: Gläsernes Tor zur Autobahn
Die Ringbahnhalle am Bahnhof Papestraße, Herzstück des Südbahnhofs, ist eröffnet. Drum herum: Brache, Baustelle und Ikea. Ab 2006 sollen den neuen Bahnhof täglich 200.000 Fahrgäste nutzen
VON RICHARD ROTHER
Wer einen Kreuzberger oder einen Friedrichshainer fragt, wo der Bahnhof Papestraße, künftig Bahnhof Südkreuz, ist, erntet meist unwissendes Achselzucken. Wenn es irgendwann heißt, der künftig zweitwichtigste Berliner Bahnhof befinde sich in der Nähe der neuen Ikea-Halle in Tempelhof, ahnen die meisten, wo das Südkreuz ungefähr sein soll: im Niemandsland zwischen Tempelhof und Schöneberg, in der Nähe der südlichen Stadtautobahn.
Wegen dieser Nähe wurde der gestern teilweise eröffnete Bahnhof auch Autofahrerstation genannt. In der Tat: Wer auf den Stadtplan schaut, merkt schnell, dass das Südkreuz für Westberliner schnell mit dem Auto zu erreichen ist. Wer mit viel Gepäck zur Bahn will, wird sich künftig zur Papestraße kutschieren lassen. So weit die Theorie. Heute ist davon noch nichts zu spüren: Auf der Autobahn zeugt kein Hinweisschild vom Autofahrerbahnhof. Schafft man es trotzdem in die Nähe des riesigen Bahnhofs, muss man im Halteverbot oder auf einer Brachfläche parken, um die reisewilligen Insassen aus dem Auto zu lassen.
Die haben, nachdem sie die Ikea-Shuttle-Service-Station passierten, dann eine Odyssee über Baustellen, Tunnel und provisorische Treppen vor sich. Nach ungefähr fünf Minuten erreichen sie die große Ringbahnhalle. Sie ist das gestern von Bahnchef Hartmut Mehdorn und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eröffnete Hauptgebäude des Südbahnhofs.
Der Bahnsteig unter dem gewölbten, lichtdurchlässigen Dach ist so breit, dass man Beachvolleyball darauf spielen könnte, stünden nicht Werbe- und Anzeigentafeln im Weg. Überhaupt wirkt der ganze Bahnhof eher so, als ob sich hier Architekten und Ingenieure verewigen wollten – die Dimension erschließt sich dem Laien jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Allerdings ist das Südkreuz mit geplanten Kosten von 115 Millionen Euro im Vergleich zum Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof noch recht billig.
Während bei der Bahnhofshalle geklotzt wurde, streiten Senat und Bahn um den Bau der Bahnhofsvorplätze westlich und östlich der Station – ohne die die Besucher, die mit Bus, Fahrrad oder Auto anreisen, den Bahnhof nur schwer erreichen können. Hier müssten beide Seiten eine Lösung suchen, sagte Klaus Wowereit gestern.
Mit der gestrigen Inbetriebnahme der Ringbahnhalle wird das Umsteigen zwischen den Ring- und den Nord-Süd-Linien der S-Bahn einfacher. Und: Mit der Fertigstellung Mitte kommenden Jahres soll sich die Fahrzeit für eine komplette Runde durch den Ring um 3 auf 60 Minuten verkürzen. Nach der Eröffnung des gesamten Bahnhofs im nächsten Jahr sollen täglich rund 200.000 Fahrgäste den Südbahnhof nutzen – darunter auch viele ICE-Fahrgäste, die vielleicht lieber woanders, etwa wie gewohnt am Bahnhof Zoo in der Westberliner City, einsteigen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen