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VfL Wolfsburg-Langsprinterin Luna ThielWenn der Körper bremst

Die 23-Jährige Langsprinterin Luna Thiel hält trotz einer langen Verletzungsserie am Leistungssport fest. Ihr Ziel: schneller zu sein als sie selbst.

Sieg bei den 400 Metern: Luna Thiel beim ISTAF Meeting 2022 im Berliner Olympiastadion Foto: Christophe Gateau/dpa

Hamburg taz | Am vergangenen Wochenende bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Kassel hat Luna Thiel vom VfL Wolfsburg wieder einmal das geschafft, was niemand für möglich gehalten hatte: In 53:71 Sekunden sprintete sie die 400-Meter-Bahn, kam damit auf Platz acht.

„Diese Saison wirst du nicht laufen können“, sagte ihr Orthopäde noch am Anfang des Jahres. Die MRT-Bilder ihrer Schienbeine sähen gruselig aus. Vier Ermüdungsbrüche hatten sie erlitten. „Ich wollte nicht schon wieder ausfallen“, erinnert sich Thiel.

Erst in 2020 musste die in Hannover lebende Thiel die gesamte Saison aufgrund einer Darmerkrankung aussetzen. Mit ihrem Comeback setzte sie ihren kometenhaften Aufstieg fort: Einen Titel nach dem nächsten gewann die Sprinterin, bei allen namhaften Wettkämpfen stand sie nicht nur im Startblock, immer lief sie als eine der ersten ins Ziel.

„Es gibt eigentlich niemanden, der gerne 400 Meter sprintet, ich gehöre auch nicht dazu“, erzählt sie. Bis sie 18 Jahre alt war, lief Thiel deswegen 100 und 200 Meter. „Im Sprint auf kurzen Distanzen bin ich nicht so herausragend schnell gewesen wie auf 400 Metern – dafür bringe ich Talent mit.“ Die Erfolge fixten die Athletin an.

Auf langsames Gehen folgte vorsichtiges Joggen. Erst im Mai konnte sie wieder sprinten

Je länger die Laufstrecke, desto härter wurde auch das Training. „Das Training für Kurzdistanzen war wesentlich entspannter, weil man zwischen den Läufen längere Pausen hat“, erinnert sich die 23-Jährige. Auf 400 Meter braucht Thiel mehr Ausdauer – ihre Belastungsgrenze versetzt sie in jedem Training, läuft darüber hinaus.

Monatelang plagten die Langsprinterin Knochenhautschmerzen. Sie bekam physiotherapeutische Behandlungen, alle paar Wochen scannte ein MRT ihre Schienbeine, um zu sehen, dass sie nicht gebrochen sind. Und Thiel trainierte weiter, lief bei Wettkämpfen Bestzeiten. Erst als die Diagnose kam und sie die Aufnahmen ihrer Knochen sah, zog sie die Spikes aus und eine Orthese an.

Die Saison hatte gerade erst begonnen, nun sollte sie für Thiel enden. Um ihren Kopf frei zu bekommen, flog sie erst mal in den Urlaub. Das sei besser als jede Reha-Maßnahme, rieten ihr die Ärzte. Die Athletin akzeptierte ihr Schicksal: „Ich war sogar froh, dass es jetzt passiert ist. So habe ich noch genug Zeit bis zu den Olympischen Spielen im nächsten Jahr“, erinnert sie sich.

Doch dann kam im März die gute Nachricht: Die Frakturen sind verheilt. Also ging es für Thiel ins Trainingslager nach Südafrika: Auf langsames Gehen folgte vorsichtiges Joggen. Erst im Mai konnte sie das erste Mal sprinten. Den ersten Wettkampf lief sie erst vorvergangene Woche in der Schweiz.

Auf der Bahn zählt für Thiel eigentlich nur eines: schneller sein als sie selbst. Doch in den letzten Jahren musste sie lernen, ihren Ehrgeiz zu bremsen, mit ihrem Körper nachsichtiger zu sein. „Mein Körper kann momentan keine 100 Prozent abliefern, das ist vollkommen in Ordnung“, sagt Thiel. „Als Athletin gehört es für mich aber dazu, mich dem Wettkampf trotzdem wieder zu stellen.“ Diesen Mut hat die 23-Jährige am Wochenende bewiesen und mit ihrem unerwarteten Comeback gezeigt: Sie macht Unmögliches möglich.

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