piwik no script img

Kommandeur einer Sabotage-GruppeNeonazi-Russe in finnischer Haft

Ein russischer Neonazi ist in einem finnischen Gefängnis inhaftiert. Der Fall ist für Putin wegen seines Entnazifizierungs-Narrativs brisant.

Seit einem Monat schon sitzt der russische Neonazi Jan Petrowski im finnischen Gefängnis Vaanta ein Foto: CC

BERLIN taz | Es war ein Ortstermin der besonderen Art für einige Mitarbeiter der russischen Botschaft in Finnland: Am Montag statteten sie dem örtlichen Gefängnis der Stadt Vaanta einen Besuch ab, um sich mit dem russischen Neonazi „Woislaw Torden“ zu treffen.

Bei dem 36-Jährigen handelt es sich um den russischen Staatsbürger Jan Petrowski – einer der Kommandeure der neonazistischen Sabotage- und Aufklärungsgruppe Rusitsch. Er sitzt seit über einem Monat in Vantaa ein. Während des Treffens habe sich der Inhaftierte weder über die Bedingungen noch die Umstände seiner Haft beschwert. Er habe den Wunsch geäußert, möglichst bald nach Russland zurückzukehren, heißt es in einer Erklärung der Botschaft.

Petrowski (auch bekannt unter dem Namen „der Slawe“) soll seit 2014 an Kampfhandlungen in der Ukraine beteiligt gewesen sein. Kyjiw beschuldigt ihn, in den Gebieten Luhansk und Donezk Kriegsverbrechen begangen zu haben – darunter Folter und Mord an ukrainischen Kriegsgefangenen. Die Ukraine fordert daher Petrowskis Auslieferung. Die Vorgeschichte seiner Festnahme liest sich wie ein schlechter Roman. Noch in den Nullerjahren lebte er mit einem Aufenthaltstitel in Norwegen. 2016 wurde er nach Russland abgeschoben, verbunden mit einem Einreiseverbot für alle Schengenstaaten.

In Russland änderte der Neonazi seinen Namen – aus Jan Petrowski wurde Woislaw Torden. 2023 erhielt seine Frau eine Studienerlaubnis für Finnland, Petrowski durfte als Angehöriger mit einreisen und erhielt einen Aufenthaltsstatus. Am 20. Juli 2023 schnappte die Falle zu. Petrowski wurde am Flughafen von Helsinki festgenommen, er war auf dem Weg nach Nizza. Laut Informationen des finnischen Fernsehsenders YLE hatten ihn die Grenzbeamten eindeutig identifiziert. Bei einem ersten Gerichtstermin am vergangenen Freitag gab Petrowski laut finnischen Medienberichten zu Protokoll, in Finnland politisches Asyl beantragen zu wollen. Der Richter lehnte ab und verlängerte stattdessen die Haftdauer.

Geburtstagsgrüße an Adolf Hitler

Am selben Tag meldeten sich Mitglieder von Rusitsch zu Wort und verkündeten, sich so lange nicht mehr an Kampfhandlungen in der Ukraine zu beteiligen, bis die Russische Föderation Petrowskis Überstellung durchgesetzt habe. Zwei Tage später riefen sie ihre Anhänger über den hauseigenen Telegram-Kanal dazu auf, Russlands Botschafter in Finnlands nicht mehr schriftlich zu bedrohen, denn der habe sich bereits an die Arbeit gemacht.

Rusitsch kämpfte 2014/15 im Donbass auf der Seite der prorussischen Kämpfer in den sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk. 2017 beschuldigte der ukrainische Militärstaatsanwalt den „Oberkommandierenden“ Aleksei Miltschakow des Mordes an 40 Angehörigen des Militärs. Ab April 2022 war die Truppe im Charkiwer Gebiet aktiv und wurde im selben Jahr von den USA sowie der EU auf ihre Sanktionslisten gesetzt. Im April 2022 richtete ein Mitglied Adolf Hitler über den Telegram-Kanal von Rusitsch Geburtstagsgrüße aus.

Die Vorgänge rund um Petrowski rufen zahlreiche Kom­men­ta­to­r*in­nen auf den Plan – darunter auch Alexander Chodakowski, militärischer Anführer in der „Volksrepublik Donzek“. Wie solle man mit Menschen umgehen, „die sich zur selben Ideologie wie unser Feind bekennen, gleichzeitig aber auf unserer Seite der Barrikaden stehen?“, zitiert ihn das Sankt Petersburger Internetportal Fontanka.ru.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Putin hat eine solche Wolke Lügen und verdrehter Wahrheiten um sich herum, da ist schwer zu sehen, wie dieser einzelne Faktor für ihn brisant sein könnte. In der Sache ist es ja richtig, dass es für ihn eigentlich brisant sein müsste. In der Liga der Sachlichkeit spielt er allerdings schon lange nicht mehr. (Dahin wird ihn auch ein Chodakowski nicht zurückbringen.)

  • Kleine Zwischenbilanz zum Thema "Ultrarechte Kriegstrieber machen Druck und sind schlimmer als Putin".



    Prigoschin und Utkin hat Putin liquidieren lassen, Wagner als Struktur wird aufgelöst.



    Girkin: In U-Haft wegen "Diskreditierung der Russischen Armee". Seine "Vereinigung aufgewühlter Patrioten" hat sich nach Girkins Verhaftung als weitgehend virtuelles Internetprojekt, und soweit real, als völlig zahnlos erwiesen. Girkins Ehefrau schreibt Petitionen an Putin im Stile "Genosse Stalin, es ist ein schrecklicher Fehler passiert, der Falsche wurde verhaftet", und veröffentlicht sie auf Telegramm, zusammen mit Dienstzeugnissen und Bildern der vielen Orden, den ihr Mann vom Regime erhalten hat. Die verstörten Patrioten Moskaus haben ganz brav eine Demo angemeldet und die wurde nicht genehmigt, "aufgrund der aktuell in Moskau geltenden Corona-Verordnung" (sic, und: LOL). Ja ist klar, Bürgermeister Sobjanin hat's verboten, dann können sie natürlich nicht demonstrieren gehen.



    Rusitsch: veröffentlicht trotzige Internetbotschaften rum und streikt (angeblich), damit Russland den Kommendeur Petrowski raushaut. Natürlich kann Russland den Neonazi Petrowski nicht raushauen, und will das auch gar nicht. Die aktuell aktiven Rusitsch-Kämpfer werden also entweder weiterkämpfen, oder falls wirklich jemand zu "streiken" versucht, in einem Strafbataillon landen (oder direkt im Jenseits).

  • "Am selben Tag meldeten sich Mitglieder von Rusitsch zu Wort und verkündeten, sich so lange nicht mehr an Kampfhandlungen in der Ukraine zu beteiligen, bis die Russische Föderation Petrowskis Überstellung durchgesetzt habe."

    Ja, dann, Finnland - liefern!



    Rechtsweg in allen Details durchexerzieren. Ukraine und Den Haag klären lassen, wer Anspruch auf Petrowski hat. Alles mit der nötigen Ruhe und Gründlichkeit. Jedes Detail abwägen. Alles, was nicht geheimgehalten werden muss, in aller Länge und Breite der Presse erzählen. Rechtsstaatlichkeit und Transparenz demonstrativ vor den Augen der Welt ausleben, bis der weiße Zar blutige Tränen weint.

    Putins Jungs mit der Schwarzen Sonne im Abzeichen sind wohl gerade im Großraum Tokmak unterwegs. Und Putin hat das Zapad-Manöver mangels Reservetruppen abgeblasen. Eher hyperventiliert sich Medwedjew ins sozialverträgliche Frühableben, als dass irgendetwas auf Finnland zurückfällt.