piwik no script img

Die DFB-Auswahl nach der WMKeine Breite ohne Spitze

Für den DFB war die Frauenfußball-WM ein Desaster. Doch das große Aufräumen bleibt aus – dabei ist das Nationalteam so wichtig.

Alexandra Popp ärgert sich nach einer vergebenen Torchance im Spiel gegen Südkorea Foto: Eibner-Pressefoto/imago

Es war dann schnell vorbei. Schneller als alle erwartet hatten. Mit dem Vorrundenaus der deutschen Auswahl bei der Weltmeisterschaft hatte nun wirklich niemand gerechnet. Zu leicht schien die Gruppe mit Gegnern aus Südkorea, Kolumbien und Marokko. Einen Rückflug hatte man sich erst gar nicht reserviert für diesen frühen Zeitpunkt.

DFB-Chef Bernd Neuendorf hatte sich für das Achtelfinale angekündigt. Er musste dann zu Hause bleiben und hat von dort aus Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg eine Weiterbeschäftigungsgarantie gegeben, noch bevor die Gründe für das frühe Scheitern analysiert waren. Die Trainerin selbst hat dann auch gesagt, dass sie weitermachen möchte. Damit war das Thema vom Tisch.

Kaum einer redete mehr über die große Krise des Fußballs der Frauen im Lande. Der Großteil der WM-Reporterinnen aus Deutschland reiste ab, als wäre mit dem Aus der Deutschen auch der Frauenfußball insgesamt zu Grabe getragen worden. Während in Australien und Neuseeland das Turnier weiterlief, beschäftigte sich die Fußballnation Deutschland mit Harry Kane oder schaute sich auf Social Media irgendein Tor von Lionel Messi gegen irgendeinen Klub aus den USA an, von dem zuvor kaum jemand je gehört hatte.

Ein gutes Jahr lang war der Frauenfußball in Deutschland in aller Munde. Die Europameisterschaft in England mit dem Finale gegen die Gastgeberinnen in Wembley war das Fußball-TV-Ereignis des Jahres 2022. Was folgte, war ein Jahr der Rekorde in der Bundesliga. Über 7.000 Zuschauer sind im Schnitt zu den Spielen der Frauenfußball-Bundesliga gekommen. Dreimal so viele wie in der Saison zuvor. Über 38.000 Zuschauerinnen waren dabei, als der 1. FC Köln im großen Stadion des Klubs gegen Eintracht Frankfurt gespielt hat.

Mädchenfußball in der Krise

Und unten an der Basis meldeten erstmals seit 2011 wieder mehr Klubs eine Mädchenmannschaft für den Spielbetrieb an als in der Vorsaison. 8.700 Mädchenmannschaften hatten im Bereich des DFB gekickt, nachdem der Verband vor der Heim-WM im Land der damals amtierenden Weltmeisterinnen 2011 in Deutschland massiv für das Spiel der Frauen geworben hatte. In der Saison 2021/22 waren es nicht einmal mehr halb so viele. Nun zeigte die Kurve endlich wieder nach oben. Die Erfolge bei der EM schienen an der Basis Wirkung zu zeigen.

Blankes Entsetzen: Sara Däbritz (l.) and Merle Frohms nach dem WM-Aus Foto: Darren England/AAP/imago

Und jetzt? Ist nach dem WM-Desaster der Aufbruch schon wieder beendet? Die Bedeutung der Nationalmannschaft ist im Frauenbereich weitaus größer als bei den Männern. Auch wenn die Stadien voller geworden sind, sind es einzig die Spiele des Nationalteams, mit denen sich Massen vor die TV-Geräte mobilisieren lassen.

Über 10 Millionen Leute haben zugeschaut, wie die Deutschen in Australien gegen Kolumbien verloren haben. Wenn die Frauen des FC Bayern in der Champions League gegen den FC Barcelona gewinnen, bekommt das dagegen kaum jemand mit. Das DFB-Team ist der große Aufmerksamkeitsgenerator.

Umso erstaunlicher ist es, wie schnell es nach dem WM-Aus in Deutschland ruhig geworden ist. Wo ist sie, die Task Force Frauenfußball, die analysiert, wie es sein kann, dass eine deutsche Auswahl nicht mehr in der Lage ist, den Gegnerinnen ihr Spiel aufzudrücken? Und wo ist der DFB-Präsident, der erkennt, dass es da um mehr geht als um eine sport­liche Krise.

„Ohne Breite keine Spitze“, hat Bernd Neuendorf gesagt, als er die Frauenfußballstrategie FF27 des Verbands präsentiert hat, deren Ziel es ist, endlich wieder mehr Mädchen für Fußball zu begeistern. Das ist gewiss nicht falsch. Richtig ist aber auch, dass der Frauenfußball ohne Spitze keine Breitenwirkung entfalten kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Die Frage dürfte doch wohl eher lauten „Warum muss Frauenfußball auf den kommerziellen Stand des Herrenfußballs gebracht werden?“. Wir leben in einem freien Land und jeder Mensch kann seinem Sport nach Belieben frönen. Im Gegensatz zu Mofarennen schauen nun mal auch deutlich mehr Menschen Moto GP - Rennen. Der asozial überbezahlte Männerfußball ist nun mal schneller und härter und vielleicht deswegen auch etwas spannungsgeladener. Ich habe mir viele der Frauen WM-Spiele angeschaut und war von der Dynamik, Taktik und Spielwitz wirklich angetan aber man muss konstatieren, dass der Spielstil der Herren dann doch manchmal animalischere Züge trägt, während die Damen eher einen kultivierten, zivilisierten Eindruck hinterlassen. Die Menge der, den jeweiligen Spieltypus bevorzugenden Zuschauer wird dann letztendlich auch die mediale Präsenz bestimmen. Derzeit sehe ich jedoch lediglich mediale Manipulationsversuche den erstarkenden Frauenfußball in den Vordergrund zu spülen. Genau darin liegt in meinen Augen eine Diskreditierung intelligenter, gut artikulierender sportlicher Damen. Die werden ihr Ding schon machen. Die haben genug Power und brauchen keine künstliche Ideologiebefruchtung von aussen.

  • Die Nationalmannschaft hat einmal alle zwei Jahre die Gelegenheit Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und das kann halt auch mal schiefgehen, wenn Pech und (womöglich) Unvermögen zusammenkommen. Es ist völlig unmöglich, mit im Schnitt alle vier Jahre etwas Begeisterung eine nachhaltige Struktur aufzubauen: Das erkennt man doch sofort!



    Nein, hier muss in der Breite wirklich etwas geschehen und in der Spitze, in den Vereinen, muss es professioneller zugehen und mehr Geld zu verdienen sein. Das wird in wenigen Jahren positive Auswirkungen haben. So wie es jetzt aber aussieht, mit professionelleren Ligen in den meisten westeuropäischen Ländern, wird Deutschlands Frauenfußball abgehängt.

    • @Zangler:

      wieder einmal: Geld, Geld, Geld. Nein, die Funktionärs-Seilschaften müssen grundsätzlich verschwinden. Und; man darf auch mal wieder in der heutigen Zeit auf die Frage der "Ehre" hinweisen. Doch, was ist schon "Ehre"?

      • @werner offergeld:

        Natürlich ist Geld im Profisport wichtig. Bundesligaspielerinnen verdienen im Schnitt 2700€ im Monat. Da kann man sich wenig zur Seite legen für das Karriereende, wenn frau nicht zu den Spitzenverdienerinnen gehört. Und warum sollten Sie auf eine Frage hinweisen, deren Antwort Sie schon kennen?