Rassismus am Arbeitsplatz: TÜV prüft und findet nichts
Ein Mitarbeiter klagt in Bremen gegen seine Kündigung beim TÜV und wirft dem Arbeitgeber Rassismus vor. Solche Fälle kommen oft nicht zur Anklage.
Für Kündigungen innerhalb der Probezeit gelten juristisch sehr niedrige Hürden. Es ist möglich, Mitarbeiter*innen grundlos zu kündigen, oder weil man sich einfach persönlich nicht mit ihnen versteht. Wenn die Kündigung allerdings aus diskriminierenden Gründen erfolgt, ist sie nicht rechtens.
In diesem Fall ist der Kläger ein muslimischer Mann of Colour, der seinen Glauben aktiv ausübt. Laut Klageschrift soll ein Vorgesetzter ihm unter anderem gesagt haben, dass es ihm nicht gefalle, wenn der Mann im Außendienst bete. Auch die Worte „Beim TÜV gibt es so was nicht und wird es auch nicht geben“ im Bezug auf Gebet und Fasten sollen gefallen sein. Der Kläger hatte die Kündigung angefochten und eine Entschädigung gefordert.
Der Anwalt des TÜV Nord erschien nur per Videoschalte zum Termin. Er nannte andere Gründe für die Kündigung. Der Kläger, der beim TÜV eine sechsmonatige Ausbildung zum Prüfingenieur absolviert hatte, habe eine „mangelnde Leistung“ und „völlig unzureichende Fachkenntnisse“ gehabt.
Das Unternehmen habe intern ermittelt
Der Klägeranwalt widersprach: Sein Mandant sei nie über die Leistungsbeurteilung informiert worden, obwohl das in einer Ausbildung üblich sei. Stattdessen sei der Kläger „von heute auf morgen“ freigestellt und ihm sei danach gekündigt worden.
Zu den Diskriminierungsvorwürfen sagte der TÜV-Anwalt, der TÜV nehme diese ernst. Das Unternehmen habe einen internen Prozess angestoßen, die hauseigene Antidiskriminierungsbeauftragte habe verschiedene Mitarbeiter*innen befragt, darunter auch welche mit „ähnlichem Hintergrund“ wie der des Klägers. Ergebnis: Es liege kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor.
„Wir sind froh, dass so ein Fall überhaupt zur Anklage kommt“, sagt Julia Seekamp von der Beratungsstelle Antidiskriminierung in der Arbeitswelt (ADA). „Oft sind solche Fälle gar nicht justiziabel, weil es keine Beweise gibt.“ ADA berät rund 40 Menschen pro Jahr in Fällen von Diskriminierung am Arbeitsplatz. Der häufigste Grund, aus dem Menschen zu ADA kommen, seien rassistische Erfahrungen. „Danach folgen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und aufgrund einer Behinderung“, sagt Seekamp.
Die Erfahrungen von ADA decken sich mit den bundesweiten Zahlen zur Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Erst Mitte Juli hatte Ferda Ataman, die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftrage des Bundes, ein Papier zur Novellierung des Gesetzes vorgelegt, das es seit 2006 gibt. In den 17 Jahren, in denen das Gesetz in Kraft ist, habe es nur 700 Gerichtsverfahren dazu gegeben. An dieser geringen Zahl lasse sich ablesen, „dass Menschen sehr, sehr selten diesen Weg beschreiten, weil die Hürden sehr, sehr hoch“ seien, sagte Ataman dem Tagesspiegel.
Eine dieser Hürden ist die kurze Frist von nur zwei Monaten, innerhalb derer Ansprüche wegen einer Diskriminierung geltend machen müssen. Ataman fordert vom Bund, diese Frist auf zwölf Monate zu verlängern. Auch die hohen Kosten eines Verfahrens sind oft ein Problem, gerade wenn die Diskriminierung in der Arbeitswelt stattgefunden hat. Bei arbeitsrechtlichen Verfahren müssen – anders als bei zivilrechtlichen Verfahren – beide Parteien die Verfahrenskosten selbst bezahlen, auch wenn sie gewinnen.
Klagen lohnt sich meistens nicht
Das ist vor allem bei prekärer Beschäftigung ein Problem. Oft ist der Streitwert von drei Brutto-Monatsgehältern so gering, dass es sich für Anwält*innen gar nicht lohnt, die Fälle anzunehmen, oder die Kläger*innen mehr Kosten haben, als sie bei Erfolg zurückbekommen würden.
„Bei uns landen meist nur die Fälle vor Gericht, bei denen die Personen die nötigen finanziellen Ressourcen, beispielsweise durch eine Gewerkschaftsmitgliedschaft oder eine Rechtsschutzversicherung, haben“, sagt Seekamp.Um dieses Problem zu lösen, fordert Ataman ein Verbandsklagerecht, dass es Fachverbänden und auch der Antidiskriminierungsstelle selbst erlauben würde zu klagen, sodass die Betroffenen nicht allein dastehen. Auch eine Beschwerdemöglichkeit gegenüber Diskriminierung durch den Staat soll es, wenn es nach Ataman geht, in einer Neufassung des Gleichbehandlungsgesetzes geben.
Im Falle einer Diskriminierung am Arbeitsplatz ist der Beklagte verpflichtet zu beweisen, dass es keine Benachteiligung gab, wenn der*die Kläger*in nachweisen kann, dass eine Diskriminierung wahrscheinlich ist. Im Bremer Fall hat der TÜV Nord nun einen Monat Zeit, schriftlich auf die Klage zu reagieren und zu beweisen, dass es keine Diskriminierung gab. Die nächste Verhandlung wurde für Anfang Oktober angesetzt.
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