Prozess um „Badewannen-Mord“: 13 Jahre unschuldig in Haft?
Manfred Genditzki saß womöglich viele Jahre für einen Mord im Gefängnis, den es nie gegeben hat. Auch die Staatsanwaltschaft fordert nun den Freispruch.
Im Oktober 2008 hatte Genditzki die 87-jährige Liselotte K. aus dem Krankenhaus abgeholt. Er war Hausmeister in ihrer Wohnanlage und kümmerte sich ab und an um sie. Er brachte die Frau nach Hause, trank noch einen Kaffee mit ihr und verließ die Wohnung. Als eine Mitarbeiterin des Pflegediensts am frühen Abend vorbeikam, fand sie die Frau angezogen in ihrer vollen Badewanne liegend, ein Bein hing über den Wannenrand. Liselotte K. war tot.
Nach Überzeugung des Schwurgerichts soll Genditzki die Seniorin nach einem Streit auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt haben. Das Urteil des Schwurgerichts: lebenslange Haft.
Regina Rick, Verteidigerin
Nach einem jahrelangen Kampf Genditzkis wurde der Fall neu aufgerollt – was sehr selten vorkommt. Im neuen Verfahren waren nun Gutachter gehört worden, die den jahrelang inhaftierten Mann aus Sicht seiner Verteidigung entlasten.
Schon 2008 deutete einiges auf die Unschuld Genditzkis hin – zum Beispiel das fehlende Motiv. Doch inzwischen verdichteten sich die Hinweise massiv. So hat Genditzkis Anwältin Regina Rick mithilfe privater Spender ein neues Gutachten in Auftrag gegeben, das mittels einer Computersimulation zeigt: Der Sturz in die Badewanne wäre auch ohne Gewalteinwirkung möglich gewesen. Ein thermodynamisches Gutachten kam außerdem zu dem Schluss, dass der Todeszeitpunkt wesentlich später gewesen sein muss, als ursprünglich angenommen.
„Wir rechnen mit einem Freispruch“, hatte Genditzkis Verteidigerin Regina Rick zu Beginn des Prozesses erklärt. An diesem Freitag könnte das Urteil fallen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen