Meduza-Gründerin über Exil-Journalismus: „Ein Publikum, das den Wandel will“

Putin hat auch den eigenen Medien den Krieg erklärt. Meduza-Mitgründerin Galina Timtschenko erklärt, warum sie weiter machen.

Mann hält pro-Putin Plakat in Moskau

Auf dem Plakat steht: „Wir sind mit ihm und für die Souveränität Russlands“ in Moskau Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa

Militärische Zensur, auf Linie getrimmte Staatsmedien und die rigide Verfolgung derer, die sich gegen den Angriffskrieg aussprechen, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die taz-Panter Stiftung sorgte mit ihrem Osteuropa-Projekt früh dafür, dass trotz aller Propaganda ein publizistisches Fenster geöffnet blieb, das Wladimir Putin nicht kontrollieren kann. Es ist ein Spalt der Hoffnung, für jene, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens für freie Informationen und gegen Putins Propaganda kämpfen. Galina Timtschenko, Mitbegründerin des unabhängigen russischen Exilmediums Meduza, ist eine von ihnen.

taz: Frau Timtschenko, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert seit eineinhalb Jahren an. Welche Bilanz ziehen Sie über die russische Zivilgesellschaft?

Galina Timtschenko: In diesen Monaten scheint es dem Putin-Regime gelungen zu sein, praktisch alle demokratischen Institutionen des Landes zu zerstören. Sie wurden zu „ausländischen Agenten“ erklärt oder auf die Listen der „unerwünschten Organisationen“ gesetzt. Eine militärische Zensur wurde eingeführt, alle unabhängigen Informationsquellen wurden blockiert oder verboten. Repressionen gegen Ak­ti­vis­t:in­nen und Po­li­ti­ke­r:in­nen sind zum Alltag geworden. Jedem/r Bürger/in, der/die sich gegen den Krieg ausspricht, drohen jahrelange Haftstrafen. Mehr als eine Million Rus­s:in­nen sind aus dem Land geflohen, weil sie nicht akzeptieren können, was in ihrer Heimat passiert.

Jahrgang 1962, arbeitete von 2004 bis 2014 als Chefredakteurin von Lenta.­ru media. Sie ist Mitgründerin, CEO und Herausgeberin von Meduza

Leider ist es dem Putin-Regime gelungen, die russische Zivilgesellschaft zu spalten: Diejenigen, die das Land verlassen haben, und diejenigen, die geblieben sind, streiten sich darüber, wem es schlechter geht, und versuchen das Ausmaß der Schuld und der Verantwortung zu bestimmen.

Ist die Protestbewegung tot?

Nein. Es gibt immerhin Zehntausende von Menschen in- und außerhalb Russlands, die sich dem verbrecherischen Krieg widersetzen. Ak­ti­vis­t:in­nen setzen ihre Antikriegskundgebungen fort und riskieren dabei ihre Freiheit. Viele helfen den Ukrainer:innen: Sie sammeln Geld, Medikamente, Kleidung und nehmen Flüchtlinge auf.

Können Exilmedien die Zivilgesellschaft aktivieren?

In der Zwischenzeit sind unabhängige Medien entstanden, die in der Lage waren, unter extremen Bedingungen nicht nur zu überleben, sondern sich auch zu vereinen. Nach Kriegsbeginn waren es die oppositionellen und kritischen Journalist:innen, die ein Beispiel dafür gaben, wie die Zivilgesellschaft handeln kann und muss – solidarisch miteinander umgehen, alle Gegenargumente und Missstände beiseitelegen, bis die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Und es sind die Jour­na­lis­t:in­nen und nicht die Politiker:innen, die heute ein Millionenpublikum, das den Wandel will, innerhalb und außerhalb Russlands repräsentieren. Meduza als einer der Hauptakteure wird alles tun, um diejenigen zu vereinen, die gegen den Krieg und das Putin-Regime sind.

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