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Streit um ElterngeldReiche Kinder erwünscht

Das Elterngeld war schon immer ungerecht: Während die Armut von Alleinerziehenden wuchs, ließen sich andere vom Staat ihre Traumreise bezahlen.

Der Mittelschichtklassiker: Urlaub machen, wenn Elterngeld gezahlt wird Foto: Dasha Petrenko/imago

D ie Diskussion übers Elterngeld diese Woche war super. Kaum hatte Fami­lienministerin Lisa Paus – vom Finanzminister unter Kürzungsdruck gesetzt – vorgeschlagen, das Elterngeld für Sehrgut­verdiener abzuschaffen, hagelte es Stellungnahmen, Interviews, Kommentare, Zahlen, ­Daten. Es war ein Fest der allgemeinen Faktenfindung und Urteilsbildung.

Wenn schon gespart werden müsse, seien die obersten Einkommensprozente dafür nicht die schlechteste Adresse, meinten viele. Andere: Was für eine Idee, bei den Einkommen über 150.000 Euro zu kürzen! Genau dort werde doch der beabsichtigte Effekt gefährdet: Papa kümmert sich auch ums Kind! Und überhaupt: das Signal!

Mein Verhältnis zum Elterngeld ist leider dadurch belastet, dass ich seine Einführung ab 2005 relativ aufmerksam begleitet habe. Das war, bevor Twitter im Minutentakt neue Details zu Gesetzesvorschlägen ausspuckte und es Statistiken noch nicht so fix aus dem Netz zu fischen gab – im Vergleich zu heute waren Diskussionsprozesse geradezu bedächtig. Von Argument zu Gegenargument, das dauerte schon mal einen Monat oder zwei.

Doch wartete ich damals vergeblich auf die empörten Familienpolitikerinnen, die endlich auf den ganz entscheidenden Haken an der Sache hinwiesen: Weil für das Elterngeld das Erziehungsgeld abgeschafft wurde, wurden die Leistungen für arme Familien einfach mal glatt halbiert. Sie bekamen bis dahin 300 Euro pro Monat für zwei Jahre, daraus wurde nun ein Jahr. Irgendwoher musste das Geld ja kommen, um die neue Lohnersatzleistung bis zu 1.800 Euro zu zahlen. Die Kurzfassung dieses Vorgangs lautet „Umverteilung von unten nach oben“.

Mehr Kinder von Gutverdienenden erwünscht

Das Familienministerium unter Ursula von der Leyen rückte auch irgendwann die Zahlen dazu heraus, wer mit dem Elterngeld in die Röhre guckte: „155.000 Familien mit einem Einkommen unter 30.000 Euro netto erhalten weniger Elterngeld, als ihnen bisher für zwei Jahre Erziehungsgeld zustehen würde“, schrieb mir die Pressestelle im Mai 2006. Das war nicht die endgültige Größe. Unter anderem ging das mit den Hartz-IV-BezieherInnen auch noch alles durcheinander. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zeigte aber in den Folgejahren auf, wie die Armut unter alleinerziehenden Müttern zunahm, und verwies zur Erklärung trocken unter anderem aufs Elterngeld.

Doch so ist das, wenn viele profitieren, die artikulationsstark sind, und hier sind JournalistInnen ausdrücklich mitgemeint: Die Idee einer staatlichen Kompensation des Baby­jahres fanden einfach zu viele viel zu gut, um auf die Details zu schauen. Endlich interessiert sich der Staat genug für Familien, um den Verdienstausfall zu zahlen! Die These, dass gerade Gutausgebildete und Gutverdienende einen Anreiz bräuchten, um mehr Kinder zu kriegen – es seien ja die Kinder, von denen man mehr wollte (Gerhard Schröder sprach das aus, die SPD hatte das Elterngeld bis 2005 vorbereitet) –, verfing auf beschämend schlichte Weise.

Im Ergebnis gab es dann bald auch Reportagen von jungen Familien zu lesen, die dank Elterngeld endlich ihre Traumreise mit dem Camper machten, das Kind in der Mitte: Er nahm seine acht Papa-Wochen, und der Staat zahlte ein Gutteil des Trips, wie toll! In Neuseeland wunderten sich die Pensionswirtinnen über die deutsche Babyschwemme.

wochentaz

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Die Geburtenrate ist nicht so gestiegen, dass irgendwer das ernsthaft aufs Elterngeld zurückführen würde. Der Arbeitsmarkt saugt die Mütter jetzt auch von selbst auf – deren ­Wiedereinstieg ist ohnehin nicht mehr ge­fährdet. Und die Väter? Die nehmen statistisch jetzt ein paar Wochen mehr Elternzeit als im Jahr 2007. Schön, das. Der Preis dafür war und bleibt hoch.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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15 Kommentare

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  • Ich bin jeweils die drei Monate nach der Geburt zuhause geblieben, die 1.800 (beim 2. Kind, beim 1. gab's 300, weil Selbständig) haben Miete und Nebenkosten gedeckt, alles andere kam aus den Ersparnissen. Ganz nett, und ohne das Geld wäre es wohl kürzere Zeit gewesen, aber war das essentiell? Eher nicht.



    Die ganze Diskussion ist doch so vom Familienministerium gewollt - man hat halt geschaut, was man tun kann, was am ehesten FDP-Wähler_innen trifft... und dabei wohl hazardiert, daß die eigene, auch zum Teil betroffene Klientel stillhält. Das Sommerloch beginnt erst - mal sehen, was da noch kommt.

    • @Wurstprofessor:

      Guter Gedankenansatz. Danke.

  • Ich bezog mich nicht auf die 150 k+. Hier ist das Elterngeld faktisch wohl wichtig, wenn die Frau die Hauptverdienerin ist. Was immer noch eher selten sein dürfte. Der Ausfall des Hauptverdieners ist ein tatsächliches Problem. Auch auf dem Level, da man sich einen gewissen Lebensstandard gewöhnt hat und die Miete weitergezahlt werden muss (tatsächlich).

    Das Elterngeld ein wichtiger mentaler Faktor. Eine Hängematte. Es erleichtert auch der Mittelschicht die Rechnung.

    Schule hängt auch heute noch extrem von den Eltern ab. Allein schon die Frage ob man auf die "Oberschule" (klasse framing) oder aufs Gymnasium geht. Übrigens bei gleicher Leistung. Und die Leistung hängt auch an den Eltern. Wenn Sie da eine einfache Lösung haben wie das geändert wird...?



    Die Bildungschancen sind damit übrigens immer noch von vorn herein gleich. Es ist nur der Einsatz, der unterschiedlich ist...

    Ich bleibe dabei, dass es sinnvoll war und ist Kinder in der Mittelschicht zu fördern. Was spricht den dagegen?

    Eigentlich habe ich noch kein Gegenargument gegen auch nur eine der drei von mir aufgestellten Thesen gelesen.

  • An alle Besserverdienenden:



    Euer Elterngeld wurde durch die Benachteiligung



    der finanziell weniger betuchten finanziert.

    Heult weiter Ihr finanziell geächteten!!!

    • @Volker Saar:

      Bei aller angemessenen Ironie, die Rechnung will ich sehen.^^



      Mal abgesehen davon, dass ich Friedrich Merz und ich uns nicht angesprochen fühlen (ich kann auch Ironie^^) ist es doch so, dass die Mittelschicht heute eine nie gesehene Steuerlast trägt, da die Progression viel früher greift. Besserverdiener zahlen ebenfalls mindestens "einen angemessenen Teil Steuern".



      Diese beiden Gruppen sind es, die das Elterngeld finanzieren. Nicht die weniger betuchten.

      Was wenig dran ändert, dass ich die Senkung der Einkommensgrenze auf TEUR 150 durchaus vernünftig finde. Vielleicht einen hauch niedlich und natürlich völlig kontraproduktiv, da die Familie dadurch gezwungen wird schon im Jahr vor der Geburt das Einkommen zu senken um wenigstens die paar Kröten mitzunehmen. Aber ja, die Idee finde ich angemessen.

  • Ich bleibe dabei. Eine völlig unnütze Diskussion. Gehaltsgrenze senken. Fertig.

  • Wenn mir jetzt noch bitte jemand verrät, warum es bei der Einführung des Elterngeldes eine schlechte Idee war, mehr Kinder aus der Mitte der Gesellschaft zu bekommen, anstatt von Sozialhilfeempfängern?



    Wir wissen doch, dass die Schulbildung auch von den Eltern abhängt.

    BTW, die Behauptung, dass der Urlaub vom Elterngeld des Vaters gezahlt wird... selten so gelacht. Mann hat mehr ZEIT aber weniger Geld zur Verfügung. Das Geld muss also angespart worden sein.

    Auf eine anregende Diskussion... :)

    • @Mangahn:

      Wie währe es den mit gleichen Bildungschancen bevor man in Sozialdarwinismus abgleitet? Man muss Bildungsferne nicht über Generationen verfestigen. Mal davon abgesehen das die meisten Menschen Arbeiten aber die wenigsten zu dem Einkommen über das gerade diskutiert wird. Blöde schwarz-weiß-Denke die voll an der Realität vorbei geht.



      Bei einem Einkommen von über 150.000 bis 300.000 Euro sollte man schon Rücklagen bilden können.

      • @Andreas J:

        "Bei einem Einkommen von über 150.000 bis 300.000 Euro sollte man schon Rücklagen bilden können." --> Nichts anderes hat der Kommentator vor Ihnen auch geschrieben. Dort steht sogar:

        "Das Geld muss also angespart worden sein."

        Er stört sich - wie auch ich - an der an den Haaren herbeigezogenen These, der Staat würde mit dem Elterngeld für Väter "die Traumreise" bezahlen. Wohlgemerkt mit 1.800 Euro/Monat Maximalbetrag, was bei Paaren jenseits der 150.000 Euro eine Absenkung des Gehalts auf maximal 20 % bei Paaren und minimal 10 % bedeutet.

        Normalerweise laufen die Fixkosten bei einer (auch) zweimonatigen Reise weiter, sodass Miete, Strom, etc. auch weiterlaufen. 1.800 Euro (eben der Maximalbetrag Elterngeld) decken beispielsweise in München gerade mal die Warmmiete einer durchschnittlichen Wohnung für Familien auf dem freien Wohnungsmarkt. Und wir sprechen hier von 3 Zimmern eher am Rand und keine 5 Zimmer in bester Innenstadtlage. Nach allem, was man so ließt, sieht dies in Frankfurt, Stuttgart, Hamburg und Düsseldorf nicht viel anders aus.

  • "Es war ein Fest der allgemeinen Faktenfindung und Urteilsbildung." --> Das scheint auch für diesen Kommentar zu gelten. Anders ist die Unterzeile der Überschrift "[...] ließen sich andere vom Staat ihre Traumreise bezahlen" nicht erklärbar.

    Selbst der Höchstsatz des Elterngeldes beträgt 1.800 Euro. Angenommen der gutverdienende Papa nimmt seine zwei Mindestmonate Elternzeit. Das Elterngeld beträgt 65 % vom letzten Durchschnittsnetto. Also verdient Papa knapp 2.800 Euro netto. Die Familie hat also mit Elterngeld mindestens 1.000 Euro netto weniger zur Verfügung. Wenn Papa mehr als 2.800 Euro netto verdient, hat er sogar noch weniger in der Tasche, da alles darüber komplett unberücksichtigt bleibt.

    Ich weiß ja nicht, ob Frau Winkelmann schon mal im Urlaub war, aber bei mir ist es so, dass ich in Urlaubsmonaten üblicherweise mehr Geld ausgebe, als in "normalen" Monaten.

    Wie die Rechnung mehr Ausgaben und weniger Einnahmen dazu führen soll, dass "der Staat die Traumreise bezahlt" erschließt sich dem Leser nicht und Fr. Winkelmann erläutert es auch nicht.

    Damit reiht sich der Kommentar ein, in die - ironischerweise selbst beklagte - Faktenerfindung zum Elterngeld.

    • @Kriebs:

      Es geht nicht um Papas die 2800 Brutto verdienen. Es geht um jene die über 12.500 bis 25.000 Monatlich verdienen. und sich nun sozial benachteiligt fühlen.

      • @Andreas J:

        Gerade die Papas, die 12.500 bis 25.000 verdienen (= irgendwas zwischen 7.000 bis 13.000 Euro netto) lassen sich mit Sicherheit nicht "vom Staat die Traumreise bezahlen.

        Denn auch diese Papas bekommen maximal 1.800 Euro Elterngeld. Das ist ja das Wesen eines solchen Deckels: Es gibt nicht mehr als den Maximalbetrag.

        Und von 1.800 Euro können sich diese Papas bestimmt nicht" ihre Traumreise" leisten. Jedenfalls nicht bei weiterlaufenden Fixkosten (Miete, Telefon, Auto, etc.).

        Gerade für diese Gruppe ist die Aussage an den Haaren herbei gezogen.

        Das heißt übrigens nicht, dass ich gegen die Absenkung der Grenze bin. Im Gegenteil. Die bewusste Gruppe wird es verschmerzen können. Man sollte eben bei der Argumentation bei der Wahrheit bleiben und keine Fakten erfinden, nur weil es gerade nützlich ist.

        • @Kriebs:

          Absolut richtig!



          Zusätzlich ist es ja nicht so, dass man die vorherigen Kinder aus der Krippe und dem Kindergarten abmeldet und das Neugeborene keine Arbeit gäbe. Ich gönne jedem eine Weltreise in der Elternzeit zu machen, uns war es bei keinem der 4 Kinder möglich.

  • Endlich spricht eine Autorin in der taz das damalige Motiv zur Einführung des Eltergeldes an. Vor eine Woche wurde ich auf meinen Kommentar dazu noch übelst beschimpft. Das richtige Stichwort lautet "nachhaltige qualitative Bevölkerungspolitik".

    Es ist schon bemerkenswert, dass der Hintergrund zur Einführung des Elterngeldes nach nur 16 Jahren komplett vergessen worden ist.

    • @DiMa:

      Ihr Besserverdiener habt einfach das qualitativ bessere Genmaterial. Das muss man fördern und wertschätzen.