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Gardening in BerlinDas Ende der Liegewiese

Am Monbijoupark ist ein wegweisendes Wildpflanzenbeet entstanden. Es zeigt, wie die Zukunft des Stadtparks aussehen könnte. Dafür gibt es eine Prämie.

Monbijoubeet mit Natternkopf-Färberkamille Foto: Luise Blank

Berlin taz | Berlins Bäume sterben, die Liegewiesen gleichen zunehmend staubigen Motocross-Bahnen. Vor diesem Szenario wirkt das neue Wildpflanzenbeet am Monbijouplatz wie ein mutiges Statement. Auf den ersten Blick wähnt man sich in der Prärie, ein wenig auch in der Wüste. Denn auf dem kargen Schotter – zu Füßen des Denkmals für den romantischen Dichter, Naturforscher und Kolonialismuskritiker Adelbert von Chamisso – stehen in kreisförmigen Beeten mit rostfarbener Metallumrandung schüttere Pflanzen.

Das sind keine Pflanzen, wie man sie aus Schmuckbeeten kennt, sondern solche, wie sie vor Beginn der Intensivlandwirtschaft an jedem Feldweg standen: Natternkopf und Wolfsmilch, Engelwurz und Eisenhut. Sie sehen weder saftig noch üppig aus und entsprechen damit eher weniger den Erwartungen vieler Park­be­su­che­r*in­nen hier.

Und doch: Dafür, dass es seit Wochen nicht geregnet hat und hier nur selten gegossen wird, stehen die Pflanzen sehr gut da. Einige von ihnen duften auch. Und es sind massenhaft Insekten unterwegs auf der Jagd nach ihren Pollen. Und weil die Pflanzen so gut wachsen und die Insekten so zahlreich kommen, erhält das 2021 entstandene und 350 Quadratmeter große Beet am heutigen Montag eine Goldmedaille als herausragender Naturgarten.

Verliehen wird die von der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“, die unter anderem von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 angeschoben wurde. Im Bezirk ist man stolz. „Wir gehen neue Wege bei der Gestaltung öffentlichen Grüns“, sagt Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne).

Inspirierendes Modellprojekt

„Die Auszeichnung ist ein Ansporn für uns als Bezirk, künftig noch mehr auf heimische Pflanzen zu setzen“, sagt Almut Neumann, Stadträtin für Umwelt und Grünflächen des Bezirksamts (ebenfalls Grüne). Tatsächlich ist das Beet ein inspirierendes Modellprojekt für Berlins Grünflächenämter, engagierte Stadt­be­woh­ne­r*in­nen und Hobbygärtner*innen. Darüber hinaus erlaubt es einen Blick in die Zukunft unserer vom Klimawandel immer stärker bedrängten Parks.

Bettina de la Chevallerie, Leiterin der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“, kann erklären, warum das so ist. Pflanzen profitieren nicht nur von Mulchschichten aus organischem, sondern auch aus mineralischem Material. Auch unter einer Schicht aus Sand und Schotter bleibt die Erde bei Hitze und Trockenheit kühler und feuchter, berichtet Chevallerie. Die britische Gärtnerin Beth Chatto war eine der ersten, die den Kiesgarten, wie er hierzulande zum Glück vielerorts verboten ist, neu dachte, sagt sie.

„Anders als Beth Chatto bepflanzen viele Na­tur­gärt­ne­r*in­nen ihre Kiesbeete heute nicht mehr mit resistenten Pflanzen aus aller Welt, sondern mit heimischen Wildpflanzen“, sagt Chevallerie. „Denn ein Drittel der nestbauenden Bienenarten Deutschlands sind oligolektisch.“ Soll heißen: Es gibt Bienenarten, die ausschließlich auf Ochsenzunge oder Zaunrübe, Geißklee oder Glockenblume fliegen. Und da allein die Hälfte aller Wildbienen Bodenbrüter sind, finden sie in der Mulchschicht aus Schotter gleich ideale Nistplätze.

Aber was ist ein 350-Quadratmeter-Beet im Vergleich zu 6.500 Hektar Parks und grünen Plätzen in Berlin? Die Bezirke haben schon genug damit zu tun, Bäume an Straßen und in Parks zu wässern, oder, wenn gar nichts mehr zu machen ist, gegen resistente und schnell wachsende Klimabäume auszutauschen.

Liegewiesen im Rotationsverfahren

Die Zahlen sagen sehr viel: Bis 2024 wird der Volkspark Friedrichshain für insgesamt 1,5 Millionen Euro klimaresistent gemacht (taz berichtete). Die Umgestaltung der Hasenheide bis 2024 wird sogar 5 Millionen kosten. Hier sollen im Rotationsverfahren Liegewiesen abgesperrt werden, damit sie sich erholen können. Aber muss es überhaupt Liegewiesen geben? Sind Liegewiesen nicht nur eine hiesige Konvention, ohne die man in anderen Teilen der Welt sehr gut auskommt? Könnten nicht auch Kiesgärten mit Leihstationen für Gartenliegen der Erholung dienen?

Stadtnaturexperte Derk Ehlert jedenfalls freut sich. „Das Klima zu retten ist nicht nur Aufgabe des Staats. Das schaffen wir nur alle zusammen“, sagt er. Auf dem Kleinen Trümmerberg im Volkspark Friedrichshain ist seit Kurzem eine Fläche nur für Wildbienen und anderen Bestäuberinsekten voller Totholzstapel und Sandflächen reserviert.

Im Rahmen des Projekts „bestäuberfreundliche Stadt“ wurden im Alice-Salomon-Park, im Bürgerpark Pankow, im Park am Schäfersee und auf zahlreichen weiteren Grünflächen in der Stadt Blühstreifen eingerichtet, wo heimische Wildblumenmischungen ausgesät sind und seltener gemäht wird. Selbst Unter den Linden gibt es neuerdings ein Staudenbeet, das mit Sand gemulcht ist. „Jede noch so kleine Kampagne ist von Bedeutung“, sagt Ehlert.

Das Bezirksamt in Mitte hat 50.000 Euro für das Beet am Monbijouplatz ausgegeben. Die Fläche lag davor lange brach, Beikräuter wie die unkaputtbare Quecke hatten die Regie übernommen. Die Erde musste ausgetauscht werden. Nun aber, so Chevallerie, muss es nur noch selten gejätet und gegossen werden. Damit sind die relativ hohen Kosten beim Anlegen und Bepflanzen bald ausgeglichen.

Die Beete des benachbarten Monbijouparks, dem Lustgarten des 1959 gesprengten Schlosses, der 2006 bis 2008 unter der Regie der landeseigenen Grün Berlin GmbH neu gestaltet wurde, machen sehr viel mehr Arbeit. Hier stehen in den Zierbeeten vor allem Hortensien. Die sehen vielleicht wegen ihrer saftigen Blätter und großen Blüten repräsentativ aus, lassen aber schon nach einem einzigen heißen Tag die Köpfe hängen.

Die meisten Hortensiensorten sind geschlechtslos und damit für Bestäuber wie Bienen uninteressant. Die fliegen umso lieber auf das neue Wildstaudenbeet schräg gegenüber.

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5 Kommentare

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  • Nur so eine Idee. Wildkräuter und andere Blumen, die für Insekten wichtig sind, kosten im Supermarkt nicht viel.



    Wie wäre es, wenn man die Wiesen in Berlin damit "impft"?

    • @M. Stockl:

      wild "rumimpfen" kann leider auch das gegenteil bewirken.



      warnt zumindest der direktor des botanischen garten in berlin.



      www.tagesspiegel.d...-kann-9853016.html

      • @alterverwalter:

        Es gibt Leute, die arbeiten dran ;-)

        Wildbienen sind cool. Einige Arten sind hochspezialisiert, und benötigen ganz bestimmte Pflanzenarten zum Überleben. Andere nehmen, was sie kriegen können... ABER: auch letztere stehen in der Regel auf die Pflanzen, von denen die spezialisierten Arten abhängen:

        Skabiose, Witwenblume, Hornklee, Löwenzahn oder Habichtskraut, Rainfarn, Natternkopf, Glockenblumen, Flockenblumen, paar Disteln, und eine feuchte Stelle mit Blutweiderich und Felberich. Dazu eine Bibernell- oder Hundsrose, und ein männliches Weidenbäumchen (oder sogar Kriechweide als Bodendecker, die ist für Bienen eh die beste); vielleicht eine Himbeere und eine Stachel- oder Johannisbeere. Dazwischen Giersch wuchern lassen.

        Ein gutes Dutzend Pflanzenarten, mit denen man >95%[*] der mitteleuropäischen Wildbienen zufriedenstellen kann.

        Vorher einen Teil des Bodens durch lehmigen Sand ersetzen, paar alte Aststücke, und fertig sind die Brutplätze.

        Oh, und Ziest. Deutscher Ziest. Oder Wollziest.



        Garten-Wollbienen sind zwar nicht selten. Aber sie sind coooooooool. Und nichts zieht sie so sehr an wie Stachys germanica.

        Von den "Bienenweiden" aus dem Supermarkt kann man nur abraten. Die sind für Honigbienen optimiert, und durch die Zunahme der Stadtimkerei beginnen die Honigbienen mittlerweile auch in Städten, die Wildbienen zu verdrängen. Aber mit den genannten Pflanzen kann man das ganz einfach verhindern; pflanzt man diese, ist genug für alle da.

        [*] Efeu-Seidenbiene und Zaunrüben-Sandbiene sind die 2 großen Ausnahmen. Aber zumindest in Großstädten wird man Zaunrüben nicht extra anpflanzen müssen, und alte Efeubäume findet man fast überall.

    • @M. Stockl:

      Das ist leider nicht ganz so einfach, weil die Gräser normalerweise die nicht so schnellwachsenden Blumen verdrängen. Theoretisch bieten einige Parks gute Voraussetzungen, weil der Rasen zerstört ist und der Boden darunter zumeist wenig Nährstoffe hat (was gut ist für Wildblumen). Aber dann kommt ins Spiel, was Krösa Maja sagt: die Blumen würden genauso zertrampelt wie der Rasen.



      In Berlin kann man einfach nichts Schönes haben.

    • @M. Stockl:

      Die meisten Wildblumen sind sehr trittempfindlich, solange Leute auf ihnen rumtrampeln, können die sich gegen den Fußballrasen nicht durchsetzen. Aber ich will niemanden vom "Guerilla-Gardening" abhalten, es gibt bestimmt Flächen, wo nicht so viel Fußverkehr ist und man damit erfolgreich ein paar bunte Tupfer in die Stadt bringen kann. :-)