Machtkampf in Südkorea: Oppositionsführer im Hungerstreik

Der geschwächte Oppositionsführer lässt sich nicht vom Hungerstreik abbringen. Nun ist er im Krankenhaus. Justiz will ihn anklagen.

Politiker Lee Jae-myung winkt bei einer Veranstaltung.

Lee Jae-myung bei einer Demo gegen die Einleitung des Fukushima-Kühlwassers in den Pazifik Foto: Chris Jung/NurPhoto/imago

BERLIN taz | Der wichtigste südkoreanische Oppositionsführer Lee Jae-myung ist am Montagmorgen, am 19. Tag seines Hungerstreiks, gegen 7 Uhr Ortszeit in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Der Diabetiker leidet nach Angaben von Parteifreunden unter Schwindelanfällen und sehr niedrigem Blutzucker. Der linksliberale Politiker sei zwar bei Bewusstsein und nicht mehr in Lebensgefahr, aber am Rande des Deliriums.

Der 58-Jährige ist Parlamentsabgeordneter und Vorsitzender der Demokratischen Partei (DPK) und unterlag bei der Präsidentschaftswahl im März 2022 nur knapp dem heutigen Präsidenten Yoon Suk-yeol. Lee begann seinen unbefristeten Hungerstreik am 31. August in einem Zelt vor dem Parlament und verlegte diesen zwei Wochen später in sein Abgeordnetenbüro.

Der Grund der Aktion: Lee fordert eine öffentliche Entschuldigung des erzkonservativen Yoon für dessen „Missachtung der Demokratie“, dass Südkoreas Regierung beim Nachbarn Japan gegen dessen Einleitung von schwach-radioaktivem Wasser aus dem Katastrophenreaktor Fukushima in den Pazifik protestiert, sowie einen Rücktritt des gesamten südkoreanischen Kabinetts nach dessen mittlerweile erstem Amtsjahr.

Bisher hat sich Lee auch Aufforderungen zahlreicher Parteifreunde verweigert, den Hungerstreik zu beenden. Etliche DPK-Abgeordnete waren an seinem Lager mit entsprechenden Schildern aufgetaucht. Einige von ihnen kritisierten seine Aktion in den Medien, nicht nur hinter vorgehaltener Hand. Ein Artikel der englischsprachigen Korea Times merkte an, dass die Forderungen Lee keinen Ausweg ließen, bei dem er sein Gesicht bewahren würde.

Vurwurf der Korruption und Pflichtverletzung

Nur wenige Stunden nach seiner Verlegung in das Krankenhaus, wo Lee weiterhin die Nahrung verweigert, beantragte die Staatsanwaltschaft in Seoul Haftbefehl gegen ihn. Die Vorwürfe: Korruption und Pflichtverletzung.

Seit seiner Wahlniederlage 2922 werden Lee Vorgänge aus seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt Seongnam südlich der Hauptstadt und als Gouverneur der Provinz Gyeonggi-do vorgeworfen.

So soll er zwischen 2014 und 2017 einem Immobilienunternehmen erlaubt haben, statt Mietwohnungen Eigentumswohnungen zu bauen. Als Gouverneur der an Nordkorea grenzenden Provinz soll er von 2019 bis 2020 über einen Unterwäschefabrikanten acht Millionen Dollar nach Nordkorea transferiert haben, um dort einem Kooperationsprojekt zum Durchbruch zu verhelfen.

Lee weist die Vorwürfe zurück. Er wirft der Regierung von Yoon, einem früheren Generalstaatsanwalt, eine „Diktatur von Staatsanwälten“ vor.

Abgeordnete wollen Lees Immunität nicht aufheben

Doch die Anklagen gegen Lee werden nur wirksam, wenn die Nationalversammlung seine Immunität als Abgeordneter aufhebt. Die DPK hat dort aber eine klare Mehrheit und hatte sich bereits im Februar geweigert, Anklagen gegen Lee zuzulassen.

Präsident Yoon, dessen Beliebtheit wegen einer missglückten Kabinettsumbildung gerade in Umfragen weiter gesunken ist, hat Lees Hungerstreik bisher nicht kommentiert. Vielmehr flog er am Montag zur UN-Vollversammlung ins US-amerikanische New York ab. Dort dürfte er die jüngste Annäherung zwischen Nordkorea und Russland geißeln.

Hungerstreiks Oppositioneller sind in Südkoreas Politik, die reich an ritualisierter Theatralik ist, nicht selten – und ebenso Versuche der Regierenden, sich an politischen Gegnern mittels der Justiz zu rächen.

Das Besondere an Lees Hungerstreik ist, dass seine DPK als größte Fraktion eigentlich über viele Machtmittel verfügt und ein Hungerstreik deshalb nicht nötig sein sollte. Lees derzeitiger Zustand schützt ihn allerdings auch vor weiteren Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft.

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