Nach Amoktat in Hamburg: Grote rüstet Waffenbehörde auf
Nach der Amoktat gegen Zeugen Jehovas präsentiert Hamburgs Innensenator Reformen bei der Waffenbehörde. Die Reaktionen sind geteilt.
Der Attentäter Phillip F., der sich nach der Tat selbst tötete, hatte seine Waffenerlaubnis erst im Dezember 2022 erhalten. Kurz danach war ein anonymer Hinweis bei der Waffenbehörde eingegangen, aus dem hervorging, dass F. psychisch womöglich nicht geeignet dafür sein könnte, eine Waffe zu führen. Die Waffenbehörde, die zur Hamburger Polizei gehört, stattete ihm daraufhin einen Besuch ab, der aber im Wesentlichen ohne Beanstandungen verlief. Die Waffenbehörde hatte die Untersuchungen danach eingestellt.
Im Zuge der Ermittlungen nach der Tat stellte sich dann heraus, dass mehrere Mitarbeiter der Waffenbehörde Nebentätigkeiten beim „Hanseatic Gun Club“, dem Schießverein, bei dem auch F. registriert war, ausgeübt hatten. Gegen einen der Beamten läuft ein Verfahren wegen des Verdacht der fahrlässigen Tötung in sechs Fällen sowie der fahrlässigen Körperverletzung im Amt in 14 Fällen. Er soll Informationen über den psychischen Zustand des Attentäter nicht ordnungsgemäß weiterverarbeitet haben.
Ereignisse wie die Amoktat vom 9. März müssten „immer Anlass sein, Strukturen und Verfahren kritisch zu hinterfragen“, sagte Grote am Dienstag. Konkret benannten Grote und Meyer fünf Maßnahmen, die sich aus den bisherigen Erkenntnissen ergeben hätten. Für den zukünftigen Umgang mit Hinweisen auf mögliche Gefahren wurde ein „standardisiertes Verfahren“ festgelegt. Dieses beinhaltet laut Meyer eine Checkliste, die „Punkt für Punkt“ abgearbeitet werden muss.
Zudem seien klare Compliance-Regeln für Einstellungsverfahren festgelegt worden, führte Meyer weiter aus. So sei eine Nebentätigkeit in einem Hamburger Schützenverein „nicht akzeptabel“ für Mitarbeiter*innen in der Waffenbehörde. Zudem sollen Hobbies von Bewerber*innen abgefragt werden.
Waffenbehörde soll mehr Mitarbeiter*innen bekommen
Die Waffenbehörde soll auch personell verstärkt werden. In Zukunft sollen 33 statt 27 Menschen bei der Behörde arbeiten. Die Zahl der Außenteams soll dadurch von zwei auf drei angehoben werden. Meyer rechnete vor, dass bei möglichen 100 bis 130 Kontrollen, die ein Team im Monat schaffen könne, die Zahl der jährlichen Kontrollen bei Waffenbesitzer*innen auf über 4.600 erhöht werden könne.
Zudem soll das Fortbildungsangebot der Waffenbehörde verbessert werden. Die Polizei konzipiere gerade eine Fortbildung zur Erkennung von psychischen Auffälligkeiten, die bald angeboten werden soll.
Auch im Bereich IT will die Waffenbehörde besser werden: Das bisherige System sei selbstentwickelt, es sei nicht möglich „auf den Knopf zu drücken“ und sich beispielsweise Hinweise auf mögliche gefährliche Waffenbesitzer ausspucken zu lassen. Bei der Recherche nach früheren Hinweisen musste sich die Behörde auf die Erinnerungen von Mitarbeiter*innen und Suche in einem Hinweisfeld verlassen. Der Wechsel zu einem neuen IT-System werde nun geprüft.
Der Polizeipräsident wollte auch am Dienstag nicht von Versäumnissen innerhalb der Behörde sprechen. Optimal sei es zwar vor der Tat nicht gelaufen: „Das, was wir uns vorstellen, war nicht in zureichender Weise erfüllt.“ Dennoch verwies er darauf, dass sich die laufenden Ermittlungen gegen „einzelne Personen“ richten.
Grüne fordern Verschärfung von Waffenrecht im Bund
Die Linksfraktion hält wenig von Grotes und Meiers Ankündigung. „Dass erst sieben Menschen getötet werden mussten, bis standardisierte Verfahren bei Hinweisen in der Waffenbehörde implementiert und Interessenskonflikte überprüft werden, ist desaströs“, sagte Deniz Celik, der innenpolitische Sprecher der Linken in der Bürgerschaft.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering nannte die Verstärkung der Waffenbehörde „alternativlos“ und forderte „das Maßnahmenpaket konsequent umzusetzen“. Sina Imhof (Grüne) forderte eine „Verschärfung des Waffenrechts im Bund“. Dass er sich für diese einsetzen werde, hatte auch Andy Grote am Dienstag angekündigt. So solle in Zukunft jeder, der eine Waffenerlaubnis beantragt, ein psychologisches Gutachten vorlegen.
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