piwik no script img

Studie über Hamburger WohnungsmarktDie Mietpreisexplosion kommt erst

Hamburger Senat und Wohnungswirtschaft feiern sich für ihr bisheriges Handeln. Nun will die Immobilienwirtschaft aber noch mehr Hilfe von der Politik.

Blauer Himmel über Neubauten in Altona: Die Aussichten sind jedoch düster Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Falls es Hamburger Mie­te­r:in­nen im vergangenen Jahrzehnt nicht klar war: Es waren gute Zeiten für sie. Zu diesem Ergebnis jedenfalls kam am Montag das „Hamburger Bündnis für das Wohnen“ – jener Zusammenschluss aus der Stadt, den Bezirken und der Immobilienwirtschaft. Man war in den Räumen der Behörde für Stadtentwicklung zusammengekommen, um Bilanz zu ziehen.

Dort wurden Mie­te­r:in­nen auf kommende, schlechte Jahre eingestellt: Steigende Zinsen, anhaltender Fachkräftemangel, knappe Baustoffe und höhere Ansprüche beim Klimaschutz würden es der Immobilienwirtschaft schwer machen, günstigen Wohnraum anzubieten.

Während Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag in Hamburg ankündigte, Vorgaben beim Bau von Wohnungen auf den Prüfstand stellen zu wollen, um die Kosten zu drücken, hatte die im Bündnis vertretene Immobilienwirtschaft eine lange Wunschliste an die Politik im Gepäck – immer mit dem Verweis darauf, dass andernfalls niedrigere Mieten leider nicht möglich seien.

Die Forderungen drehten sich um steigende Förderungen und Steuernachlässe, um verschlankte Prüfstrukturen am Bau – aber auch um das Aussetzen von Anforderungen bei energetischer Sanierung. So forderte etwa der Chef des städtischen Wohnungsunternehmens Saga, Thomas Krebs, die Arbeit an einem Anforderungskatalog für energetische Sanierungen müsse ausgesetzt werden.

Wohnen sei weiterhin erschwinglich

Nur gute Botschaften – zumindest für die Gegenwart – hatte bereits am Donnerstag die Wohnungswirtschaft verkündet. Da hatte sie mit einer groß angelegten Studie im Gepäck den Auftakt für den Wohnungsgipfel am Montag gemacht. „Wohnen ist in Hamburg weiterhin erschwinglich“, erklärte Sönke Struck, Landesvorsitzender des Bundesverbands freier Wohnungsunternehmen (BFW), bei der Vorstellung.

Erstellt hatte die Studie zum vierten Mal das wirtschaftsnahe Center for Real Estate Studies (Cres), in Auftrag gegeben hatte es die Hamburger Immobilienwirtschaft, bestehend aus dem BFW, dem Grundeigentümer-Verband, dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) und dem Immobilienverband Deutschland. 237.000 Mietverträge wurden für die Studie untersucht – das sind rund 34 Prozent aller Mietverträge in Hamburg.

Demnach liegt die durchschnittliche Kaltmiete pro Quadratmeter, Stand 2022, bei moderaten 8,71 Euro. Mehr als zwei Drittel der untersuchten Mieten befinden sich in einem Korridor von 6,90 Euro und 10,52 Euro. Das entspricht nur einem moderaten Anstieg der untersuchten Mieten um knapp zwei Prozent jährlich. 2019, als die Mietenstudie zuletzt erstellt wurde, lag der Durchschnitt bei 8,21 Euro.

„Die Mieten entwickeln sich also langsamer als die Verbraucherpreise“, sagte Studienautor Marco Wölfle. Zwar lägen die in der Studie untersuchten Erst- und Wiedervermietungsmieten um neun Prozent über den Bestandsmieten, jedoch machten sie auch nur rund zehn Prozent aller Mietverträge aus.

Teure Angebote auf Online-Portalen

Für die Immobilienwirtschaft war die Vorstellung am Donnerstag ein guter Anlass, um klarzustellen, dass der Hamburger Immobilienmarkt fantastisch funktioniere. „Die Studie zeigt, dass es keinen Anlass zur Panik gibt“, sagte etwa VNW-Chef Andreas Breitner. Dies gelte besonders, weil in der Öffentlichkeit immer nur auf die Mietangebote auf Online-Portalen geschaut würde, die teils astronomisch hoch sind.

„Analysen dieser Portalangebote halten statistisch nicht im Ansatz mit der Studie mit“, sagte Breitner. Der Großteil der Neuvermietungen finde nicht auf den Portalen statt. Neuvertragsmieten lägen daher erheblich – im Schnitt um 56 Prozent – unter den Spitzen, die in Portalen dargestellt werden, fasst es die Studie zusammen.

Auch wenn die Studie über den Hamburger Mietmarkt die größte ihrer Art ist, gibt es Kritik daran – und besonders an den Schlussfolgerungen der Immobilienwirtschaft. „Anders als behauptet, bildet die Studie nicht die Realität ab“, sagt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Denn 78 Prozent aller Rückmeldungen kamen von Genossenschaften und der städtischen Saga, nur 22 Prozent von privaten Vermietern.

Letztere haben aber tatsächlich einen Anteil von 64 Prozent auf dem Wohnungsmarkt. Ob die in der Studie vorgenommene Gewichtung an das tatsächliche Verhältnis heranreicht, um seriöse Aussagen über den Mietmarkt zu treffen, ist damit mehr als fraglich. Denkbar ist schließlich, dass vor allem Vermieter hochpreisiger Mietwohnungen kaum Rückmeldungen gegeben haben und damit das Ergebnis stark verzerren.

Mieterverein hält Aussagen für „zynisch“

Die Schlussfolgerung der Immobilienwirtschaft, der Markt funktioniere hervorragend und staatliche Eingriffe sollten unterbleiben, hält Bosse daher für zynisch. „Hier verabreicht die Wohnungswirtschaft den Hamburger Mie­te­r:in­nen und auch dem Senat ein Beruhigungsmittel“, sagt er. Letzterer zeigte sich erfreut über die Studie: „Eine Durchschnittsmiete von 8,71 Euro pro Quadratmeter im Bestand ist ein Erfolg für Hamburgs Wohnungsbaupolitik“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Karin Pein (SPD) bereits am Donnerstag.

Für die Zukunft schwor die Immobilienwirtschaft Mie­ter:in­nen auf höhere Preise ein. Der bereits stattfindende Einbruch bei den Neubauzahlen einerseits, die anstehenden energetischen Sanierungen andererseits würden sich bald bemerkbar machen. An Mie­ter­:in­nen adressiert sagte Breitner: „Die guten Zeiten für Mieter sind vorbei – für den Klimaschutz.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Was für ein Fake. Es gäbe sicher statistische Methoden, um auch die teuren bis hochpreisigen privaten Wohungen genau mit Stichproben zu erfassen und in die Berechung einzubeziehen. Aber das war von allen Beteiligten nicht gewollt.







    Insgesamt ist die gesamte Sozialwohnungsbaupolitik der Bundesregierung ein potemkisches Dorf, da das Ganze aufgrund der aus der Sozialbindung fallenden Wohungen nicht viel mehr als ein Nullsummenspiel ist.

    Mehr als 11 Millionen Bürger haben Anspruch auf eine Sozialwohnung. Nur 20.000 der anvisierten 100.000 Sozialwohnungen wurden bundesweit im letzten Jahr gebaut.



    Sich in Hamburg für günstige Wohnungen, die über dem Sozialwohnungsniveau liegen, in den Himmel zu loben, ist mehr als unredlich.



    Im Vergleich zu den achtziger Jahren fielen Hundertausende Hamburger Sozialwohnugen aus der Sozialbindung.



    50 Milliarden Euro bräuchte es für Sozialwohnungen bundesweit mehr. Doch die gibt es nicht, trotz Hundertausender zugewanderter Ukrainer, die den Wohnungsmarkt zusätzlich verknappen. SPD-Politik pur.

    www.tagesschau.de/...nose-2023-101.html

    www.tagesschau.de/...nose-2023-101.html