittiert muss Zertifiakte kaufen, incl. pfurzender Kühe, Gas und Öl. Der Markt regelt den Rest. CO2-arme Technologien werden sich durchsetzen. Es ist sogar sozial. Menschen wie ich, die - berufsbedingt und privat - viel Autofahren, oft fliegen oder große Häuser haben, zahlen mehr. Soziale Härten können über existierende Methoden des Sozialstaates abgefedert werden.

    Ich frage mich, was dagegen spricht. Weniger Bürokratie, mehr Umweltschutz und letztlich mehr Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

    • @FreeToChoose:

      "Ich frage mich, was dagegen spricht."

      Vielleicht dass ein winziges Virus in 2 Monaten mehr für die Treibhausgasreduktion getan hat als mittlerweile fast 20 Jahre EU-Emissionshandel?

    • @FreeToChoose:

      Gas aus Schurkenstaaten teuer einzukaufen, darf niemals eine gesellschaftlich akzeptierte Alternative sein. Und wenn wir weniger Waren aus China beziehen, sinkt der CO2-Ausstoß ebenfalls. Die chinesischen Bürger sind nicht die größten CO2-Verursacher. Das sind die Käufer chinesischer Produkte.

  • Na, da wissen unsere Neuwähler hoffentlich welche Partei für eine sichere und freiheitliche Zukunft zu Wahlen ist. Den älteren Damen Herren sei es nachgesehen, bereits im Zeitraum der zurückliegenden Drei Jahrzehnte im Bewusstsein des Klimawandels auf regenerative Investitionen verzichtet zu haben, und die jetzt ebenfalls mit den Ausnahmeregelungen beizubehalten.



    Vor allem die Immobilieninvestoren konnten Ihre Jahrzehnte lang gespalten regenerativen Investitionen hoffentlich sinnvoll ins Trockene bringen.

  • Stromdirektheizung mit dem aktuellen Strommix? Da sind aber keine 65% möglich. Das geht vermutlich nur mit grünem Strom, schon weil Atomstrom nicht CO2 neutral ist. Werden die Versorger liefern um diesen hochwertigen Strom für ineffiziente Heizzwecke einzusetzen?



    Wie sieht es mit Biomasse aus? Das ging im Artikel vollständig unter, oder hab ich da etwas übersehen.



    Bei Austausch eines Gas oder Ölbrenners darf der Kessel weiterbetrieben werden, auch wenn er älter als 30 Jahre ist, soweit die Abgaswerte und Wirkungsgrade passen?



    70% Zuschüsse sind im Zusammenhang der europäischen Förderrichtlinien möglich?



    Wird es weiterhin eine Bürokratieschlacht mit dem BAFA geben, bei bis zu einjähriger Vorauszahlung des Investors, da das BAFA mit der Bearbeitung nicht nachkommt?



    Warum gibt es keine Förderung für vermiedene Heiztechnik; Nullenergie oder Plusenergiehaus?



    Weiterhin keine geförderte quartiernahe Energienutzung möglich! Kein Energysharing möglich!



    Da hat die FDP mal wieder die Innovationen übersehen.



    Was los mit der kellereigenen kalten RWE Fusion?



    Förderung von Speichertechnologie? Förderung bidirektionaler Einspeisung von Transverenergie?



    Förderung von Balkon und Rideportanlagen?



    Da ist die SPD und die FDP mal wieder reichlich auf die Bremse gestiegen. Vielen Dank auch an diese Adressaten für den verzögerten Umbau, der uns zukünftig zusätzliche Katastrophenkosten und Austauscheffizienzverluste volkswirtschaftlich bescheren wird.