Aufarbeitung rechter Gewalt in Duisburg: Erinnerung nach 39 Jahren
1984 sind sieben Menschen nach einem Brandanschlag in einem Wohnhaus gestorben. Nun löst eine Gedenktafel Diskussionen über Rassismus aus.
BERLIN taz | Bei einem Brandanschlag in der Nacht vom 26. zum 27. August 1984 brannte in Duisburg-Wanheimerort ein Wohnhaus, in dem hauptsächlich Einwanderer aus der Türkei lebten. Sieben Menschen kamen dabei ums Leben, 23 weitere wurden verletzt. Laut Medienberichten soll zuvor ein Hakenkreuz an die Hauswand geschmiert worden sein.
Trotzdem schlossen die Ermittler und Staatsanwaltschaft schnell ein politisches Motiv aus. Fast zehn Jahre wusste niemand, wer für die Tat verantwortlich war.
Am 26. Januar 1993 brannte eine Unterkunft für Geflüchtete in Duisburg-Hamborn, glücklicherweise kam niemand ums Leben. Auch hier war die Ursache Brandstiftung. Eine Täterin konnte diesmal schnell ausgemacht werden: Evelin D. Sie gestand später vor Gericht, dass sie auch für den Brand 1984 verantwortlich war.
Obwohl in beiden Fällen Menschen mit Migrationshintergrund Ziele der Brandanschläge waren, hat das Gericht als Motiv Rassismus ausgeschlossen und stattdessen Pyromanie festgestellt. Evelin D. wurde für unzurechnungsfähig erklärt und kam in die Psychiatrie. Dort verstarb sie 2010.
Gedenktafel zur Erinnerung
Die Angehörigen der Verstorbenen empfinden das Vorgehen der Behörden und das Urteil bis heute als „entwürdigend“. Gemeinsam mit anderen politisch Aktiven engagieren sie sich in der Initiative Duisburg 1984 für eine Aufarbeitung der Ermittlung. Bei einem für alle Stadtbewohner*innen offenen Gedenksymposium am 25. August diskutieren Angehörige und Expert*innen darüber, wie in Duisburg an rassistische Gewalttaten erinnert werden soll.
Der erste Schritt wird die Anbringung einer Gedenktafel am 26. August sein. 39 Jahre nach der Tat wird es einen Ort geben, der klarstellt, dass das Motiv „Rassismus“ nicht konsequent überprüft wurde und die Tat nicht ausreichend aufgeklärt sei. Die Brandermittler der Polizei Duisburg und der ehemalige Rechtsanwalt der Täterin sind gegenteiliger Meinung. In einem Beitrag des WDR äußerten sie, dass sie bis heute nicht von einem politischen Motiv ausgehen. Im selben Beitrag wird berichtet, dass Evelin D. in über 50 Fällen von Brandstiftung verantwortlich sei.
Leser*innenkommentare
tomás zerolo
@CHRISTIAN29
Das ist doch genau der grosse Quatsch, hinter dem sich die Behörden verstecken.
Niemand fackelt eine Bude ab aus genau einem Grund: es gehören mehrere Faktoren dazu. Psychische Instabilität vielleicht. Aber auch z.B. die feindliche Einstellung der Umgebung einer Minderheit gegenüber.
Aufgabe des Gerichts und der Polizei ist es eben, möglichst *alle* Faktoren aufzuarbeiten, und nicht beim erstbesten passenden aufzuhören.
Sonst können Sie sagen "Herr Wachtmeister: der hat das Haus nicht angezündet, weil er was gegen Ausländer hatte, sondern weil er Streichhölzer dabei hatte".
So ein Blödsinn aber auch.
Martin Rees
Natürlich kann man auch Rechtsgrundsätze hinterfragen, in bestimmten Zusammenhängen ist auch nicht alles in Stein gemeißelt. Ermittlungen post mortem sind allerdings schon aus guten Gründen geregelt, denn sie können auch für Angehörige nicht nur entlastend, sondern belastend sein. Vielleicht gibt es noch alte Dokumente oder Zeitzeugen, aber die Bewertung der Gutachten ist m.E. schon Fachleuten zu überlassen.
In jüngster Zeit machte ein alter Fall Furore, in dem es um unaufgeklärte Morde ging (ndr.de):
"Keine Ermittlungen gegen den Toten
Gegen Tote, so will es das Gesetz, darf nicht ermittelt werden. Die Akte wird geschlossen, die Verfügung wird getroffen, alle Asservate zu vernichten. Ein nicht wieder gut zu machender Fehler. Man hätte weiter ermitteln können und müssen. Denn Wichmann hatte wahrscheinlich Mittäter: ..."
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Auch die Schweigepflicht wirkt über den Tod hinaus:
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"Sowohl berufsrechtlich als auch strafrechtlich unterliegen Ärztinnen und Ärzte der Schweigepflicht. Korrespondierend zu dieser Schweigepflicht kennt die Rechtsordnung auch ein Schweigerecht. So gibt es besondere Vorschriften, nach denen Ärzte die Aussage vor Gericht verweigern dürfen, wenn sie zuvor nicht vom Patienten von ihrer Schweigepflicht entbunden wurden.
Schweigepflicht gilt auch post mortem
Die Schweigepflicht wirkt auch über den Tod des Patienten hinaus. Dabei gilt, dass Stillschweigen nicht nur über die Details der Behandlung, wie Diagnose oder Therapie, zu bewahren ist. Bereits der Umstand, dass und ob sich ein Patient in der Behandlung des Arztes befunden hat, unterliegt der Schweigepflicht. Andernfalls würde der Arzt bereits durch Berufung auf seine Schweigepflicht das Behandlungsverhältnis offenbaren."
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aerztestellen.aerz...ie-schweigepflicht
Christian29
Die Tatsache, dass die Frau für über 50 Brandanschläge verantwortlich ist, von denen zwei Migranten betrafen, von mehr ist im Artikel auf jeden Fall nicht die Rede, spricht doch gegen ein rassistisches Motiv und viel eher für die Annahme, das es sich bei der Frau um eine Pyromanin handelt.
tomás zerolo
Rassismus? Nöööööö. Doch nicht bei uns.
aberKlar Klardoch
schöner Beitrag, aber ich vermisse die Differenzierung zwischen Rassismus und Islamhass(-phobie). Beobachtet und analysiert man die Hetze/Brandanschläge der letzten Jahrzehnte so erkennt man recht schnell, dass es sich vorwiegend um Menschen mit muslimischen Hintergrund handelt. Warum benennen wie es nicht bei Namen - es ist schlichtweg Islamhass der sich mit zunehmender Geschwindigkeit hier in bestimmtem Schichten der deutschen Gesellschaft ausbreitet!
Ajuga
@aberKlar Klardoch Das war 1984, und das angezündete Haus war so ein "Ausländerhaus", wo Menschen aus der Türkei und aus Jugoslawien lebten.
Einer der letzteren wurde als vermeintlicher Täter - unter dem Vorwurf, er würde zu dem gehörten, was die Rechtsparteien heutzutage als "Clans" bezeichnen - monatelang in U-Haft gehalten. (Gab es da jemals eine Entschädigung?)
Der Hass auf Muslime im Speziellen ist eine neuere Entwicklung, bei deren Etablierung Gruppen wie "Pro Köln" usw federführend waren. Das ging nicht vor Ende der 1990er los.
Davor hatte man es mit Leuten zu tun, die in einer ungebrochenen Tradition der originalen NSDAP-Nazis standen, also mit eliminatorischem Antisemitismus usw als Kerninhalte, wozu sich heutzutage allenfalls noch die NPD öffentlich traut. Die "Neue Rechte" gab es 1984 noch nicht, die ging erst aus dem Aufgreifen des CDU/CSU-Alltagsrassismus (selbst ein Scharfmacher wie Zimmermann würde heutzutage links vom CSU-Mainstream stehen) der Szene und Kubitscheks rechtsgramscistischer Ideologie ("Eroberung des vorpolitischen Raumes") hervor.
Der zentrale "Vordenker" der deutschen "Neuen Rechten" war zum Zeitpunkt des Duisburger Anschlags ein schnöseliger Teenager mit einer Handvoll Haaren am Sack, dem Figuren wie "SS-Siggi" und Kühnen mit seiner "ANS/NA" zu prollig waren, und die "Junge Freiheit" gab es noch nicht.