Kürzungen bei Freiwilligendiensten: Jeder vierte Platz fällt weg
Im Haushalt 2024 will die Ampel auch bei den Freiwilligendiensten kürzen. Verbände und NGOs kritisieren die drastischen Sparpläne scharf.
BERLIN taz | Der Sparkurs der Bundesregierung trifft auch die Freiwilligendienste: Sie müssen 2024 mit drastischen Kürzungen rechnen, insgesamt werden 78 Millionen Euro aus dem Etat der Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) gestrichen. Damit fallen 23,7 Prozent der Mittel im Vergleich zu 2023 weg. Den Jugendfreiwilligendiensten (FSJ und FÖJ) stehen dann 25 Millionen Euro, dem Bundesfreiwilligendienst 53 Millionen Euro weniger zur Verfügung.
Kristin Napieralla, Sprecherin des Bundesarbeitskreises FSJ, reagiert auf die geplanten Kürzungen mit Unverständnis: „Kürzungen zum jetzigen Zeitpunkt – nach der Pandemie, nach Einsparungen bei Jugendlichen, außerdem nach der Diskussion um den Pflichtdienst und die Stärkung der Demokratiefähigkeit unserer Gesellschaft – sind überhaupt nicht vermittelbar und der falsche Weg.“
Laut einem Sprecher des Bundesfamilienministeriums nahmen im aktuellen Jahrgang knapp 90.000 Menschen an einem FSJ, FÖJ oder Bundesfreiwilligendienst teil. Wenn die Kürzungen aus dem Haushaltsentwurf im Parlament beschlossen würden, bedeute dies, dass jeder vierte Platz in den Freiwilligendiensten nicht mehr angeboten werden könne, so Napieralla: „Einsatzstellen, insbesondere die kleineren, könnten sich den Freiwilligendienst dann nicht mehr leisten.“
Außerdem würde der Freiwilligendienst damit weniger vielfältig werden. „Wir sind auf einem sehr guten Weg, den Querschnitt der Gesellschaft bei den Freiwilligen abzubilden. Wenn die Mittel wegfallen, können wir in Zukunft auch viel weniger Inklusionsleistungen anbieten. So können wir einigen Menschen keinen Freiwilligendienst anbieten.“
Kürzungen sind „bitterer Schlag“ für Engagierte
Wenn die Freiwilligendienste wegfallen würden, leide außerdem die Qualität in sozialen Einrichtungen: „Freiwillige unterstützen bei der täglichen Arbeit, sie leisten Hilfstätigkeiten. Wenn sie nicht mehr da sind, können diese Tätigkeiten, wie zum Beispiel Zeit miteinander verbringen, vorlesen, Unterstützung bei der Pflege, Essensausgabe, Betreuung, spielen, aber auch Mitberatung und vieles mehr nicht mehr geleistet werden“, so Napieralla. Fehlen würden außerdem potentielle spätere Fachkräfte, die durch einen Freiwilligendienst häufig einen Einstieg ins Berufsfeld finden würden.
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller kritisierte die Kürzungen gegenüber dem Rheinischen Spiegel: „Freiwilligendienste sind ein wichtiger Ort für Bildung, Orientierung und Engagement.“ Die Kürzungen seien ein bitterer Schlag für alle Menschen, die sich freiwillig für Natur und Artenvielfalt einbringen wollten. Kein gutes Zeichen in Zeiten der Klima- und Artenkrise. „Gerade jetzt, wo völlig zurecht über die wachsende Bedeutung der Freiwilligendienste diskutiert wird, braucht es keine Kürzung, sondern – im Gegenteil – eine Erhöhung der finanziellen Mittel.“
Bislang sieht es danach allerdings nicht aus: Auch für das Jahr 2025 wurden bereits weitere Kürzungen in Aussicht gestellt.
Leser*innenkommentare
LeKikerikrit
Wir können unserem GRÖSSTENFINANZMINISTERALLERZEITEN Formulierungshilfen anbieten (dass er noch ein Hemdchen an hat, wenn er vor seine Spender treten muss): Steuerschlupflöcher (vor allem jene, die sich eindeutig gegen den Sinn des Gesetzes darstellen) schließen und als Steuerfalle titulieren, versteuert wird, wo der Umsatz getätigt wird, statt Quellensteuer abschaffen "Maximierte Sozialbeteiligung".
I have a dream: Unser oben zitieter FiMi stellt sich hin und sagt: "Wir brauchen Geld. Holen wir uns da, wo es ist.".
LeKikerikrit
@LeKikerikrit Quellensteuer sollte Abgeltungssteuer heißen.
D-h. Beckmann
Wenn die FDP ihre Dogmen gegen Steuererhöhungen aufgeben würde, würde sie vermutlich nicht mehr (von Ihren Klientel) gewählt und würde ins bodenlose stürzen. Deshalb wird die FDP vermutlich ehr die Ampel platzen lassen, als Steuererhöhungen zuzustimmen.
hechtmaus
Da muss die FDP wohl endlich mal ihre Dogmen beiseite legen und Steuererhöhungen zulassen. Sinnvolle Vorschläge für höhere Steuern gibt es genug.