Claudia Roth in Indien: Reisende auf der Jewish Route

Die Staatsministerin reist zur Einweihung des Jüdischen Gemeindehauses nach Mumbai. Die kulturelle Kooperation mit Indien soll vertieft werden.

Claudia Roth unterhält sich mit dem Rabbiner Israel Kozlovsky im jüdischen Gemeindezentrum von Mumbai

Kulturstaatsministerin Claudia Roth im jüdischen Gemeindezentrum von Mumbai Foto: Shantanu/Israelisches Konsulat Mumbai

MUMBAI taz | Gepanzerte Fahrzeuge nehmen sie schützend in ihre Mitte. Die Knesset-Eliyahoo-­Synagoge liegt versteckt in den Gassen von Mumbais kolonial geprägter Altstadt. Umgeben von Cafés und Ateliers, verleiht sie dem Stadtteil besonderen Charakter. Und sie ist nur ein Teil des verborgenen, aber reichen jüdischen Erbes der Millionenstadt am Arabischen Meer.

Lange war Indien eines der wenigen Länder, wo strikte Sicherheitsmaßnahmen gegen antisemitische Anschläge nicht üblich waren. Dies änderte sich am 26. November 2008, als das jüdische Zentrum Nariman House ein Ziel der viertägigen Anschlagsserie in Mumbai wurde.

Auf ihrem Weg zum G20-Treffen der Kul­tur:­mi­nis­te­rin­nen in Nordindien besuchte Staatsministerin Claudia Roth sowohl die Synagoge als auch das jüdische Zentrum. Es war ihr erster Besuch in Mumbai, bei dem sie der Toten der Anschläge mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gedachte.

Die Spuren jüdischen Lebens in Indien führen über 2.000 Jahre zurück. Jüdische Händ­le­r:in­nen kamen vermutlich mit dem Schiff in der südlichen Hafenstadt Kochi an. Seither wanderten weitere Personen jüdischer Herkunft nach Indien ein. Sie ließen sich oft in Hafennähe nieder (wie in Kalkutta und Bombay, dem heutigen Mumbai). Beeindruckende Bauwerke zeugen bis heute davon, wie eng sie mit der indischen Kultur im Austausch standen.

Sieg des Friedens

Um ihre Geschichten am Leben zu erhalten, initiierte das israelische Generalkonsulat gemeinsam mit der Regierung des westindischen Bundesstaats Maharashtra die Jewish Route. Sie soll jüdische Stätten für Reisende aus aller Welt einbinden.

Einige Orte konnten dank privater Förderungen bereits instand gesetzt werden, etwa die blaue Synagoge, die David-Sassoon-Bibliothek oder das Nariman House. Auf der Einweihungsfeier diese Woche bezeichnete Claudia Roth die Jewish Route als „wichtige Idee“. Insbesondere die Wiedereröffnung 2014 des Gemeindehauses, das einer der über 20 Orte des Pfads ist, sei ein „Sieg des Friedens über die Gewalt“.

In einem Stockwerk erinnern die Einschusslöcher an das erschütternde Ereignis von 2008, bei dem Rabbiner Gavriel Holtzberg und seine Frau Rivka umkamen. Die Gemeinde feiert im Zentrum heute wieder Feste. (Anders als früher übernachtet aber niemand mehr dort.) Die erfolgreiche Wiederbelebung des Gemeindezentrums zeige, „wie wichtig es ist, gemeinsam aufzustehen und Stellung gegen Terrorismus zu beziehen“, sagt Roth in ihrer Rede vor der Gemeinde und Gästen.

Die Idee zur Jewish Route entstand, nachdem Angehörige der jüdischen Gemeinde in Sorge waren, dass ihr Friedhof in Pavel einem Bauprojekt weichen muss, sagt der israelische Generalkonsul Kobbi Shoshani. Sein Anliegen ist, das jüdische Erbe in Mumbai zu schützen: „Die junge Generation wandert aus, in einigen Jahren werden nur noch wenige Jü­d:in­nen in Indien leben.“ Um öffentliche Gebäude, ­Synagogen und Friedhöfe zu erhalten, „müssen wir diese Orte mit Leben füllen“, erklärt Shoshani gegenüber der taz.

Ukraine auch thematisiert

Dafür habe er Partner gefunden. So erwägt auch das deutsche Generalkonsulat, sich an der Restaurierung des Friedhofs Chinchpokli zu beteiligen. Persönlichkeiten der indisch-jüdischen Gemeinde sowie Jüd:innen, die aus Europa vor dem Holocaust nach Indien flohen, liegen hier begraben. Mit der indischen Unabhängigkeit 1947 und der Gründung Israels 1948 verließen viele geflüchtete Jü­d:in­nen das Land wieder. All diese Erinnerungsorte sind Teil der Jewish Route. Sie basiert auf den Recherchen des Historikers Shaul Sapir.

Roth möchte unterdessen die Zusammenarbeit mit Indien auch im kulturellen Bereich vertiefen, sagt sie der taz. Bisher konzentrierten sich die häufigen Indienbesuche aus Berlin meist auf wirtschaftliche Themen, strategische Partnerschaften oder Fachkräfteeinwanderung. Auf Roths Programm dagegen standen Gespräche mit Ver­tre­te­r:in­nen der Filmbranche und Frauen aus der Kulturszene.

Auch die angespannte politische Weltlage ist bei ihrem Besuch ein Thema. Die G20-Treffen stünden seit Februar 2022 unter dem Eindruck des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, betont Roth. Das zog sich bereits durch zahlreiche Treffen und wird wohl auch das G20-Gipfeltreffen Mitte September in der indischen Hauptstadt Delhi dominieren.

Der russische Angriffskrieg sei „ein Krieg gegen die kulturelle Identität der Ukraine“, sagt die Grünen-Politikerin. Deshalb müsse diese Botschaft auch in Indien vermittelt werden. Mit dieser Aufforderung reiste Roth weiter nach Varanasi zum G20-Treffen.

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