Meduza-Auswahl 29. Juni bis 5. Juli: Das ererbte kriminelle System Putins

Der Putinismus gleiche dem Machtsystem der Bolschewiken, sagt Historiker Andrej Subow. Einen Machtwechsel hält er für möglich. Texte aus dem Exilmedium Meduza.

Eine junge Frau steht hinter der Scheibe und entfernt das Logo der Wagnergruppe

Weg damit: Die Wagner-Logos werden von den Fenstern des Büros Prigoschins geschrubbt Foto: Anton Vaganov/reuters

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 29. Juni bis 5. Juli 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Historiker über Regimewechsel in Russland

Nach dem gescheiterten Aufstand der Söldnertruppe Wagner am 23. und 24. Juni („Marsch der Gerechtigkeit“) in Russland führte das unabhängige russische Medium Verstka ein Interview mit dem Historiker Andrej Subow. Er sagt: Der Wagner-Aufstand könnte einen Regimewechsel in Russland bedeuten. Meduza veröffentlicht eine übersetzte Fassung des Gesprächs (englischer Text), in dem Subow über den fehlenden Rückhalt für Putin – sowohl in der Bevölkerung als auch in den Eliten – spricht.

Subow vergleicht außerdem die derzeitige Situation Russlands mit Schlüsselmomenten seiner Geschichte: So gleiche das System Putin dem der Tscheka – die Geheimpolizei der Bolschewiken – im Jahr 1917, die jeden beseitigten, der ihnen im Weg stand. Das sei eines der Hauptmerkmale des Putinismus, so Subow: „ein ererbtes kriminelles System, das auf dem Missbrauch von Macht beruht“.

Folgen des Aufstands der Wagner-Söldner

In mehreren Texten berichtet Meduza außerdem weiter über die Söldnergruppe Wagner:

Mehr als 858 Milliarden Rubel (9,8 Milliarden Dollar) soll die Wagner-Gruppe an staatlichen Aufträgen erhalten haben, so der staatliche Fernsehsender Russia 1. Nach Angaben des Senders erbrachte beispielsweise Prigoschins Unternehmen Concord Dienstleistungen im Wert von 845 Milliarden Rubel (9,6 Milliarden US-Dollar). Darüber berichtet Meduza hier. (englischer Text).

Ohne einen Namen zu erwähnen, äußerte sich diese Woche der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu zum Aufstand, der aufgrund des “Eid und der Treue“ der russischen Soldaten gestoppt werden konnte (englischer Text).

Als Folge des Marschs haben nach Angaben von Roskomsvoboda, einer Organisation, die Sperrungen im russischen Internet überwacht, die russischen Behörden sieben Wagner-nahe Domains in das Register der gesperrten Websites aufgenommen (englischer Text).

Auf den Telegram-Kanälen der Wagner-Gruppe heißt es, dass die Rekrutierung von Söldnern für einen Monat eingestellt wird. Als Grund dafür wird der Umzug des Unternehmens nach Belarus genannt (englischer Text). Bewegung gibt es auch in der Wagner-Zentrale in Sankt Petersburg: Die Wagner-Logos werden von den Fenstern des Büros Prigoschins geschrubbt (russischer Text).

Rus­s*in­nen kaufen Häuser im besetzten Mariupol

Im vergangenen Jahr zerstörten die russischen Streitkräfte die Hafenstadt Mariupol im Süden der Ukraine fast komplett. Ein Jahr später berichtet Meduza darüber, wie zunehmend russische Bür­ge­r*in­nen in Immobilien investieren (englischer Text). Auf der russischen Social-Media-Website VKontakte gibt es etwa 100 Gruppen mit Anzeigen zum Kauf, Verkauf und zur Vermietung von Immobilien im besetzten Mariupol.

Aus ganz Russland kommen die Interessenten – etwa aus Moskau, Sankt Petersburg oder Krasnojarsk. Aus den Immobilienanzeigen wird deutlich: Viele sind offen für den Kauf von Häusern und Gebäuden „in jedem Zustand“. Auch die Reparatur von Granatenschäden wird bereits geplant.

Ein Meduza-Bericht gibt einige Stimmen portentieller Käufer wieder: “Meine Familie und ich haben uns auf die Suche nach einer Wohnung in Mariupol gemacht, weil wir in der Nähe des Meeres und an einem Ort mit guten Umweltbedingungen leben wollen. In Mariupol gibt es außerdem relativ günstige Immobilien und attraktivere Gehaltsangebote für meinen Mann, da er Elektriker ist. Und die Umwelt dort ist viel sauberer als in Krasnojarsk“, erzählt zum Beispiel Irina.

Oleg Orlow von der NGO Memorial droht Gefängnis

Am vergangenen Montag fand die zweite Anhörung im Strafverfahren gegen Oleg Orlow statt. Er leitet die russische Menschenrechtsorganisation Memorial, die 2021 wegen angeblicher Verstöße gegen das „Agentengesetz“ vom russischen Obersten Gericht zwangsaufgelöst wurde. Vor Gericht wurde Orlow eine “Diskreditierung“ der russischen Armee vorgeworfen. Ihm drohen bis zu drei Jahre Gefängnis.

Meduza fasst den Fall Orlows in diesem Bericht zusammen (russischer Text). Der Auslöser des Strafverfahrens: Ein Facebook-Post mit dem Titel „Sie wollten Faschismus. Sie haben ihn bekommen“.

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