Vor Abstimmung in der Knesset: Showdown zu Israels Justizreform

Am Montag will die rechte Koalition im Parlament das oberste Gericht entmachten. Massenproteste gehen weiter, mehr Soldaten verweigern den Dienst.

Auf einer Straße demonstrieren viele Menschen mit Israel-Fahnen

Protest in Jerusalem am Sonntag: Die Stimmung ist gereizt Foto: Ronen Zvulun/Reuters

BERLIN taz | Begleitet vom erneuten Protest Hunderttausender Israelis in Tel Aviv und Jerusalem hat Israels Parlament am Sonntag mit den Beratungen zu einem wichtigen Kernpunkt der Justizreform begonnen. Die entscheidende Abstimmung in der Knesset über das sogenannte Unangemessenheitsgesetz wird für Montagmorgen erwartet. Danach soll Israels oberstes Gericht nicht mehr die Möglichkeit haben, Regierungshandeln oder Gesetze als „unangemessen“ zu kassieren. Da Israel über keine Verfassung verfügt, war die Regelung ein wichtiges Kontrollinstrument der unabhängigen Justiz.

Gegen die Reform – und das Unangemessenheitsgesetz ist erst der erste Schritt zu einer weitergehenden Entmachtung der Justiz – gingen am Samstag nach Medienschätzungen in Tel Aviv rund 170.000 und in Jerusalem 85.000 Menschen auf die Straße.

Rund 10.000 Re­ser­vis­t*in­nen erklärten, aus Protest gegen die von der rechtsreligiösen Regierung geplante Justizreform ihren Dienst zu verweigern – und offenbar nicht nur sie. Aus Militärkreisen erfuhren israelische Medien auch von Spezialeinheiten, deren Offiziere ihren Dienst entweder nicht mehr ausführen oder ihren Vertrag schnellstmöglich kündigen wollen. Die Einsatzbereitschaft der Armee sei ernsthaft gefährdet, hieß es.

Auch am Sonntag gingen die Proteste unvermindert weiter, und weitere Berufsgruppen schlossen sich an. Die Ärztevereinigung erklärte ihre geschlossene Gegnerschaft zur Justizreform und kündigte an, im Fall ihrer Verabschiedung dagegen vor Gericht ziehen zu wollen.

Iran spottet über „Krise im Herzen des zionistischen Regimes“

Dessen ungeachtet erfuhr Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem Krankenhaus in Tel Aviv offenbar eine gute Behandlung, als ihm in den vergangenen Tagen ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde. Ihm ginge es gut, erklärten die behandelnden Ärzte. Netanjahu plant, bei der Abstimmung über das Gesetz am Montag früh dabei zu sein. Ein Sprecher der iranischen Regierung spottete: „Es ist klar, dass die Krise im Herzen des zionistischen Regimes tiefer geht als die im Herzen des Premierministers.“

Unterdessen wächst der Druck der Protestbewegung auf die Gewerkschaften, auch mit Streikmaßnahmen gegen die Justizreform anzugehen. Ein vom Gewerkschaftsdachverband Histradut zusammen mit dem Chef des Unternehmerverbandes vorgelegter Kompromissvorschlag, nachdem das Unangemessenheitsgesetz in abgeschwächter Form und andere Teile der Reform vorerst überhaupt nicht verabschiedet werden sollten, wurden am Wochenende sowohl von Netanjahus Regierungspartei Likud als auch von der Protestbewegung abgelehnt.

Bei der Parlamentsdebatte forderte Benny Gantz von der oppositionellen Partei Nationale Einheit, jegliche Abstimmung abzusagen, bevor nicht ein nationaler Konsens hergestellt sei. An die Regierungskoalition gewandt sagte Gantz: „Es darf ihnen nicht erlaubt werden, den Staat Israel kaputtzumachen. Es ist an der Zeit, wirkliche Führungskraft zu zeigen. Wir stehen einer großen akuten Gefahr gegenüber.“

Netanjahu hatte nach ersten großen Protesten im März das Projekt der Reform zunächst ausgesetzt – will es jetzt aber unbeirrt umsetzen. Er argumentiert stets, die Reform schwäche nicht die Demokratie, sondern stärke sie gegen übergriffige Richter.

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