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Das Abc der Liegenschaftspolitik

Landeseigene Grundstücke

Landeseigene Grundstücke befinden sich zumeist in Besitz und Verwaltung des jeweiligen Bezirks. Grundstücke, die leer stehen und für die es keine Verwendung mehr gibt, werden über den ➤Liegenschaftsfonds vermarktet. Auch landeseigene Gesellschaften wie die Berliner Stadtreinigung BSR können, wie im Fall der Bar 25, Grundstückseigentümer sein. Hier hätte die Politik über die Aufsichtsräte der Gesellschaften die Möglichkeit, durch eine ➤neue Liegenschaftspolitik Einfluss zu nehmen. Diejenigen Grundstücke, die noch im Gebrauch sind, verwaltet der Senat über die ➤BIM. Schulen und Kitas sind in der Verwaltung der zwölf Berliner Bezirke.

BIM

Die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) ist eine hundertprozentige Tochter des Landes Berlin. 2003 gegründet, verwaltet sie mit 1.500 Gebäuden sämtliche bebauten und genutzten Liegenschaften des Landes, darunter das Rote Rathaus, die Theater, aber auch die Liegenschaften der Polizei.

Liegenschaftsfonds Berlin

Seit 2001 versucht der Liegenschaftsfonds Berlin (LiFo), nicht mehr benötigte ➤landeseigene Grundstücke zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen. Von den 2,2 Milliarden Euro, die der LiFo bis Ende 2011 durch den Verkauf von fast 6.000 Grundstücken und Immobilien einnahm, gingen zwei Milliarden an den Landeshaushalt. Im Augenblick hat der LiFo 5.000 Grundstücke im Angebot. Pro Jahr werden rund 500 verkauft – ebenso viele neue kommen dazu. Das Angebot reicht von der Brache bis zu leer stehenden Schulen. Der LiFo soll das Instrument einer ➤neuen Liegenschaftspolitik werden.

Neue Liegenschaftspolitik

Im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU vereinbart, ➤landeseigene Grundstücke künftig nicht mehr nur nach dem ➤Bieterverfahren zu vergeben. Stattdessen sollen auch soziale, kulturelle und ökologische Konzepte eine Rolle spielen. Möglich sind hier eine ➤Direktvergabe oder eine Vergabe in ➤Erbpacht.

Bieterverfahren

In der Regel werden die Grundstücke des ➤Liegenschaftsfonds im Bieterverfahren vergeben – entscheidend sind das höchste Gebot und die Zahlungsfähigkeit des Kunden. Alle zu verkaufenden Grundstücke müssen mindestens zwei Monate über Zeitungsannoncen oder im Internet öffentlich angeboten werden. Der Preis für das Grundstück entwickelt sich durch die Nachfrage am Markt. Nutzungskonzepte spielen bei der Auswahl der Käufer keine Rolle. Sonstige Bedingungen oder Nutzungsvorgaben leiten sich nur aus öffentlich-rechtlichen Vorgaben wie etwa dem Flächennutzungsplan ab, die für alle potenziellen Erwerber gleich gelten.

Direktvergabe

Ein leer stehendes Grundstück oder eine landeseigene Immobilie kann der Senat über den ➤Liegenschaftsfonds auch direkt vergeben. Ist dies der Fall, entscheidet ein Steuerungsausschuss, in dem neben dem Bezirk auch die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Finanzen sitzen, über den Zuschlag. Der Verkauf erfolgt zum Verkehrswert, den ein öffentlicher Gutachter ermittelt. Zur Geltung kam die Direktvergabe bislang meist, wenn „hauptstädtische Interessen“ wie die Ansiedlung von Verbänden und Botschaften im Spiel waren. Aber auch Grundstücke für ➤Baugruppen kann der ➤Liegenschaftsfonds direkt vergeben.

Erbpacht

Beim Erbbaurecht werden Grundstück und Gebäude getrennt. Gegen einen Erbpachtzins kann der Bauherr auf dem Grundstück ein Gebäude errichten. Ein Erbbauvertrag wird in der Regel auf 99 Jahre abgeschlossen. Vorteil für das Projekt: Man braucht kaum Eigenkapital. Der Senat wiederum kann die vereinbarte Nutzung besser kontrollieren als beim Verkauf. Nachteil: Die Erbpachtnehmer zahlen in 99 Jahren das Grundstück gleich dreimal ab. Finanziell wäre allerdings der Erwerb des Grundstücks günstiger.

Genossenschaft

In Berlin werden rund 180.000 Wohnungen, etwa zehn Prozent des Bestands, von Genossenschaften verwaltet. Die Mieter müssen eine Einlage einbringen. Nicht Renditeerwartungen bestimmen das Handeln einer Genossenschaft, sondern die Versorgung ihrer Mitglieder mit bezahlbaren Wohnraum. Gewinne werden nicht abgeschöpft, sondern reinvestiert. In Berlin sind Genossenschaften vor allem bei den Plattenbausiedlungen präsent – etwa bei der Berolina e. G. mit ihren 4.000 Wohnungen. Nach der Wende haben sich auch kleinere Genossenschaften wie die Selbstbau oder die Bremer Höhe gegründet.

Landeseigene Wohnungen

In Berlin verwalten sechs landeseigene Wohnungsbaugesellschaften 270.000 Wohnungen. Der Senat möchte den Bestand um 30.000 erhöhen. Dafür soll der ➤Liegenschaftsfonds im Rahmen einer ➤neuen Liegenschaftspolitik kostenlos ➤landeseigene Grundstücke zur Verfügung stellen.

Mietshäuser Syndikat

Das Modell des Mietshäuser Syndikats (MHS) ging Anfang der 90er Jahre aus der Legalisierung von besetzten Häusern in Freiburg hervor. Alle Bewohner und Bewohnerinnen eines Hauses sind Mitglied im Hausverein. Dieser wiederum betreibt eine Haus GmbH, der das Haus gehört und der als zweiter Gesellschafter das MHS beitritt. Bei diesem „Mietshaus in Selbstorganisation“ erfüllt das MHS nur eine Wächterfunktion: Das Haus darf weder verkauft noch in individuelles Eigentum umgewandelt werden, ist also jeglicher Spekulation entzogen. Jedes Haus zahlt einen Beitrag in den Solidartopf, um neue Hausprojekte zu ermöglichen. In Berlin und Brandenburg gibt es inzwischen rund ein Dutzend Projekte nach dem Modell des MHS, bundesweit sind es etwa 80 Projekte.

Baugruppe

Eine Baugruppe ist ein Zusammenschluss einzelner Bauherren und -frauen, die statt eines Eigenheims auf dem Land ein Mehrfamilienhaus in der Innenstadt bauen. Da sie auf einen kommerziellen Bauträger verzichten, entwickeln die Mitglieder der Baugruppe mit ihren Architekten „ihren“ Neubau von Anfang an. Die Kosten des Gebäudes werden nach Quadratmetern Wohnfläche umgelegt, im Augenblick bewegen sich die Preise dafür zwischen 2.000 und 2.500 Euro pro Quadratmeter. Die notwendigen Kredite besorgt jeder Bauherr individuell, ebenso trägt er allein das wirtschaftliche Risiko. Anschließend könnte er deshalb die Wohnung bei Bedarf individuell zum höchst erzielbaren Preis verkaufen. Das Modell wird vor allem von mittelständischen Familien bevorzugt, größtes Beispiel ist die Schwiebusser Straße mit zwölf Mehrfamilienhäusern in der Nähe des Platz der Luftbrücke. Der ➤Liegenschaftsfonds vergibt einige wenige ➤landeseigene Grundstücke in ➤Direktvergabe an Baugruppen. CHRISTOPH VILLINGER

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