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Die Kunst der WocheIm neuen Raum

Harriet Groß und Susanne Piotter lassen bei Axel Obiger architektonische Gebilde und Raumzeichnungen die Richtung wechseln. Eine geniale Kombination.

„Artefakt und Interferenz“ mit Raumzeichnung von Harriet Groß und Kleinplastik von Susanne Piotter Foto: Harriet Groß

Linien, immer wieder Linien. Ruhend, vibrierend, kurz im Lot, dann wieder in Bewegung, für einen Moment zur Welle geworden, dann versunken im Tief der schwarz-weiß-grauen Farbflächen, die sich ganz vorsichtig über Gaze aus Metall legen, die hier so fein erscheint wie Seide. Die Linien, mit denen Harriet Groß bei Axel Obiger in den Raum zeichnet, sind transparent, dann wieder blickdicht, wenn eine Metallstange senkrecht das Wandbild durchkreuzt, dem Auge kurz als Orientierungsanker dient.

Kurz darauf folgt der Blick einem Stück Draht, das sich organisch über die Kanten hinwegsetzt, oben in Richtung Decke Knoten Bildet oder rechts und links die Wand entlang den Bildrand öffnet. Schließlich staucht sich die Gaze und mit ihr die Linie, schillern plötzlich Kurven vor dem Auge, die so vorher nicht da waren, stellt sich die Vermutung ein, dass das Bild je nach Tageszeit und Lichteinfall stetig wechseln wird.

Groß ist Mitgründerin des von Künst­le­r:in­nen betriebenen Projektraums für zeitgenössische Kunst, den regelmäßig Gast­ku­ra­to­r:in­nen oder Gast­künst­le­r:in­nen bespielen. Für die Ausstellung „Artefakt und Interferenz“ kooperiert sie mit Susanne Piotter, deren Kleinplastiken aus Beton hier Groß’ Raumzeichnungen begegnen, während sie selbst neue Räume heraufbeschwören.

Die Ausstellung

Harriet Groß | Susanne Piotter: Artefakt und Interferenz, Axel Obiger, Do.–Fr 15–19 Uhr, Sa. 14–19 Uhr; 9. Juli, 16–21 Uhr: Finissage mit einem Konzert von Solistinnen des Ensemble Quillo (16 Uhr), Brunnenstr. 29

Das ist schon der ganz große Coup wie die Arbeiten der beiden Künst­le­r:in­nen hier interagieren und aus der Begegnung heraus einen dritten Raum schaffen. Den der Wahrnehmung nämlich, die sich dank der Konstellation dieser Arbeiten, die immer wieder Flächen, dann das Dreidimensionale suchen, ständig wendet und die Richtung wechselt.

Von der anderen Seite

Mit ihren Treppen, Winkeln und Rundungen und ihren Oberflächen aus Beton, sind Susanne Piotters „Artefakte“ klar formiert, Transparenz stellt sich jedoch spätestens auf ihrem Katalogcover ein, das mittels einer durchsichtigen Prägung, die die Skulptur auf dem Cover überlagert, nachvollzieht, dass das Objekt auch auf die Seite gekippt vorstellbar ist.

Susanne Piotter, „Artefakt No. 41“, 2022, Beton, 30 x 12,5 x 5 cm Foto: Stefano Gualdi

Unbedingt empfehlenswert ist auch das Künstlerbuch „Weniger Regen / White Rain“ von Harriet Groß (erschienen im The Green Box Verlag), das sich, ihren Linien ähnlich, in die Länge zieht und in dem sich sogar im Papier die Dichte verlagert.

Die Furchen und Risse in den Betonoberflächen von Susanne Piotters Architekturen spiegeln sich wiederum auf Lentikulardrucken von Harriet Groß. So zum Beispiel bei „Sideffekt“ (2022), auf dem von Links geschaut Eis bricht, aus der Mitte betrachtet Klebestreifen versuchen, einen aufklaffenden Untergrund zusammenzuhalten, und schließlich Erdhäufungen und Schneekrater, so will man sie zumindest für den Moment nennen, souverän ihre Bahnen ziehen.

So bescheiden ein Nebeneffekt sein mag, so eindrucksvoll lösen sich in dieser Doppelausstellung Skulptur und Zeichnung die Grenzen des Imaginären auf, wird Archäologie zu Futurismus.

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