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Ausstellung in London feiert die DivaEin gottähnliches Konzept

Das Victoria & Albert Museum widmet einem Thema, das nicht nur feministisch ist, eine Sonderausstellung. „Diva“: eine mitreißende Schau.

Diven unter sich: Cher, Elton John und Diana Ross 1975 bei den Rock Awards in Santa Monica Foto: Mark Sullivan Contour/getty images

Diva.

Das Wort hat ja immer etwas Schmähendes: Da will wohl eine – seltener: einer – eine Sonderrolle! Sich von den anderen unterscheiden, das Köpfchen über die Häupter der anderen erheben!

„Das ist ja eine Diva“ – das ist eigentlich in feministisch gesinnten Kontexten ein, wenn überhaupt, vergifteter Ausruf. Sind nicht alle gleich schön, interessant, durchsetzungsfähig und außerdem extrem gut gekleidet? Darf das überhaupt in unseren partizipativ gesinnten Kulturen sein – als Aschenputtel, die wir ja alle sind, hochzugucken zu einer (und manchmal: einem) und freundlich ausrufen: Wie schön sie ist, wie über uns erhoben und wie entschwebt! Wirklich?

Die Kuratorinnen des Victoria & Albert Museums in London, durchaus spezialiert auf die Bergung kultureller Schätze des Populären, haben sich couragiert herangewagt und eine in der Tat ergreifende, teils mitreißende Show aus einer gebirgigen scheinenden Fülle an Originalfummeln und Accessoires der Diven, den göttlich anmutenden Repräsentinnen* auf Erden, gefertigt.

Die Diva als feministische Vorkämpferin

Was eine Diva ist (nur Klamotten?, schlechtes, höfisches Benehmen?), was sie ziemt (Takt und Ton, ein Sprechen im Stuhlkreis?) und wie sie performt (unter gleißenden Scheinwerfern oder immer mit Kontakt zur Chorus Linel, zu ihrem Showgesinde?), das ist ganz unklar.

Die Ausstellung

„Diva“ wird bis 7. April 2024 im Victoria & Albert Museum in London gezeigt

In London haben sich die Macherinnen der Schau entschieden, die Diva als feministische Vorkämpferin zu präsentieren, schon in frühesten Zeiten, in der Oper und der Operette, bis in die sechziger Jahre mit der Callas als Königin der höchsten Töne, umschwärmt in einer Intensität, gegen die das Fantum, das der Russin Anna Netrobko entgegengebracht wird, blässlich und allenfalls überfönt wirkt.

Die Diva, die Göttin in unserem Diesseits, ist eine Showfigur, die Höchstes kann, nämlich ihre Kunst. Sie weiß um ihr Handwerk, aber sie gibt nicht preis, wie sie es schafft, anders und besser als die anderen zu sein. Die Schau, interessanterweise und wie im Klischee schon am Vormittag nur durch Besucherinnen wie geflutet, fast keine Männer, bis, soweit man sie als solche zu lesen vermochte, ein paar schwule Fellows, die ja prinzipiell auch einen Sinn für das Un-Buddyhafte kapriziöser Kulturen haben.

Die Ära des Pops

Und was man von der Crowd auf den zwei Etagen hören kann, ist einerseits, im Parterre ein Herantasten, zumal mit den Kopfhörern auf den Ohren, eben die Callas, Mae West, Joan Crawford, Marlene Dietrich und you name it!

Im ersten Stock, als es in die Ära der Zeit seit 1960 geht, den Jahren des Pop, schließlich ein Publikum, das die Songs der Sängerinnen mitsingt: Tina Turner, Shirley Bassey, Lady Gaga, Cher, Barbra Streisand, Diana Ross, Beyoncé, Lata Mangeshkar, Billie Holiday, Rihanna oder auch – als Referenz an die schillernden Formen neuer Männlichkeit – Freddie Mercury, die Dragkönigin RuPaul. Und, in einer eigenen Vitrine am Ende mit dem monströsen Fummel zu einem seiner Geburtstage, Elton John.

Wir lernen: Diven sind Künstlerinnen, die in ihrer Zeit und in ihrer Disziplin mehr als andere von sich abforderten und mehr wollten, als man ihnen zugestehen mochte – und das jeden Tag, rund um die Uhr, bis zum Lebensende jeweils ihren Platz auf den Thronen der Glanzindustrien verteidigend, mal mehr, mal weniger souverän. Und es sind Menschen, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen wollen, das zuallerletzt.

Ausstellung DIVA mit opulenten Kostümen im Victoria and Albert Museum, London Foto: Peter Kelleher/Victoria and Albert Museum, London

Glamour und Eleganz

Die australische Belcantistin Joan Sutherland sagte einmal auf die Frage, wie sie dieses Leben, in jeder Hinsicht fern aller Hausfräulichkeit, meistere: „Wenn ich nicht einigermaßen gelassen wäre, könnte ich dieses Leben nicht aushalten.“ Und, direkt als Rezept formuliert: „Um eine Diva zu sein, ist es unerlässlich, ein Gemüt wie ein Pferd zu haben.“

Sie meinte das vermutlich absolut pferdefreundlich, wie sie sich einen Zossen vorstellte: springbereit und doch eigenwillig ruhig. Andere Sprüche sind auch zu lesen beziehungsweise im Ausstellungskatalog überliefert. Etwa die legendäre Josephine Baker, Revuetänzerin in Paris, Antifaschistin, zu Nazizeiten in Frankreich, sondergleichen: „Ich habe nie den einfachen Weg gewählt, immer den harten. Aber wissen Sie, wenn ich den harten Weg nahm, wollte ich es denen, die mir folgten, ein wenig leichter machen.“

Und Mae West, auch eine Mächtige in ihrer Zeit, erwiderte auf die Bemerkung, sie sei anstrengend, mindestens, laut und deutlich, „wenn Männer ihre Meinung sagen, ist das scharf, wenn Frauen das gleiche sagen, gilt es als zickig“. Dann sei es eben so! Um es mit Bette Davis zu verfeinern: „Wenn ein Mann seine Meinung sagt, ist er ein Mann. Wenn eine Frau ihre Meinung sagt, ist sie eine Schlampe.“

Alles wohl wahr, alles prima gebitcht. Unbedingt müssen diese Sottisen als sprachliche Widerstandsakte wider die Zumutungen männlicher Dominanz weiter überliefert und gefeiert werden. Nur kommt diese Ausstellung gänzlich ohne den Hinweis auf ein gewisses Merkmal von Diven aus: Dass sie geheimnisvoll bleiben, nie alles preisgeben, ihre Mittel nie zeigen wie ein Waffenlager – aber immer den Anschein erwecken, in genau diesem noch genug in petto zu haben. Stattdessen gibt einem die Schau das Gefühl, der Glamour, die Eleganz, ja, die spektakulären Klamotten seien textile Zeugnisse leutseliger Frauen, die mit den Töchtern Egalias im Bunde waren.

Bilder vom weiblichen Erfolg

Diva ist ja als Konzept so göttinnenähnlich angelegt, dass es kaum ausbleiben konnte, diese Frauen (und wenigen Männer) als exzeptionell zu sehen – eben keine Fabrikarbeiterinnen am Band oder in der Care-Arbeit. Traumschaumgestalten, eine schöner als die andere. Nur: Was haben denn Frauen wie Edith Piaf oder Björk in diesem Reigen zu schaffen? Und wenn schon sie, die mit Glam so gar nicht zu beschreiben sind (und waren), geheimnisarm oder kunstreligiös einsortierbar, warum nicht eine Königin der Diven aus dem Fach Emotionalität en gros und en détail, Céline Dion?

Die Sopranistin Maria Callas am Royal Opera House, Covent Garden Foto: Rachael Coates, Victoria & Albert Museum, London

Ich will nicht mäkeln – dafür, echte Aufrittsgarderoben gesehen zu haben, die akkuraten Erläuterungen dazu, die britisch-coole Art, fast nebenbei die Kritik des Camp an den Diven, die es zu ernst mit dem Scheinwerferlicht meinen: Es lohnt sich, diese Ausstellung buchstäblich zu erleben. Es sind auch Bilder vom weiblichen Erfolg, die über die männlichen Projektionen hinaus das Ihrige dazu beisteuerten, das Alphabet des Ästhetischen auf ein neues Niveau – bitchy durch und durch, immer situationsangemessen – gehoben zu haben.

Ohne sie alle wäre die Welt hässlicher und böte keine Schimmer der Hoffnung, es mit dem Nachahmen nicht zu schwer zu nehmen: Eine jede, gleich welcher Identität, kann Diva sein, man muss sich nur trauen. Um zu gewinnen, nicht nur die Hälfte des Himmels.

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