Die Wahrheit: Neues aus der Abfüllanlage
Eine Bierreise, die ist lustig, eine Bierreise, die ist schön. Wenn nicht langweilige Lehrfilmen gezeigt werden, statt Bier auszuschenken.
M ein letzter Gruppenausflug liegt lange zurück. Soziophobie und Alter halten mich davon ab, mit sogenannten Gleichgesinnten kreischend über anderer Leute Städte herzufallen, um am Abend dann wahrheitswidrig zu behaupten, man habe eine tolle Erfahrung gemacht.
Das konnte der Liebste nicht länger durchgehen lassen. Es tue gut, mal die eigene Bubble zu verlassen, andere Leute zu treffen und überhaupt. Keine Ahnung, was er genommen hatte (Bier?) – und was er mir gegeben hatte, jedenfalls fand ich mich plötzlich mit einer Gruppe Musiker in einem Regionalzug nach Einbeck wieder. Auf dem Programm stand eine Brauereibesichtigung.
Beim Umstieg in die noch kleinere Bimmelbahn verlangten meine Mitreisenden bereits lautstark nach Bier, Bier, Bier und bejammerten das Alkoholverbot im Zug. Zum Mittagessen tranken sie dann aber doch lieber Spezi, vermutlich, um ihre Kräfte zu schonen.
Durch die hübsche Fachwerkstadt ging es immer der Nase nach zur Brauerei. Dort hatte ich auf eine interessante Vorlesung über Lebensmitteltechnologie und Braugeschichte gehofft. Stattdessen gab es ein Filmchen zu sehen, in dem Martin Luther mit einem Einbecker Braumeister über das Brauen redet, während Till Eulenspiegel heimlich sein Bier austrinkt.
Die Darbietung war als humorvoll angekündigt worden. Kurz beneidete ich die Amerikaner in unserer Führung, die nichts verstanden und sich bloß so langweilten. Jetzt wollte ich auch dringend ein Bier, aber erst ging es noch durch siedend heiße Braubereiche und arktische Kühltankräume bis zur klappernden Abfüllanlage, die in Rekordgeschwindigkeit und so weiter und so fort, egal, wen schert’s, Bier, Bier, Bier.
Die ganze Zeit machten die Leute Witze darüber, dass es eventuell irgendwann Bier zu trinken geben könnte, bis wir endlich die Kellerschänke der Brauerei erreichten. Dort warteten Wurstschnitten und, was soll ich sagen, so viel Bier, wie man schaffen konnte.
Die folgenden Szenen müsste ich mit einer Triggerwarnung versehen (Bier) und steige deswegen erst wieder in die Geschichte ein, als wir schließlich zurückreisen wollten und erfuhren, dass die Bimmelbahn den ganzen Abend nicht mehr fahren werde. Verzweifelte Menschen torkelten über den Einbecker Bahnhofsvorplatz. Der Schienenersatzverkehr würde den Anschlusszug um fünf Minuten verpassen. Und zwar ohne Bier!
Doch ein mitleidiger Busunternehmer legte für unsere Reisegruppe eine kleine Privattour zum nächsten Bahnhof ein und wurde dafür laut abgefeiert – Moment, warum war es denn plötzlich so still? Oje. Wir hatten den Lautesten aus Versehen in Einbeck vergessen.
Wie es ihm dann gelang, eine harmlose Einheimische zu einem Autoumweg zum Bahnhof zu überreden, will ich gar nicht wissen (Bier?). Sie hat auf jeden Fall gebeten, dass er sie nicht umbringen möge.
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