Underground-Festival im Berliner Club: Landpartie in der Stadt
Beim „Down by the River“-Festival im Garten des Berliner Clubs About Blank darf man sich nicht nur am Grün freuen.
S chön, wenn es mal raus aus der Stadt und runter zum Fluss geht – und das Schöne an der Stadt wiederum ist, dass man dafür gar keine langen Wege bewältigen muss. Liegt in Berlin alles immer nur ein paar Fahrradminuten entfernt.
Wobei man jetzt doch zugeben muss, dass da auch das Metaphorische hilft. Runter zum Fluss geht es hier eben mit dem „Down by the River“-Festival, Tummelplatz für den musikalischen Underground Berlins.
Nicht zuletzt wegen Corona musste es die vergangenen Jahre pausieren, und noch länger ist es her, dass das Festival tatsächlich direkt am Fluss stattgefunden hat: auf dem Gelände der Bar 25, einem recht bekannt gewordenen Feierplatz an der Spree. Längst ist der Geschichte, heute steht da mit dem Holzmarkt ein „Kreativdorf“. Und das „Down by the River“-Festival ist weitergezogen und hat seinen Namen einfach behalten, selbst wenn im About Blank, dem jetzigen Festivalort am Ostkreuz, weit und breit kein Fluss zu sehen ist.
Raus aus der Stadt ist der Club eigentlich auch nicht, auch wenn die sich hier im Wildwuchs aus Brache, Gewerbe und Wohnen städtebaulich in einer recht unentschiedenen Gemengelage zeigt. Noch. Passiert man aber das Gebäude des Clubs, steht man hinten plötzlich in einem verwunschenen Garten mit verschlungenen Wegen.
Bänke laden zum Verweilen ein und dem Spiel der Sonne mit den Schatten der Sträucher und Bäume zuzuschauen. Vögelgezwitscher mischt sich mit der Musik von der Bühne. Eigentlich erwartet hier sowieso niemand, jetzt die musikalisch aufregendste Zeit seines Leben zu erleben. Entspannt schlendert man übers Gelände und einigt sich auf Entschleunigung. Ein sonniger Nachmittag, die Ahnung einer Landpartie in der Stadt.
Sand in der Nase
Wenn man wirklich was mäkeln will: dass der Sand auf den verschlungenen Wegen zwischen dem Grün doch arg aufgewirbelt wird und sich dann in der Nase sammelt, wenn die Kinder darüber hinwegtoben. Aber bitte: wo sonst kann man mit Kindern auf ein Konzert, wo nicht erst eine musikalische Krabbelgruppe eingerichtet werden muss?
So toben die Kleinen eben durch den Garten oder hören einfach der freundlich dahinträumenden Musik von Chillera zu, ein mit Surf und Dub gefütterter Instrumentalrock. Die drei jungen Musikerinnen kommen eigentlich aus Odessa, und in Berlin haben sie zwischenzeitlich einen sicheren Platz gefunden. Das eine ist die Musik, dieser im Bandnamen bereits angedeutete, entspannte Groove. Das andere die Situation in ihrer ukrainischen Heimat mit dem Krieg. Natürlich wird er von ihnen thematisiert. Beides muss auch an so einem sonnigen Nachmittag zusammengehen.
Danach gibt es einen herrlich windschiefen Do-it-yourself-Pop zu hören, der mit exaltiertem Girlgroup-Gesinge und Artrock so zwanglos Reigen tanzt, dass man bei den drei Musikerinnen von Halfsilks schlicht aufhorchen muss und eine ziemlich aufregende musikalische Zeit erlebt – wie auch bei den vier Musikern von Noj, die ihren gitarrenkreischen Postpunk-Krach mit einem toll gelangweilten Rebel-without-a-cause-Jungsblick servieren.
„Endlich mal wieder eine richtig schlecht gelaunte Band“, meint ein Bekannter. Auch eine Haltung für einen sonnigen Nachmittag. Außerdem geht es im About Blank bereits auf den Abend zu. Und die Zukunft ist mau: Da soll bald Schluss sein, Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP will es so. Für die umstrittene Verlängerung der Stadtautobahn A 100 ist der Club im Weg.
Schreiend gute Laune
Vor dem Heimweg schaut man kurz auf den Garten und steht draußen. Zwei Ecken weiter wird an einer riesigen Baustelle „Raum für New Work“ beworben. „Keine Stadt, sondern eine Lebenseinstellung“, steht am Bauzaun.
Die sich den Spruch ausgedacht haben, wissen natürlich auch, dass mit dem, was da hinterm Zaun entsteht, genau diese Einstellung herausgescheucht wird. Immer mehr Menschen auf den Straßen, unterwegs mit dem „Jetzt muss doch was passieren“. Schreiend gute Laune. Bierbikes. Draußen brüllt die Stadt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!