piwik no script img

„Reichsbürger“ kaufen sich in Kurort einEin Königreich für ein Hotel

In Bad Lauterberg im Harz ist ein altes Kurhotel verkauft worden. Die Erwerberin gehört zum Umfeld des „Königreichs Deutschland“.

Lauschig gelegen: das ehemalige „Kneipp-Kur-Hotel“ in Bad Lauterberg Foto: isso.media

Bad Lauterberg/Hamburg taz | Die Holzfront des Hauptgebäudes ziert der Hotelname: „Kneipp-Kur-Hotel Wiesenbeker Teich“. Die Kur nach Sebastian Kneipp aus dem 19. Jahrhundert ist als immaterielles Kulturerbe anerkannt, weniger als evidenzbasierte Therapie. Der neuen Besitzerin des stark renovierungsbedürftigen Anwesens in Bad Lauterberg dürfte diese alternative Medizin entgegenkommen: Ute Kowalewski ist Heilpraktikerin. Seit Jahren bewegt sie sich im reichsideologischen Netzwerk von Peter Fitzek, selbst ernannter „Oberster Souverän“ des von ihm selbst ausgerufenen „Königreichs Deutschland“ (KRD).

Kowalewski legt ihre Pläne in einem Video dar, das der auf so genannte „Lost Places“ spezialisierte Youtuber „Tacco“ alias Marco L. veröffentlicht hat: „Ich habe die Vision, dass das hier ein Gesundheits- oder Seminarhaus werden könnte“, sagt sie. Vom „Königreich Deutschland“ sagt sie nichts. Dabei liegt nahe, dass auf dem 2.780 Quadratmeter großen Anwesen im niedersächsischen Teil des Harzes ein „Gemeinwohlstaat“ entstehen soll, eines der vielen Projekte, die Fitzek bundesweit betreiben will.

Das Kurhotel stand zwölf Jahre leer. Das Schwimmbad und der Speisesaal erinnern an bessere Zeiten des Hotels. Die Anbauten links und rechts vom Hauptgebäude spiegeln das Bemühen wider, über die Jahre mit neuen Räumlichkeiten Kur­gäs­t:­innen zu gewinnen. Boden und Decken haben Löcher, sind sanierungsbedürftig.

Das Anwesen mit einem verwilderten Garten bis hinunter zum großen Teich konnte Kowalewski für nur etwas über 200.000 Euro erwerben. Mit Geld kennt sich Kowalews­ki aus. 2017 war sie Schatzmeisterin der KRD-nahen Partei „Konvent zur Reformation Deutschlands“. Früher soll die Anlage zwei bis drei Millionen wert gewesen sein, sagt sie im Video. Jetzt sei es „für billig Geld“ weggegangen.

Adresse am Königreich-Hauptsitz in Wittenberg

Beim Kauf der Immobilie soll Kowalewski eine Adresse in Wittenberg angegeben haben, heißt es aus Behördenkreisen. Die Stadt in Sachsen-Anhalt ist der Hauptsitz des KRD. In der Lutherstadt hatte Fitzek 2012 bei einer Zeremonie vor rund 600 An­hän­ge­r:in­nen das Königreich ausgerufen und sich zum König gekrönt. Er gründete zudem eine „Reichsbank“ und eine „Gesundheitskasse“, führte Staatszugehörigkeitsdokumente und eine eigene Währung ein.

Lange waren die Behörden nicht gegen den ehemaligen Koch und Lebenskünstler eingeschritten, der Kontakte zu Rechtsextremen wie Nikolai Nerling oder Jo Conrad pflegt. Doch 2020 wurde er wegen diverser Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Unter Berücksichtigung der 22 Monate langen Untersuchungshaft kam er im Februar 2022 wieder frei.

Fitzeks Inhaftierung hatte Ausstiegswillige aus der Bundesrepublik Deutschland offenbar ebenso wenig abgeschreckt wie seine Verschwörungsnarrative, nach denen „die Juden“ Agenten des Bösen oder Diener des Antichristen seien. Fitzek denkt zudem in Anlehnung an die „Germanische Neue Medizin“ des ehemaligen Arztes und Antisemiten Ryke Geerd Hamer, dass Gedanken und Gefühle die Ursachen für körperliche Probleme seien. Hamer beschuldigte „die Juden“, mit der Schulmedizin Nichtjuden töten zu wollen.

Bei Telegram hat das KRD über 11.980 Abonnent:innen. Die Zahl der Aktiven sei von 1.500 auf 4.000 gestiegen, sagte Fitzeks Pressesprecher zur taz im Jahr 2022.

Im Harz laufen schon die Renovierungsarbeiten. Am letzten Juni-Wochenende werkelten Fitzek-Anhänger:innen aus Pinneberg, Wolfsburg und Köln an dem Gebäude. Kowalewski und ihr Partner Heinrich Müller schienen Anweisungen zu geben. Fotos zeigen Müller inmitten einer „Königreich“-Schar um Fitzek. Nachdem er erkannt worden war, verzichtete der Lokalpolitiker einer Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) auf seine Kandidatur als Bürgermeister in der niedersächsischen Gemeinde Saterland.

In einem kleinen Holzkiosk standen Kaffee- und Teekannen bereit. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und zauseligen Haaren kippte mit einer Schubkarre Schutt aus dem ersten Stock. Die ersten Container waren gefüllt.

Von Reichs­bür­ge­r:in­nen weiß hier keiner was

Bereits Ende Mai hatte ein Fahrzeug-Anhänger mit Wittenberger Kennzeichen auf dem Gelände gestanden. Ein Hausmeister aus Berlin wohnt seitdem in einem Wohnwagen auf dem Gelände. Von Reichs­bür­ge­r:in­nen will er auf Nachfrage nichts wissen. Auch Anke S., die den Hof fegt, möchte keine Fragen beantworten und verweist auf „die Besitzerin“. Wie sie zu erreichen sei, wisse sie nicht.

Im Zuge der Verkaufsverhandlungen hatte eine Immobilienfirma aus Göttingen einen KRD-Anhänger per E-Mail darauf hingewiesen, dass der „Wiesenbeker Teich unter Denkmalschutz steht und zum Weltkulturerbe gehört“; entsprechende Genehmigungen müssten her. Das geht aus Daten des Hackerkollektivs „Anonymous Deutschland“ hervor. Den Fantasiestaat dürfte diese Rechtslage eher nicht interessieren.

2021 hatte Kowaleswki sich bereits um ein anderes Objekt bemüht. Sie hatte Fitzek damals über einen geplanten Immobilienkauf im brandenburgischen Neuhausen an der Spree informiert, wie die von Anonymous gehackten Mails zeigen.

In Sachsen unterhält das KRD mehrere Schlösser. Jüngst erwarb es den Ökolandwirtschaftsbetrieb Kanzleigut Halsbrücke in Freiberg, einen voll intakten Bio-Gutshof mit Pension sowie Land- und Viehwirtschaft, für rund fünf Millionen Euro.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • muss man sich das kuerzel KRD jetzt merken?

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Die "Festung Harz" scheint noch nicht ganz ausgeträumt zu sein. Das ist ein Teil einer zweite Welle des rechten Versuchs zur "Kolonisierung" in SO-Niedersachsen. Die erste Welle war vor einigen Jahren ziemlich abgedämpft worden, aber ein Bodensatz blieb.

    Mit Bad Lauterberg befinden sie sich an einem Ort, der historisch in der Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten seine eigene Geschichte hat.

    Bad Lauterberg in der NS-Zeit



    erinnernsuednieder...badlauterberg.html



    Zur antifaschistischen Geschichte im Südharz



    www.spurensuche-ha...gion.de/?themen/22

    Göttingen ist heutzutage nicht so weit ... ;-)