Filmempfehlungen für Berlin: Von der Bühne zum Set

Altes und Neues im Kino: Deutsches Sci-Fi-TV aus den 60ern auf der Leinwand, griechische Mythen in der Jetztzeit und britisches Theater als Film.

Schwarz-Weiß-Bild aus der TV-Senung "Raumpatrouille": Ein rungeformtes Raumschhiff steigt aus einem Strudel im Meer auf. Am Himmel sind Wolken zu sehen.

Das Raumschiff Orion startet im Meer Foto: Bavaria Film

Auf der Erde haben die Menschen ihre Differenzen beigelegt, Nationalstaaten gibt es nicht mehr. Das bedeutet allerdings nicht, dass es in der legendären deutschen Fernsehserie „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion (1966) nun keine Probleme mehr gibt: Schließlich lauern im Weltall überall Gefahren – vor allem böse Aliens, die hier seltsamerweise Frogs heißen. Aber Commander McLane (Dietmar Schönherr) und die Crew des schnellen Raumkreuzers Orion werden die Sache schon in den Griff bekommen. Und zwischendurch haben sie alle auch immer wieder Zeit genug, im Starlight-Casino zum „New Astronautic Sound“ des Peter-Thomas-Sound-Orchesters zu tanzen – sehr stilvoll!

Die sieben einstündigen Folgen der Orion-Abenteuer waren für die Entstehungszeit ausgesprochen aufwändig in Szene gesetzt: Sie wurden unter Leitung des Filmarchitekten Rolf Zehetbauer bei der Bavaria in München sehr clever und modern gestaltet und bieten deshalb bis heute weit mehr als nur albernes Camp-Entertainment. Mittlerweile ist die „Raumpatrouille“ auch digital restauriert, dem Abheben der Orion aus dem Meer (im filmgerecht aufgearbeiteten Geblubber von Alka-Seltzer-Tabletten) steht also auch im Freiluftkino nichts im Weg (Raumpatrouille 1-4, 30.8., 19.45 Uhr; die Folgen 5-7 am 3.8., 20 Uhr, Freiluftkino Friedrichshain).

Die Filme des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos und seines Ko-Autors Efthymis Filippou sind vor allem ein intellektuelles Vergnügen. In „The Killing of a Sacred Deer“ (2017) variieren sie einen bekannten Mythos der Antike, den der Dramatiker Euripides in seiner Tragödie „Iphigenie in Aulis“ verarbeitete: Weil der Heerführer Agamemnon die heilige Hirschkuh der Artemis getötet hat, schickt die Jagdgöttin der zum Krieg gegen Troja aufgebrochenen griechischen Flotte eine Windstille. Diese kann nur beendet werden, wenn Agamemnon bereit ist, seine eigene Tochter Iphigenie zu opfern.

Die Filmemacher überführen diesen Mythos in eine rabenschwarze Komödie mit Elementen übernatürlichen Horrors: Colin Farrell spielt hier den Herzchirurgen Steven, der einst in trunkenem Zustand und mit tödlichen Folgen den Vater des 16-jährigen Martin (Barry Keoghan) operiert hatte. Dieser wiederum „verflucht“ die Familie von Steven, dessen Kinder plötzlich an mysteriösen Lähmungserscheinungen leiden. Schließlich erläutert der Junge, dass dieser Fluch nur gebrochen werden kann, wenn Steven als Ausgleich für den Tod von Martins Vater eines seiner eigenen Familienmitglieder opfert – ansonsten werden sie alle sterben.

In der Selbstüberschätzung

Die Darsteller des absurden Dramas sind dabei gut gewählt: Colin Farrells Selbstüberschätzung kaschiert nur mühsam den erbärmlichen Wicht, den er verkörpert, und dem jungen Barry Keoghan gelingt es perfekt, hinter einer netten Fassade das verstörend Unheimliche seiner Figur durchscheinen zu lassen (25.8., 20 Uhr, KLICK Kino).

Britisches Theater in einer deutschen Filmbearbeitung: „Die Unschärferelation der Liebe“ beruht auf dem 2015 erstmals aufgeführten Bühnenstück „Heisenberg“ des Stardramatikers Simon Stephens und erzählt, wie sich die ebenso forsche wie nicht immer wahrheitsliebende Schulsekretärin Greta mit Macht in das Leben des in Routinen erstarrten Metzgers und Beinahe-Pensionärs Alexander drängt.

Seine Theaterherkunft leugnet der Film von Lars Kraume nicht und kann sich dabei stets auf die gestandenen Bühnen-, Film-, und Fernsehstars Caroline Peters und Burkhart Klaußner verlassen, die ihren Figuren immer wieder überraschende Facetten abzugewinnen wissen (28.8., 18 Uhr im Bundesplatz Kino; 27.8., 18.15 Uhr, 28.8.-29.8., 13.15 Uhr, 30.8., 13 Uhr im Union Filmtheater; 25.8., 17.30 Uhr, 28.8., 18 Uhr im Babylon Mitte).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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