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Brände nach Baustopp-UrteilWem nützt das?

In einem kleinen Wald in Bremen soll gebaut werden. Ein Gericht hat den Plan wegen eines Sperber-Paares gestoppt. Jetzt brennt es dort immer wieder.

Da soll ein Neubaugebiet hin: der Naturwald zwischen den Bremer Stadtteilen Gete und Vahr Foto: Bürgerinitiative Klimawald Gete-Vahr

Bremen taz | Drei Brände innerhalb eines halben Jahres, immer an ähnlicher Stelle – das macht Walther Erwes stutzig. Er spricht für die Bremer Bürgerinitiative Klimawald, die am Übergang der Stadtteile Gete und Vahr ein Neubaugebiet verhindern will. Dort, wo jetzt ein kleiner Wald steht. Zuletzt brannte es am Montag frühmorgens. Das Feuer hat den Rest eines längst verfallenen Parzellenhäuschens komplett verbrannt.

Bereits am 1. Mai, ebenfalls frühmorgens, habe der erste Teil des Häuschens in Flammen gestanden, sagt Erwes. Die Brände ähnelten sich auffällig: immer in den frühen Morgenstunden, immer derselbe Brandort, immer in der Nähe vom Horst des Sperber-Paares, das in dem Wald lebt. „Das fällt auch unserem Anwalt auf“, sagt er.

Die Stadt will dort Wohnungen und Reihenhäuser bauen lassen. Im April 2021 formierte sich die Bürgerinitiative dagegen. Vor gut einem Jahr kaufte ein Investor das Grundstück. Aber das Oberverwaltungsgericht Bremen hat den Bebauungsplan Ende vergangenen Jahres für ungültig erklärt. Ein Grund für die Entscheidung: Der Investor habe „die Auswirkungen der Planung in Bezug auf die Vogelart Sperber nicht hinreichend untersucht“.

Der Wald, in dem auch alte Schrebergartenparzellen stehen, ist nach Angaben der Bürgerinitiative 28.000 Quadrat­meter groß. Umgeben von Wohngebieten und weiteren genutzten Gartenparzellen ist er im Osten der Hansestadt ein seltener Anblick. „Das ist ein Biotop, verwildert und vereinsamt, über 60 Jahre alt“, sagt Erwes. Die Initiative weist auf ihrer Internetseite darauf hin, dass Tiere und Pflanzen dort besondere Lebensräume fänden, die es nur in Naturwäldern gebe. „Der Wald speichert CO2 und schützt vor Starkregen“, sagt Erwes.

Sperber geht nicht freiwillig

Ein Gutachter, der den Wald im Auftrag der Initiative untersucht habe, halte den Wald für einen „Top-Ort“ für das Vogelpaar, sagt Erwes. Umsiedeln sei dagegen gar nicht möglich. Wo Menschen joggen und Radfahren, etwa im Bremer Bürgerpark, gehe kein Sperber hin. Freiwillig zumindest: „Diese Angriffe mit Feuer und Rauch sind schon geeignet, die irgendwann zu vergrämen.“

Bereits am 27. Dezember und am 1. Mai hatte es gebrannt. Erwes und seine Mit­strei­te­r*in­nen haben zweimal Anzeige erstattet. Die dritte sei in Vorbereitung. „Wir glauben nicht an Zufälle. Jeder normale Bürger fragt sich inzwischen: Wem nützt das eventuell?“ Auffällig sei auch, dass die Notrufe immer „relativ rasch“ bei der Feuerwehr eingegangen seien – und zwar nicht aus der direkten Nachbarschaft. „Wir kennen die Nachbarn alle.“

Anzeige gegen Unbekannt habe auch das Bauunternehmen M-Projekt erstattet, sagt deren Geschäftsführer Olaf Mosel. Das Unternehmen hat das Grundstück mit dem Klimawald, wie die Bürgerinitiative ihn nennt, im vergangenen Jahr gekauft. „Ob das Feuer absichtlich gelegt wurde, weiß ich nicht“, sagt Mosel. Natürlich werde suggeriert, dass das Bauunternehmen selbst dahinterstecken könnte – „es wäre aber vollkommen idiotisch, wenn wir dreimal Feuer legen, natürlich haben wir das nicht gemacht“.

Das ehemalige Parzellengebiet mit einigen Häuschen sei verwildert und verwaist, sagt Mosel. „Ich vermute auch, dass das Gelände von Jugendlichen genutzt wird, die da nachts in die Häuser eindringen.“ Das bemerke ja erst einmal niemand. „Wer will, kann sich dort Zutritt verschaffen.“ Daher könnten die Brände auch unbeabsichtigt entstanden sein.

Investor hält an Plänen fest

Die Bürgerinitiative wirft dem Investor vor, das Grundstück nach dem Erwerb zugänglicher gemacht zu haben. An der Seite, die an einer größeren Straße liegt, seien Türen aus dem Zaun entfernt worden, sagt Erwes. Über den Zaun zu klettern, sei schwierig, doch jetzt gebe es zwei, drei Lücken. Damit hielten einen nur noch Unterholz und Brombeeren davon ab, in den Wald einzudringen.

Alles sei so wie vor einem Jahr, sagt dagegen Mosel. Zäune gebe es rund um alle Parzellen auf diesem Gebiet nicht. Man habe nach dem Erwerb keine Türen oder Ähnliches entfernt.

Trotz des Gerichtsurteils halte man an dem Vorhaben fest. Der Bebauungsplan werde erneut vorgelegt; das Artenschutzgutachten, das vom Gericht kritisiert wurde, habe man bereits überarbeitet. Nun steht drin, wohin der Sperber umziehen kann, wenn sein Baum weg muss. „Der Sperber ist streng geschützt“, weiß auch Mosel. Wenn sein Baum gefällt werde, suche dieser sich aber einfach ein anderes Zuhause – „logisch“ nennt Mosel das. Aber: Im alten Gutachten hätten diese „Ersatzhabitate“ gefehlt.

Brief an die Umweltsenatorin

Am Montagabend habe Erwes einen Brief an die Umweltsenatorin geschrieben. „Ich habe darum gebeten zu überprüfen, ob nach dem dritten Brand nicht auf den Projektentwickler eingewirkt werden kann, Maßnahmen zu treffen, die das Gelände unzugänglicher machen.“ Die Brände seien nicht nur für die Sperber eine Gefahr, sondern auch für die Anwohner*innen, deren Häuser direkt an den Wald grenzen – gerade jetzt bei der Trockenheit.

Laut Erwes sollen bei den ersten beiden Bränden jeweils Brandbeschleuniger verwendet worden sein. „Bei allen Bränden wurde bisher kein Brandbeschleuniger festgestellt“, schreibt dagegen ein Polizeisprecher. Man prüfe „Zusammenhänge zwischen diesem Brand und den Feuern vom Mai und Dezember“ und gehe dabei verschiedenen Hypothesen nach. „Hierbei spielen Funkenflüge aufgrund der hohen Temperaturen eine Rolle, wie auch eine mögliche vorsätzliche Brandlegung im Zusammenhang mit der weiteren Verwendung des Grundstücks.“

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