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Poe, gelesen an dämmrigen Lübecker UfernWenn die Krähen den Raben übertönen

„Düsterlesen“ in Lübecks pittoresker Wakenitz-Badeanstalt: Der Grusel-Autor Edgar Allan Poe kommt schon zu Wort, bevor die Dämmerung hereinbricht.

Setzen ausgewählte Schauerliteratur konzertant in Szene: Manfred Upnmoor (vorne) und Janus Schwarz Foto: Manfred Upnmoor

O b sie aufhören, wenn erst das Programm beginnt? Zwar keine Raben, aber doch Krähen sind’s, die aus dem Off aufmerksam machen auf sich, pünktlich um kurz vor acht – und das ganz schön laut. Schön ist es ja hier, im Naturbad an der Lübecker Falkenwiese: Vor einem fließt, sehr gemächlich, die Wakenitz vorbei. Drüben, am anderen Ufer, wiegt sich schmucker Mischbaumbestand in mildem Sonnenschein. Und obendrüber bietet der norddeutsche Himmel spektakuläres Wolken­theater auf.

Es dürfte sogar regnen, das Publikum säße halbwegs im Trockenen unter aufgespannter Zeltplane, wie sie auch die schwimmende Bühne vor den ärgsten Witterungseinflüssen schützt, und das will etwas heißen in diesem frühen August.

Sehr viele Leute sind trotzdem nicht gekommen, um dabei zu sein bei „Düsterlesen“. So nennen der Schauspieler Manfred Upnmoor und sein musikalischer Begleiter Janus Schwarz ihr gemeinsames Projekt: Musikalisch untermalt, gerahmt, verstärkt oder auch mal eher konterkariert bringen sie, eben, düsteren Text zum Vortrag.

„Im Weltenraum ist Gala­nacht“, haben sie den Abend überschrieben, eine Zeile, entnommen Edgar Allan Poes Gedicht „Eroberer Wurm“, zumindest mancher seiner diversen Übersetzungen ins Deutsche: Das ganze Programm an diesem Abend ist Poe gewidmet, diesem Meister des Schauerlichen; auch wenn die Lage so nah am Wasser den Horrorkollegen H. P. Love­craft mit seinem Fischwesen-Fimmel noch etwas zwingender erscheinen lassen könnte.

Aber Sommer gibt es ja nicht nur diesen einen, und Lübecks letzte Flussbadeanstalt steht unter Denkmalschutz, da geht also vielleicht noch mehr. Upnmoor weist auch hin auf ein offenbar heiteres Solostück, das er hier, auf derselben Bühne, gibt, auch nur noch ein paar Mal in dieser ­Saison.

Die Termine

Weitere Termine:

Donnerstag, 17. August,

Donnerstag, 24. August,

jeweils 20 Uhr, Lübeck, Naturbad Falkenwiese, Wakenitzufer 1b

Heute Abend aber Poe. Dass sein Gedicht „Der Rabe“ gleich die Eröffnung bildet, also sein vielleicht bekanntestes, popkulturell geadelt unter anderem durch eine Adaption in einer Halloween-Folge der „Simpsons“, kann man kontraintuitiv finden: Wäre das nicht auch ein krönender Abschluss gewesen, das gliedernde „Nimmermehr!“, hinausgekrächzt in die hereinfallende Dunkelheit?

Andererseits: Allerbestens zum „Raben“ passen natürlich die krawalligen Krähen: „Das gefällt mir sehr gut“, sagt nach diesem ersten Stück auch der vortragende Upnmooor.

Aus fünf Texten setzt sich das gruselig gemeinte Programm zusammen, zum erkennbar bühnengeschulten Vortrag kommen Schwarz’ mal flächige, mal äußerst sparsame Elektronika; bei „Das verräterische Herz“ scheint lange nur ein ebensolches zu schlagen, man darf sich aber genauso auch erinnert fühlen, sagen wir, an Ennio Morricones Minimal-Soundtrack zum Horrorfilm-Klassiker „Das Ding aus einer anderen Welt“. Dass Schwarz ansonsten Gothic-Events veranstaltet oder auf Hamburger Partys auflegt, die „Ghostship“ heißen oder „Night of the Living Dead“: einleuchtend.

Erstmals mit einem Poe-Programm aufgetreten seien sie 2017, erzählt Upnmoor zwischen zwei Gedichten. Zusammen haben die beiden auch schon E. T. A. Hoffmann aufgeführt und „Ruprechtsnacht“ von Tobias O. Meißner. Seit einer erfolgreichen Poe-Performance 2019 begreifen die beiden sich „als so was wie eine Band“, und aus dem Format „Düsterlesung“ wurde, eben, das Duo „Düsterlesen“.

Vor der Pause gibt es Poes „Der See“, danach dann „Die Tatsachen im Fall Waldemar“ und, sozusagen das Titelstück, „Der Eroberer Wurm“ – da wagt sich der Schauspieler sogar ein paar Schritte ins Singen hinein, es zeigen sich aber auch die Grenzen des erkennbar schmal budgetierten Formats: Einen Menschen, der in Echtzeit die Tonmischung regeln könnte, gibt es nicht, und das rächt sich ein wenig.

Keine Katastrophe. Die Krähen sind längst schlafen gegangen, dafür scheint in der Nachbarschaft ein Fußballspiel zu laufen. Der Regen ist ausgeblieben, und Dunkelheit sinkt herab auf das pittoreske Planschbecken.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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1 Kommentar

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  • Tja, mit der Kenntnis der Wucht dunemals von Alan Parson, aus den 70igern des vergangenen Jahrhunderts, häts auch der Autot verstanden:



    "Parsons und Woolfson trafen sich 1974 und beschlossen, ihre eigene Musik herauszubringen: Woolfson war von Edgar Allan Poe begeistert und wollte ihn vertonen, Parsons wollte sein Talent „sichtbarer“ machen. So gründeten sie „The Alan Parsons Project“ und luden dazu viele Gastmusiker ein, darunter Andrew Powell, einen Dirigenten und Komponisten, der für die Orchesterarrangements zuständig sein sollte, sowie den Sänger John Miles, der gerade den von Alan Parsons produzierten Hit Music gehabt hatte. Als Begleitmusiker wurde die komplette Band Pilot (David Paton, Stuart Tosh, Ian Bairnson, Billy Lyall) verpflichtet, für die Parsons ebenfalls als Produzent von drei Alben tätig gewesen war."